Geschäfte außerhalb des Ladens: Gefahren und Schutz
Von: Verbraucherzentrale Bayern
In diesem Beitrag finden Sie
- Begriff des Direktvertriebs
- Gefahren
- Entwicklung des Verbraucherschutzes beim Direktvertrieb
- Voraussetzungen
- Was fällt unter den Begriff "Geschäftsräume"?
- Konkrete Fälle von Geschäften außerhalb von Geschäftsräumen
- Rechtsfolge: Widerrufsrecht
Begriff des Direktvertriebs
In vielen Fällen lassen sich Waren schneller verkaufen, wenn man selbst an Verbraucher/-innen herantritt und nicht wartet, bis diese einen aufsuchen. Im Gegensatz zum Einkauf im Laden geht hier die Initiative zur Aufnahme eines Geschäftskontaktes also nicht von den Verbraucher/-innen, sondern von der Person aus, die etwas verkaufen möchte. Man bezeichnet diese Absatzform als Direktvertrieb oder Direktmarketing. Der/die Anbietende bedient sich hierfür mehr oder weniger seriöser Hilfskräfte (z. B. Außendienstmitarbeiter/-innen, Vertreter/-innen oder Drückerkolonnen).
Die Vertragsanbahnung und meist auch der Vertragsschluss erfolgen nicht in den Geschäftsräumen der Anbietenden sondern an Haus- und Wohnungstüren, auf der Straße, auf Partys und Reisen (z.B. so genannte Kaffeefahrten), in Verkehrsmitteln oder Hotels.
Gefahren bei Produkten und Preisen
Unerfahrene Verbraucher/-innen erleiden hierdurch leicht Nachteile: Sie werden vom Auftreten des/der Anbieternden überrascht und sind nicht auf Vertragsverhandlungen eingestellt. Es besteht auch keine Möglichkeit, in einer solchen Situation Preise oder Produkte zu vergleichen. Weder bleibt Zeit zum Überlegen noch besteht die Möglichkeit, dem Verkaufsgespräch zu entfliehen. Der Direktvertrieb bringt die Gefahr mit sich, dass minderwertige oder nutzlose Waren an eine/-n überraschte/-n Verbraucher/-in verkauft werden.
Entwicklung des Verbraucherschutzes beim Direktvertrieb
Schon früh erkannten die Gerichte, dass Verbraucher/-innen beim Direktvertrieb besonders zu schützen sind. Der Bundesgerichtshof nahm mangels eines Spezialgesetzes eine Überprüfung solcher Geschäftsgestaltungen über das Wettbewerbsrecht vor. Hierdurch konnten bestimmte Verträge für sittenwidrig und somit nichtig erklärt werden.
Das erste Widerrufsrecht trat schließlich zum 01.05.1986 auf eine Initiative des Freistaates Bayern hin in Gestalt des Haustürwiderrufsgesetzes (HTWG) in Kraft. Dieses wurde mehrfach geändert, insbesondere durch die Schaffung des Fernabsatzgesetzes. Das HTWG wurde später abgeschafft und mit der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 ins BGB integriert (§§ 312, 312a, 312f BGB).
Mit Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie zum 13.06.2014 führte der Gesetzgeber weitere wesentliche Änderungen im Widerrufsrecht ein. Der Begriff „Haustürgeschäft“ wurde erweitert, so dass man nun von „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“ (kurz: Außergeschäftsraumverträgen) spricht. Hiermit wurde der Anwendungsbereich des Widerrufsrechts erweitert und eine Abgrenzung zu Verträgen, die im stationären Handel oder als Fernabsatzverträge geschlossen werden, geschaffen.
Voraussetzungen eines Außergeschäftsraumvertrages
Die Voraussetzungen des so genannten Außergeschäftsraumvertrages ergeben sich aus § 312b ff. BGB.
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Entscheidend ist zunächst, dass es sich um einen Vertrag zwischen einer/-m Verbraucher/-in und einer/-m Unternehmer/-in handelt.
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Dabei verpflichtet sich der/die Unternehmer/-in zu einer entgeltlichen Leistung. Der/die Verbraucher/-in muss eine Gegenleistung erbringen, die aber nicht unbedingt in einer Geldleistung besteht. Auch die Preisgabe von Daten kann als Gegenleistung bewertet werden.
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Der Vertrag muss außerhalb des Geschäftsraums des/der Unternehmers/-in geschlossen worden sein.
Was fällt unter den Begriff „Geschäftsräume“?
Der Begriff „Geschäftsräume“ ist in § 312b Abs. 2 BGB legal definiert:
Unter „Geschäftsräume“ versteht man unbewegliche Gewerberäume, in denen ein/-e Unternehmer/-in seine Tätigkeit dauerhaft ausübt oder aber bewegliche Gewerberäume, in denen er seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.
Unter den Begriff "Geschäftsräume" fallen also nicht nur Ladengeschäfte, sondern auch Stände, Verkaufswägen oder Verkaufsstätten, die nur saisonal betrieben werden. So werden zum Beispiel Stände, die während der Urlaubssaison an einem Ski- oder Badeort aufgestellt werden, regelmäßig als Geschäftsräume klassifiziert.
Der Stand eines/einer fliegenden Händlers/Händlerin, der nur gelegentlich an einer bestimmten Stelle zu finden ist, ist nicht als Geschäftsraum einzustufen. Ein unter diesen Umständen geschlossener Kaufvertrag kann dennoch widerrufen werden. Ob der/die Händler/-in wieder aufgefunden werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
Ein nur für kurze Zeit angemietetes Ladenlokal erfüllt das Kriterium „für gewöhnlich“ nicht. Somit unterfallen die sogenannten "Kaffeefahrten", die zumeist in angemieteten Gaststätten stattfinden, auch weiterhin dem Widerrufsrecht.
Ein Stand auf einer Messe oder Ausstellung wiederum entspricht dem Kriterium eines Geschäftsraums (Messekauf). Etwas anderes gilt, wenn der/die Unternehmer/-in fachfremde Waren oder Dienstleistungen in diesem Rahmen anbietet. Früher wurde das Bestehen eines Widerrufrechts bei einem Messekauf grundsätzlich abgelehnt. Der EuGH hat inzwischen aber entschieden, dass ein Widerrufsrecht unter bestimmten Voraussetzungen bestehen kann. Dies ist jedoch vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Ausschlaggebend ist hier die Wahrnehmung eines/einer Durchschnittverbrauchers/-in.
Konkrete Fälle von Geschäften außerhalb von Geschäftsräumen
§ 312b BGB nennt konkrete Fallgestaltungen, in denen von einem Außergeschäftsraumvertrag auszugehen ist:
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Der Vertrag wird an einem Ort geschlossen, der kein Geschäftsraum des Unternehmers/der Unternehmerin ist. Sowohl Unternehmer/-innen als auch Verbraucher/-innen müssen hierbei gleichzeitig körperlich anwesend sein.
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Verbraucher/-innen geben in der unter Nr. 1 beschriebenen Situation ein Angebot ab. Ein Außergeschäftsraum liegt auch dann vor, wenn der/die Unternehmer/-in das Angebot erst später in seinen/ihren Geschäftsräumen annimmt.
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Der/die Verbraucher/-in wurde in der unter Nr. 1 geschilderten Situation werbemäßig angesprochen, der Vertragsschluss findet aber in den Geschäftsräumen oder über Fernabsatz statt. Der Vertragsschluss muss unmittelbar danach erfolgen. Auch hier wirkt die „Überrumpelung“ noch fort, so dass der/die Verbraucher/-in auch in dieser Situation geschützt werden soll.
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Der Vertrag wird auf einem Ausflug geschlossen, der von einem/einer Unternehmer/-ineigens organisiert wurde, um in dessen Rahmen Waren zu verkaufen (so genannte "Kaffeefahrt").
Rechtsfolge: Widerrufsrecht
Liegen die Voraussetzungen für einen Außergeschäftsraumvertrag vor, so steht Verbraucher/-innen nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB ein Widerrufsrecht zu.
Ausnahmen: kein Widerrufsrecht
Ein Widerrufsrecht besteht beispielsweise nicht, wenn die Leistung durch den/die Unternehmer/-in sofort erbracht wird und der/die Verbraucher/-in diese sofort bezahlt UND das zu zahlende Entgelt 40 Euro nicht übersteigt.
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