Vom Vertrag zurücktreten: Was muss man beachten?
Von: Verbraucherzentrale Bayern
In diesem Beitrag finden Sie
- Rechtsnatur: Unterscheidung zwischen Widerruf, vertraglichem und gesetzlichem Rücktrittsrecht
- Voraussetzungen für den Rücktritt von einem Vertrag
- Wann und wie wirkt das Recht auf Rücktritt vom Vertrag?
Rechtsnatur: Unterscheidung zwischen Widerruf, vertraglichem und gesetzlichem Rücktrittsrecht
Der Rücktritt ist ein so genanntes Gestaltungsrecht. Es ist vom Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen zu unterscheiden. Dieses berechtigt, sich ohne Angabe von Gründen vom Vertrag zu lösen, während für einen Rücktritt ein Grund nötig ist. Im Übrigen können Widerrufs- und Rücktrittsrecht nebeneinander bestehen, es empfiehlt sich also die Voraussetzungen beider Instrumente zu prüfen.
Beim Rücktritt ist zwischen dem vertraglichen und dem gesetzlichen Rücktrittsrecht zu unterscheiden.
Vertragliches Rücktrittsrecht mit Vereinbarung
Hierfür ist eine entsprechende Vereinbarung erforderlich. Sie wird auch als "Rücktrittsvorbehalt" bezeichnet. Bei der individuellen Vertragsgestaltung ist eine solche Vereinbarung ohne weiteres möglich.
In Situationen, in denen einer Verbraucherin oder einem Verbraucher kein Widerrufsrecht zusteht, ist es empfehlenswert mit der Vertragspartnerin oder dem Vertragspartner ein Rücktrittsrecht zu vereinbaren. Es kann beispielsweise vor einem übereilten Vertragsschluss schützen. Hieran wäre zum Beispiel beim Kauf auf einer Messe zu denken. Aus Beweiserleichterungsgründen empfiehlt es sich, die Vereinbarung schriftlich zu treffen. Hierfür genügt die Formulierung, dass die Käuferin oder der Käufer bzw. Auftraggeberin oder Auftraggeber das Recht hat, innerhalb einer bestimmten Frist (z. B. zwei Wochen) von dem Vertrag zurückzutreten.
Ob sich die Unternehmerin oder der Unternehmer den Rücktritt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (ABG) vorbehalten darf, muss im Einzelfall geprüft werden. Werden die AGB gegenüber einer Verbraucherin oder einem Verbraucher verwendet, verlangt die Rechtsprechung, dass ein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt. Dieser Grund muss auch in den AGB angegeben werden.
Gesetzliches Rücktrittsrecht: Gilt bei allen Verträgen
Wesentlich wichtiger ist für Verbraucherinnen und Verbraucher in der Praxis das gesetzliche Rücktrittsrecht (§ 323 BGB). Es steht ihnen unter bestimmten Voraussetzungen bei allen gegenseitigen Verträgen zu. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Rücktrittsrecht im Rahmen der Sachmangelhaftung bei Kauf- und Werkverträgen.
Voraussetzungen für den Rücktritt von einem Vertrag
Der Rücktritt setzt voraus,
-
dass eine geschuldete Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht wurde und
- dass die Gläubigerin bzw. der Gläubiger eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat.
Beispiel 1: Keine fristgerechte Lieferung
Am 25.07.2024 bestellt Verbraucher V bei Möbelhändlerin M eine neue Wohnzimmercouch. Im Kaufvertrag wird als Liefertermin der 26.08.2025 vereinbart. Als die Couch am 16.09.2024 noch immer nicht geliefert wurde, wendet sich V noch am selben Tag an M und setzt ihr eine Frist zur Lieferung binnen drei Wochen. Die Couch wird in dieser Frist nicht geliefert. V erklärt den Rücktritt vom Vertrag.
Die Möbelhändlerin hat ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zur Lieferung der Couch zum 26.08.2024 nicht erfüllt. V hat ihr daher eine Frist zur Lieferung von weiteren drei Wochen gesetzt. Diese Frist war angemessen. Da es der Möbelhändlerin auch nicht möglich war, binnen dieser Frist zu liefern, konnte V vom Vertrag zurücktreten.
Es kommt vor, dass Händlerinnen und Händler keinen festen Liefertermin, sondern nur einen bestimmten Zeitraum, zu welchem die Lieferung erfolgen soll, angeben. Dabei kann ein Verstoß gegen die vorvertraglichen Informationspflichten vorliegen. In Art. 246 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) ist geregelt, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern vor Vertragsschluss mitunter der Liefertermin zu nennen ist. Das Gesetz trifft keine Aussage darüber, ob ein Datum genannt werden muss oder ob die Angabe einer Zeitspanne ausreichend ist. Eine unklare Angabe zur Lieferzeit wie beispielsweise „in der Regel“ ist unzulässig, da Verbraucherinnen und Verbraucher keine Aussage dazu erhalten, was in unregelmäßigen Fällen passiert. Demgegenüber kann eine „circa“-Angabe von einer bestimmten Zeitspanne zulässig sein. Zwar muss für Verbraucherinnen und Verbraucher ersichtlich sein, wann sie mit der Lieferung der Ware rechnen können, allerdings wird bei einer Angabe „in ca. 1-3 Werktagen“ deutlich, wann die Unternehmerin oder der Unternehmer spätestens liefert.
Um von einem Vertrag zurücktreten zu können, muss der Unternehmerin oder dem Unternehmer im Regelfall noch eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt werden. Darauf kann nur in Ausnahmefällen verzichtet werden. Beispielsweise dann, wenn die Händlerin oder der Händler die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, also unter keinen Umständen mehr leisten will. Auch wenn ein fester Liefertermin vereinbart war, kann man auf das Setzen einer Frist verzichten. Nämlich dann, wenn dieser Termin für die Verbraucherin oder den Verbraucher wesentlich war und der Händler dies auch wusste und trotzdem nicht rechtzeitig geliefert hat. Ein wesentlicher Grund wäre beispielsweise im genannten Beispiel, dass V die Couch unbedingt für ein Familienfest am 27.08.2024 benötigt. Nachdem hier kein solcher Fall vorlag, musste V der M nochmals eine Frist zur Lieferung setzen, bevor er vom Vertrag zurücktreten konnte.
Auch kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund M nicht liefern kann oder - juristisch gesprochen - ob sie daran schuld ist, dass die Lieferung noch nicht erfolgt ist. Während vertragliche Schadensersatzansprüche immer ein Verschulden voraussetzen, ist dieser Umstand dem gesetzlichen Rücktrittsrecht fremd.
Beispiel 2: Mangelhaftes Produkt und keine fristgerechte Neulieferung
Der Onlinehändler O liefert pünktlich zum vereinbarten Liefertermin das von Verbraucherin V bestellte Handy. Das Handy funktioniert jedoch nicht und ist deshalb mangelhaft. V setzt dem O eine Frist von 2 Wochen für die Lieferung eines funktionierenden Handys. O liefert nicht innerhalb der gesetzten Frist. V erklärt im Rahmen ihrer Gewährleistungsrechte den Rücktritt vom Vertrag.
Bei nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung kann die Käuferin oder der Käufer genau wie bei gar nicht erbrachter Leistung vom Vertrag zurücktreten, wenn er erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Nacherfüllung kann entweder dadurch erfolgen, dass der Mangel beseitigt wird – in der Regel also durch Reparatur – oder indem eine mangelfreie Sache geliefert wird. Dies gilt nur dann nicht, wenn „die Pflichtverletzung unerheblich“ ist, einfach gesagt also, wenn der Mangel an der erworbenen Sache nur geringfügig ist. Bei einem nicht funktionierenden Handy ist der Mangel jedoch nicht geringfügig.
Wann und wie wirkt das Recht auf Rücktritt vom Vertrag?
Übt eine Vertragspartei das Rücktrittsrecht aus, entsteht ein so genanntes Rückgewährschuldverhältnis. Dies bedeutet, dass die bereits erhaltenen Leistungen von beiden Vertragsparteien zurückzugewähren sind. Bei einem Kaufvertrag muss die Verkäuferin oder der Verkäufer den Kaufpreis zurückzahlen. Die Käuferin oder der Käufer muss die Kaufsache zurückgeben.
Bei der Rückabwicklung kann die Verkäuferin oder der Verkäufer unter gewissen Umständen einen Anspruch auf Nutzungs- bzw. Wertersatz geltend machen. Etwas anderes gilt allerdings wenn im Rahmen der Nacherfüllung ein Ersatzprodukt geliefert wurde. Liefert die Verkäuferin oder der Verkäufer also anstatt zu reparieren eine neue Sache, kann weder Nutzungsersatz noch Wertersatz für die zurückzugebende mangelhafte Ware verlangt werden.
Bezogen auf das vorgenannte Beispiel 1 wäre nichts zurückzugewähren. Die Couch wurde noch nicht geliefert und V hat offensichtlich auch keine Anzahlung geleistet. Es wurden daher noch keine vertraglichen Leistungen ausgetauscht. Im Beispiel 2 müsste V das mangelhafte Handy zurückgeben und würde im Gegenzug den möglicherweise bereits von ihr bezahlten Kaufpreis zurückerhalten.
Das klingt zunächst recht einfach. Je nachdem, wie viel Zeit verstrichen ist, kann es dabei jedoch zu großen praktischen Schwierigkeiten kommen, wie folgendes Beispiel zeigt:
Beispiel 3: Spätere und sich wiederholende Schäden am Produkt
Verbraucher V kauft bei der Kfz-Händlerin H einen Neuwagen. Nach drei Monaten erleidet das Fahrzeug einen Motorschaden. Der daraufhin eingebaute Austauschmotor gibt bereits einen Monat später "den Geist auf". Auch ein zweiter Austauschmotor bringt keine Verbesserung. Nach 5 Monaten erklärt V entnervt den Rücktritt vom Vertrag und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises von 16.000 Euro. Er ist in der Zwischenzeit bereits 6000 km mit dem Kfz gefahren. Kann V wirklich den kompletten Kaufpreis verlangen?
V kann in diesem Fall zurücktreten. Aufgrund der fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuche liegen die Rücktrittsvoraussetzungen aus der Sachmängelhaftung vor. Allerdings stellt sich das Problem, dass das Fahrzeug inzwischen auf V zugelassen und auch gefahren wurde. Insoweit ist eine Wertminderung beim Fahrzeug eingetreten. Im Übrigen hatte V während der 5 Monate einen Gebrauchsvorteil, weil ihm das Fahrzeug die meiste Zeit zur freien Verfügung stand. Dieser Nutzungsvorteil muss von V ersetzt werden. Die Gerichte gestatten deswegen einen Abzug vom Anschaffungspreis in Höhe von 0,4 bis 1% pro tausend gefahrene Kilometer.
Im vorliegenden Fall würde der Nutzungsvorteil sich je nach Ansatz bei gefahrenen 6000 km in einem Bereich von 384 Euro (0,4%) bis 960 Euro (1,0%) bewegen.
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