Baufinanzierung: Was ist ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag?
Von: Verbraucherzentrale Bayern
In diesem Beitrag finden Sie
- Zins und Tilgung
- Sicherheiten: Hypothek oder Grundschuld?
- Vorvertragliche Information
- Zinsfestschreibung: Vor - und Nachteile
- Laufzeit
- Kündigungsfristen bei Immobilienfinanzierung
- Sondertilgungen: Wann sind sie zulässig?
- Außerordentliche Kündigung: Wann ist ein "Interesse berechtigt"?
- Vorfälligkeitsentschädigung: Schadensersatz für vorzeitige Kündigung
- Widerruf
Zins und Tilgung bei Immobiliendarlehen
Bei Immobiliendarlehen handelt es sich zumeist um so genannte Annuitätendarlehen. Annuität ist die für ein Darlehen anfallende gleich bleibende Rate pro Jahr. Sie enthält einen Zins- und Tilgungsanteil. Durch die fortlaufende Tilgung sinkt allmählich der Zinsanteil, wohingegen der Tilgungsanteil steigt, da der zu verzinsende Darlehensbetrag geringer wird (sog. 'ersparte' Zinsen). Das bedeutet also, dass der überwiegende Teil der Kreditzahlungen zunächst für die Darlehenszinsen verwendet wird und nicht für die Tilgung des Darlehens.
Sicherheiten beim Immobilienkredit: Hypothek oder Grundschuld?
Obwohl man im Volksmund von Hypothekendarlehen spricht, dient heutzutage kaum noch eine Hypothek als Sicherheit für den Kredit. Fast immer wird der Kredit über eine Grundschuld abgesichert. Meist wird diese Grundschuld für das zu erwerbende Grundstück eingetragen. Die Absicherung über eine Grundschuld ist für die Banken meist günstiger, weil die Grundschuld verkehrsfähig und nicht akzessorisch ist. Das bedeutet, dass die Grundschuld - anders als die Hypothek - in voller Höhe bestehen bleibt, wenn der Darlehensnehmer den Kredit tilgt.
Manchmal kommen auch andere Sicherheiten zum Tragen. Neben sogenannten Grundpfandrechten - das sind Hypotheken oder Grundschulden an anderen Grundstücken - können zum Beispiel auch Ansprüche aus Lebensversicherungen, Bausparverträgen oder auch Bürgschaften als zusätzliche Sicherheiten dienen.
Vorvertragliche Information im Immobiliendarlehensvertrag
Der Immobiliendarlehensvertrag muss gem. § 492 Abs. 1 BGB schriftlich abgeschlossen werden. Aber zuvor müssen Darlehensgeber und -vermittler/-innen den oder die Verbraucher/-in mit dem sogenannten Europäischen Standardisierten Merkblatt (kurz ESIS) über die wichtigsten Vertragsinhalte informieren. Hier sind alle wesentlichen Informationen zur konkreten Immobilienfinanzierung von der Kredithöhe bis zur Laufzeit und dem Tilgungsplan sowie allen weiteren relevanten Darlehensbedingungen aufzuführen. Dadurch soll das Finanzierungsangebot dem/der Verbraucher/-in transparent gemacht werden und ihr/ihm auch ermöglichen, das Angebot mit denen anderer Anbieter zu vergleichen.
Zinsfestschreibung: Vor - und Nachteile
Um beiden Vertragspartner/-innen Planungssicherheit zu gewähren, wird der Zinssatz meist über einen bestimmten Zeitraum, z. B. fünf, zehn oder fünfzehn Jahre festgeschrieben. In Zeiten einer Niedrigzinsphase ist dies für Darlehensnehmer/-innen natürlich vorteilhaft. Steigen die Marktzinsen, so hat er bei entsprechend langer Zinsfestschreibung ein gutes Geschäft gemacht.
In Hochzinsphasen wären Kreditnehmer/-innen besser beraten, die Zinsbindung kurz zu halten. Allerdings entfällt dabei auch die Planungssicherheit. Denn letztendlich kann über das künftige Zinsniveau nur spekuliert werden.
Laufzeiten bei Baufinanzierung
Kreditverträge zur Baufinanzierung haben eine sehr lange Laufzeit. Bis der Kredit komplett getilgt ist, vergehen oft mehrere Jahrzehnte. Die Laufzeit muss im Vertrag angeben werden. Ansonsten sind Verbraucher/-innen gemäß § 494 Abs. 6 BGB jederzeit zur Kündigung berechtigt und haben keine Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.
Kündigungsfristen bei Immobilienfinanzierung
Ein Immobiliendarlehen ohne Zinsfestschreibung ist mit einem variablen Zins ausgestattet und deshalb gem. § 489 Abs. 2 BGB jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündbar. Da eine Immobilienfinanzierung jedoch auf lange Zeit angelegt ist, wird der Zins meistens zu einem bestimmten Datum festgeschrieben. Das Immobiliendarlehen kann dann nach § 489 Abs. 1 Ziff. 1 BGB mit einer Frist von einem Monat zu diesem Termin gekündigt werden.
Sofern keine kürzere Zinsfestschreibung ausgehandelt wurde, können Hauskäufer/-innen das Darlehen immer nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Erhalt der Darlehenssumme kündigen. Hierbei ist eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einzuhalten.
Beispiel:
Bauherrin V hat mit ihrer Bank B am 01.08.2013 einen Darlehensvertrag über eine Baufinanzierung abgeschlossen. Der Vertrag hat eine Laufzeit bis zum 31.08.2040.
Es wurde eine Zinsfestschreibung von 20 Jahren vereinbart.
Das Darlehen wurde V am 01.10.2013 auf ihr Konto ausbezahlt.
Im Mai 2023 erhält V ein wesentlich günstigeres Angebot von der Bank C für eine Anschlussfinanzierung. Sie möchte deswegen den Vertrag mit der B-Bank kündigen.
Obwohl im Beispielsfall eine Zinsbindung von 20 Jahren vereinbart wurde, kann V bereits nach zehn Jahren den laufenden Vertrag kündigen (§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Entscheidend ist dabei nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages. Die zehn Jahre werden erst ab Empfang der vollständigen Darlehenssumme gerechnet. Im Ausgangsfall ist dies der 01.10.2013. Erstmals ist der Vertrag somit am 01.10.2023 kündbar. Allerdings muss V eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einhalten. Hätte V am 01.10.2023 die Kündigung erklärt, so würde diese also zum 01.04.2024 wirksam.
Sondertilgungen: Wann sind sie zulässig?
Wie bereits erwähnt haben Immobiliardarlehensverträge lange Laufzeiten. Diese Verträge können in der Regel erst nach zehn Jahren gekündigt werden. Meist handeln Bank und Darlehensnehmer/-innen dann einen neuen Vertrag über eine Anschlussfinanzierung aus, bei dem wiederum eine lange Laufzeit vereinbart wird. Viele Verträge werden somit über einen Zeitraum von ca. 20 bis 30 Jahren bedient. In dieser Zeit kann viel passieren, z. B. bekommt der/die Darlehensnehmer/-in überraschend einen größeren Geldbetrag aus einer Erbschaft. Dann stellt sich die Frage, ob er/sie neben den monatlich zu bezahlenden Kreditraten auch größere Zahlungen auf das Darlehen leisten darf. Hierdurch würde sich die Zinslast entscheidend verringern.
Im Gesetz findet sich zur Zulässigkeit solcher Sondertilgungen keine Regelung. Entscheidend ist somit, ob im Darlehensvertrag diese Möglichkeit vereinbart wurde oder nicht. Findet sich dort kein entsprechender Passus, sind Sondertilgungen nicht zulässig. Ohne Einverständnis der Bank, die Sondertilgungen meist verweigert, kann der Kunde keine größeren Beträge zurückzahlen.
Es ist deswegen wichtig, dass man bereits beim Abschluss des Vertrages über die Möglichkeit von Sondertilgungen spricht, insbesondere dann, wenn bereits bekannt ist, dass größere Geldbeträge ins Haus stehen. Viele Verträge sehen die Möglichkeit von Sondertilgungen vor. Meist sind diese aber in der Höhe pro Jahr begrenzt.
Außerordentliche Kündigung: Wann ist ein "Interesse berechtigt"?
Oft kommt es auch vor, dass ein/-e Darlehensnehmer/-in das komplette Darlehen "auf einen Schlag" zurückzahlen möchte, sei es, weil er eine Erbschaft gemacht hat oder bei einer anderen Bank ein Darlehen zu günstigeren Konditionen erhält. Ist dies rechtlich zulässig? Ein Darlehensbetrag kann nur dann auf einmal zurückgezahlt werden, wenn ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt.
Beispiel:
Verbraucherin V hat am 01.09.2017 einen Darlehensvertrag mit der B-Bank zur Finanzierung des Kaufs eines Einfamilienhauses abgeschlossen. Der Vertrag soll bis zum 31.08.2037 laufen. Zur Sicherung des Darlehens dient eine Grundschuld am Grundstück.
Es wurde eine zehnjährige Zinsbindung zu einem Nominalzins von 4,9% pro Jahr vereinbart.
Am 15.05.2023 erhält V ein Angebot der C-Bank, die ihr einen jährlichen Zins von nur 2,8% anbietet. V könnte bei Abschluss des Vertrages mit der C-Bank das komplette Darlehen bei der B-Bank ablösen.
Wie bereits oben besprochen, ist eine ordentliche Kündigung oft erst nach zehn Jahren Laufzeit zulässig. Insoweit wäre es seltsam, wenn Bankkund/-innen sich ohne Einhaltung einer Frist vom Darlehensvertrag lösen könnten, indem sie das Darlehen mit einer einzigen Zahlung vollständig tilgen.
Anders als bei der Möglichkeit der Sondertilgungen hat der Gesetzgeber den Fall der kompletten Darlehensrückzahlung geregelt: Ohne Einverständnis der Bank ist eine vorzeitige Kündigung demnach dann möglich, wenn die berechtigten Interessen des/der Darlehensnehmer/-in dies gebieten (§ 490 Abs. 2 BGB). Ein berechtigtes Interesse ist nach dem Gesetz insbesondere dann anzunehmen, wenn der/die Darlehensnehmer/-in ein Interesse an der Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat. Mit anderen Worten: Will V im Beispielsfall das Haus verkaufen, so ist eine vorzeitige Rückführung des Darlehens möglich. Wann ansonsten ein berechtigtes Interesse gegeben sein könnte, ist bislang von den Gerichten noch nicht abschließend geklärt.
Vorfälligkeitsentschädigung: Schadensersatz für vorzeitige Kündigung
Kann ein/-e Darlehensnehmer/-in ein rechtliches Interesse an der vorzeitigen Rückführung des Darlehens geltend machen oder erklärt sich die Bank mit der Rückführung einverstanden, was häufig der Fall ist, so kann die Bank eine so genannte Vorfälligkeitsentschädigung verlangen (§ 490 Abs. 2 Satz 3 BGB). Sie kann nach dem Gesetz Ersatz des Schadens verlangen, der ihr aus der vorzeitigen Kündigung entsteht.
Ein Schaden entsteht immer, wenn der vertraglich vereinbarte Zinssatz über dem aktuellen Satz für Neuausleihungen liegt. Je länger die Restlaufzeit bis zum Ende der Zinsbindung ist, desto höher fällt die Entschädigung aus. Lange Zeit herrschte Unklarheit darüber, wie dieser Schaden zu berechnen sei. Der Bundesgerichtshof hat in den vergangenen Jahren in einigen Grundsatzentscheidungen Leitlinien zur Berechnung aufgestellt. So wurde beispielsweise entschieden, dass für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung die Wiederanlagerenditen der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank heranzuziehen sind (BGH, Urt. v. 20.11.2004, Az:XI ZR 85/03).
Der Immobiliardarlehensvertrag muss ausreichende Angaben zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung enthalten. Dadurch wissen Verbraucher/-innen was im Fall einer außerordentlichen Kündigung zu erwarten ist. Fehlen diese Angaben oder sind sie unzureichend, so ist der Anspruch der Bank auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 502 Abs. 2 Ziff. 2 BGB ausgeschlossen.
Widerruf eines Immobiliar-Darlehensvertrages
Verbraucher/-innen haben bei diesen Verträgen ein Widerrufsrecht. Das gibt Ihnen die Möglichkeit die eigene Vertragsentscheidung nochmal zu überdenken und ggfs. zu revidieren. Seit dem 02.11.2002 müssen die Kreditinstitute ihre Kund/-innen in den Verträgen über dieses Recht zum Widerruf informieren. Ist die Widerrufsinformation fehlerhaft oder fehlen bestimmte Angaben im Vertrag, startet die Widerrufsfrist nicht.
Für Darlehensverträge die ab dem 21.03.2016 geschlossen wurden, erlischt dieses Widerrufsrecht auch bei fehlerhafter Information oder fehlenden Pflichtangaben spätestens ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss.
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