Was gilt beim Widerruf von Verträgen?
Von: Verbraucherzentrale Bayern e.V.
In diesem Beitrag finden Sie
- Für welche Verträge gilt das Widerrufsrecht?
- Voraussetzungen des Widerrufsrechts
- Welche Fristen gibt es für den Widerruf?
- Wie muss eine Widerrufserklärung aussehen?
- Was sind Rechtsfolgen des Widerrufs?
- Wer übernimmt die Rücksendekosten bei Waren?
- Wer muss die Lieferkosten zahlen?
- Wann müssen Verbraucher/-innen Wertersatz leisten?
Für welche Verträge gilt das Widerrufsrecht?
Im deutschen Zivilrecht gilt der Grundsatz, dass die Vertragsparteien an einen geschlossenen Vertrag gebunden sind und sich nur in Ausnahmefällen von diesem lösen können. Ein solcher Ausnahmefall besteht beispielsweise dann, wenn einer Vertragspartei ein Widerrufsrecht eingeräumt wird.
Ein Widerrufsrecht wird per Gesetz für Verträge mit bestimmten Vertriebsformen gewährt. Dazu zählen:
Das Widerrufsrecht für diese Verträge ist in den §§ 312 g, 355 f. BGB geregelt.
Darüber hinaus wird für bestimmte Vertragsarten ein Widerrufsrecht eingeräumt. Darunter fallen:
- Teilzeit-Wohnrechteverträge,
- Verträge über ein langfristiges Urlaubsprodukt,
- Vermittlungsverträge,
- Tauschsystemverträge,
- Verbraucherdarlehensverträge,
- Ratenlieferungsverträge (§§ 356 a bis 356 c BGB)
- unentgeltliche Darlehensverträge und unentgeltliche Finanzierungshilfen (§§ 356 a bis 356 d BGB), sowie seit 01.01.2018
Verbraucherbauverträge (§650 i BGB).
Voraussetzungen des Widerrufsrechts
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Erste Voraussetzung für das Bestehen eines Widerrufsrechts ist ein Vertrag zwischen einem Unternehmer oder einer Unternehmerin und einer Verbraucherin oder einem Verbraucher (Verbrauchervertrag im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB).
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Zudem muss ein Vertrag vorliegen, bei welchem Verbraucher/-innen ein Widerrufsrecht eingeräumt wird, wie z.B. ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag, ein Fernabsatzvertrag oder einer der oben genannten Vertragsarten.
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Das Widerrufsrecht darf auch nicht ausgeschlossen sein.
Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in § 312 g Abs. 2 BGB zahlreiche Fälle, in denen ein Widerrufsrecht ausgeschlossen wird. Beispielhaft zu nennen sind:
- Verträge über die Lieferung von maßangefertigten oder schnell verderblichen Waren oder
- Verträge über die Lieferung von Zeitungen und Zeitschriften (mit Ausnahme von Abonnementverträgen) oder
- Verträge über die Lieferung versiegelter CDs oder DVDs, wenn das Verpackungssiegel bereits entfernt worden ist oder- Verträge über die Lieferung von Waren, deren Hygienesiegel geöffnet wurde
Bei Verbraucherbauverträgen ist § 312 Abs. 2 BGB zu beachten. Da diese Verträge in Nr. 3 genannt sind, kommt unter anderem § 312 g BGB hier nicht zur Anwendung.
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Das Widerrufsrecht darf auch nicht endgültig oder vorzeitig erloschen sein.
Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Widerrufsfrist endgültig abgelaufen ist oder der/die Unternehmer/-in eine Dienstleistung mit Kenntnis und ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers/ der Verbraucherin vor Ablauf der Widerrufsfrist vollständig erbracht hat. Der/die Verbraucher/-in muss dabei bestätigen, dass er/sie den Verlust des Widerrufsrechts zur Kenntnis genommen hat.
Welche Fristen gibt es für den Widerruf?
Die Widerrufsfrist beträgt einheitlich 14 Tage. Die Frist beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB). Dies gilt insbesondere für Dienstleistungen.
Bei Wareneinkäufen beginnt die Frist mit Erhalt der Ware. Wurden mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt, beginnt die Frist mit Erhalt der letzten Lieferung. Bei einer regelmäßigen Warenlieferung über einen festgelegten Zeitraum ist der Erhalt der ersten Ware (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB) maßgeblich für den Fristbeginn.
Abweichende Regelungen zu den Widerrufsfristen finden sich auch in den Widerrufsvorschriften zu den oben genannten speziellen Vertragsarten (§ 356 a bis § 356 e BGB). So beginnt die Widerrufsfrist bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag erst, wenn der Darlehensnehmer die in § 494 Abs. 7 BGB bezeichnete Abschrift des Vertrages erhalten hat (§ 356b Abs. 3 BGB).
- Unternehmer/-innen müssen Verbraucher/-innen vor Vertragsschluss über ihr Widerrufsrecht belehren (s. Widerrufsbelehrung).
- Unterbleibt die Belehrung oder ist sie fehlerhaft, beginnt die Widerrufsfrist nicht.
- Maßgeblich für den Fristbeginn sind somit die Informationspflichten zum Widerrufsrecht.
- Es gibt jedoch kein „ewiges Widerrufsrecht“ mehr: Das Widerrufsrecht erlischt in jedem Fall spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem eigentlichen Fristbeginn.
Unternehmer/-innen können die Belehrung noch innerhalb dieser Zeit nachholen. In diesem Fall beginnt die 14-tägige Frist ab dem Zeitpunkt der nachgeholten Belehrung. Nur bei Verträgen über Finanzdienstleistungen (sofern das Widerrufsrecht nicht wegen der finanzmarktbedingten Preisschwankungen ausgeschlossen ist, § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB) und bei Verbraucherkreditverträgen gilt noch eine unbefristete Widerrufbarkeit bei einer unterbliebenen oder nicht ordnungsgemäßen Belehrung.
Bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag sowie bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag verlängert sich die Widerrufsfrist um einen Monat, wenn die dem/der Darlehensnehmer/-in zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde zunächst nicht den gesetzlich in Art. 247 §§ 6-13 EGBGB vorgeschriebenen Inhalt hatte und die fehlenden Angaben nachgeholt wurden. Das Widerrufsrecht bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag erlischt wiederum spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss.
Auch bei unentgeltlichen Darlehensverträgen und unentgeltlichen Finanzierungshilfen gilt kein „ewiges“ Widerrufsrecht, es erlischt spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen. Gleiches gilt für Verbraucherbauverträge: § 356e S. 2 BGB begrenzt die Widerrufsfrist des in § 650 l BGB begründeten Widerrufsrechts auf höchstens ein Jahr und 14 Tage.
Wie muss eine Widerrufserklärung aussehen?
Verbraucher/-innen Müssen den Widerruf ausdrücklich gegenüber dem/der Unternehmer/-in erklären. Eine kommentarlose Rücksendung der Sache reicht für einen wirksamen Widerruf nicht mehr aus. Aus der Erklärung muss eindeutig hervorgehen, dass ein Widerruf gewünscht ist. Das Wort “Widerruf“ muss dabei nicht verwendet werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt es sich jedoch.
Der Widerruf kann in beliebiger Form abgegeben werden. Die Einhaltung der Textform ist nicht mehr erforderlich. Aus Beweisgründen sollte der Widerruf jedoch nicht mündlich erfolgen. Vielmehr wird empfohlen, den Widerruf schriftlich per Brief, E-Mail, Fax oder auf der Homepage des Unternehmers zu erklären.
Neu ist die Einführung eines Musterwiderrufsformulars. Der/die Unternehmer/-in kann das Musterwiderrufsformular oder eine andere Widerrufsbelehrung auf der Webseite einstellen und dem/der Verbraucher/-in die Möglichkeit geben, dieses dort direkt auszufüllen und abzusenden. Die Nutzung eines Musterwiderrufsformulars muss der/die Unternehmer/-in dem/der Verbraucher/-in nach Erhalt unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen. Die Zugangsbestätigung sollte gespeichert werden. Falls keine Bestätigung kommt, sollte auf einem anderen Weg nochmals widerrufen werden.
Für die Einhaltung der Frist reicht die rechtzeitige Absendung der Erklärung innerhalb der 14 Tage aus.
Wichtig zu wissen ist, dass der Widerruf selbst unwiderruflich ist und daher nicht zurückgenommen werden kann.
Was sind Rechtsfolgen des Widerrufs?
Der wirksam erklärte Widerruf führt dazu, dass Verbraucher/-innen nicht länger an den Vertrag gebunden sind. Wurden bis zur Erklärung des Widerrufs noch keine Leistungen ausgetauscht, ist die Angelegenheit erledigt. Eine Rückabwicklung des Vertrages ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Wurden bereits Leistungen ausgetauscht, müssen diese nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB unverzüglich zurückgewährt werden.
Im Falle eines Fernabsatzgeschäftes oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kommt § 357 BGB zur Anwendung. Dabei gilt Folgendes: Der/die Verbraucher/-in muss die bereits erhaltene Ware innerhalb von 14 Tagen nach Abgabe seiner/ihrer Widerrufserklärung an den/die Unternehmer/-in zurücksenden. Unternehmer/-innen müssen den erhaltenen Zahlungsbetrag innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der Widerrufserklärung an den/die Verbraucher/-in erstatten. Soweit der/die Unternehmer/-in nicht angeboten hat, die Waren abzuholen, kann er/sie die Rückzahlung nach § 357 Abs. 4 verweigern, bis er/sie die Waren zurückerhalten hat oder der/die Verbraucher/-in einen Nachweis erbracht hat, dass er/sie die Waren abgesandt hat. Zudem muss der/die Unternehmer/-in dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das auch der/die Verbraucher/-in zur Zahlung verwendet hat.
Bei Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte dürfen Verbraucher/-innen gemäß §§ 357 Abs. 8, 327p Abs. 1 S. 1 BGB nach Beendigung des Vertrags das digitale Produkt weder weiter nutzen, noch Dritten zur Verfügung stellen. Auf Verlangen der Verbraucher/-innen müssen Unternehmer/-innen erstellte oder bereitgestellte Inhalte, die der/die Verbraucher/-in erstellt hat, nach § 327p Abs. 3 S. 1 BGB bereitstellen, sofern es sich dabei nicht um personenbezogene Daten handelt.
Wer übernimmt die Rücksendekosten bei Waren?
Die Rücksendekosten trägt nach § 357 Abs. 5 BGB grundsätzlich die Verbraucher/-innen, wenn der/die Unternehmer/-in vor Vertragsschluss darüber informiert hat. Der/die Unternehmer/-in kann aber auch freiwillig die Kosten der Rücksendung übernehmen.
Ferner besteht gemäß § 357 Abs. 7 BGB eine Abholungspflicht des Unternehmers/ der Unternehmerin bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder Fernabsatzvertrag, wenn die Ware nicht per Post versendbar ist. Die Gefahr des Verlusts oder der Verschlechterung der Ware beim Rücktransport trägt allein der/die Unternehmer/-in. Geht die Ware beim Rücktransport verloren, darf dies keine Nachteile auf die zurückzuerstattenden Kosten haben.
Wer muss die Lieferkosten zahlen?
Nach § 357 Abs. 2 S. 1 BGB muss der/die Unternehmer/-in dem/der Verbraucher/-in auch die geleisteten Zahlungen für die Lieferung der Ware erstatten. Zu beachten ist jedoch, dass der/die Unternehmer/-in nur die Kosten der günstigsten Standardlieferung zu tragen hat. Darüber hinaus gehende Lieferkosten müssen vom Verbraucher/ von der Verbraucherin selbst getragen werden.
Wann müssen Verbraucher/-innen Wertersatz leisten?
Für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen muss der/die Verbraucher/-in auch nach den neuen Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen Wertersatz leisten. Das Gesetz unterscheidet beim Wertersatz zwischen Warenkäufen, Dienstleistungen und digitalen Produkten.
Bei Warenkäufen gilt:
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Ist eine Rückgewähr des Kaufgegenstandes nicht mehr möglich, muss gemäß § 357a Abs. 1 Nr. 1 BGB Wertersatz geleistet werden. Der Wertersatz richtet sich gemäß § 357e BGB nach der vereinbarten Vergütung.
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Der Wertersatz muss nach § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB allerdings nur gezahlt werden, wenn der/die Verbraucher/-in vor Vertragsschluss ordnungsgemäß über sein/ihr Widerrufsrecht informiert worden ist und der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendig war. Das Prüfungsrecht geht dabei so weit, wie es bei einem Kauf im Ladengeschäft möglich wäre. So soll die Möglichkeit des Ausprobierens der Ware, die beim Onlinehandel im Vergleich zum Kauf im Ladengeschäft naturgemäß nicht besteht, geschaffen werden.
Bei Dienstleistungen gilt:
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Auch bei Dienstleistungen oder einem Vertrag über eine Energielieferung müssen Verbraucher/-innen unter bestimmten Voraussetzungen Wertersatz leisten. Nach § 357a Abs. 2 BGB schulden sie dem/der Unternehmer/-in Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn er/sie ausdrücklich verlangt hat, dass der/die Unternehmer/-in innerhalb der Widerrufsfrist mit der Leistung beginnt und er vor Vertragsschluss wirksam über sein/ihr Widerrufsrecht belehrt wurde. Der Wertersatz orientiert sich in diesem Fall am Gesamtpreis. Ist dieser zu hoch, so wird der Wertersatz auf der Grundlage des Marktwertes der erbrachten Leistung berechnet.
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Bei Finanzdienstleistungen ist der/die Verbraucher/-in zur Zahlung eines Wertersatzes verpflichtet, wenn er/sie auf die Rechtsfolge hingewiesen worden ist und er der Ausführung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist ausdrücklich zugestimmt hat (§ 357b Abs. 2 BGB). Die empfangenen Leistungen sind in diesem Fall spätestens nach 30 Tagen zurückzugewähren.
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Auch bei Verbraucherbauverträgen gilt grundsätzlich eine Wertersatzpflicht, wenn die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistungen ihrer Natur nach ausgeschlossen ist (§357e BGB). Ffür die Berechnung des Wertersatzes ist die vereinbarte Vergütung zugrunde zu legen. Ist diese unverhältnismäßig hoch, bildet der Marktwert die Grundlage der Berechnung.
Bei digitalen Produkten gilt:
Keinen Wertersatz muss der/die Verbraucher/-in gemäß § 357a Abs. 3 BGB bei Verträgen über die Lieferung von digitalen Inhalten leisten, die sich nicht auf einem körperlichen Datenträger befinden. Darunter fällt z.B. der Download von Musiktiteln, eBooks oder auch Streaming von Filmen oder Serien.
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