Schlechtleistung im Vertrag: Der Nacherfüllungsanspruch
Von: Verbraucherzentrale Bayern e.V.
In diesem Beitrag finden Sie
- Was ist der Nacherfüllungsanspruch?
- Tricks der Verkäufer bei mangelhaften Waren
- Kosten der Nacherfüllung trägt der Verkäufer
- Berechtigter Einwand des Verkäufers: Unverhältnismäßig hohe Kosten
- Fehlschlagen, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit für den Käufer
Was ist der Nacherfüllungsanspruch?
Der Nacherfüllungsanspruch ist unter anderem in § 439 BGB geregelt. Er spielt in der Praxis eine große Rolle im Recht der Sachmängelhaftung. Im Folgenden werden seine Voraussetzungen anhand praktischer Beispiele erläutert:
Beispiel: Verbraucher V kauft beim Kaufhaus Z ein Sofa für 1500 Euro. Nach zwei Wochen bricht eine Armlehne ab.
Nacherfüllung = Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Wahl des Käufers
Grundsätzlich kann der Käufer zwischen zwei Formen der Nacherfüllung wählen:
- entweder, dass der Mangel beseitigt wird (Reparatur bzw. Nachbesserung)
- oder eine mangelfreie Sache geliefert wird (Ersatzlieferung).
Im Fallbeispiel hat V also zwei Möglichkeiten: Er kann Reparatur des Sofas verlangen. Dies mag sinnvoll sein, wenn die Armlehne getrennt montiert werden kann. V kann aber auch ein neues Sofa fordern.
Für Verträge mit Verbrauchern gilt: Der Unternehmer hat die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel informiert hat, möglichst ohne Unannehmlichkeiten für den Verbraucher vorzunehmen.
Tricks der Verkäufer bei mangelhaften Waren
Verweis auf die Herstellergarantie
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Verkäufer ihre Kunden auf eine Herstellergarantie verweisen und sie zunächst damit vertrösten, dass die mangelhafte Ware zum Hersteller geschickt wird.
Hierauf sollte man sich als Verbraucher nicht einlassen, sofern die Mangelhaftigkeit der Sache zweifelsfrei feststeht. Im ersten Jahr nach dem Kauf ist man aufgrund der Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf durch die gesetzlichen Vorschriften meist besser geschützt als durch jede (daneben bestehende) Herstellergarantie.
Beschränkung auf Nachbesserung (Reparatur)
Oft behauptet das Unternehmen, dass der Kunde lediglich eine Reparatur verlangen kann. Der Verkäufer stellt sich auf den Standpunkt, dass der Käufer die Lieferung einer neuen Sache nur fordern kann, wenn die Reparatur (mehrfach) fehlschlägt.
Eine Beschränkung auf die Nachbesserung ist gegenüber einem Verbraucher nicht möglich. Der Verbraucher hat zunächst das Recht, nach seiner Wahl entweder die Lieferung einer neuen Sache oder die Reparatur zu verlangen. Zu berechtigten Einwänden des Verkäufers: siehe unten.
Kosten der Nacherfüllung trägt der Verkäufer
Der Verkäufer hat alle zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten zu tragen. Exemplarisch nennt das Gesetz Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten. Diese Aufzählung ist aber nicht abschließend. Auch andere erforderliche Kosten gehen zu seinen Lasten. So ist der Verkäufer seit dem 01.01.2022 gesetzlich ausdrücklich dazu verpflichtet, die im Rahmen der Nacherfüllung zurückgegebene Kaufsache auf seine Kosten zurückzunehmen.
Ein spezieller Fall liegt bei einer eingebauten Sache vor. Ist diese mangelhaft, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder neu gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.
Berechtigter Einwand des Verkäufers: Unverhältnismäßig hohe Kosten
Ist die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung für den Verkäufer mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden, so muss sich der Verkäufer nicht damit einverstanden erklären. Um festzustellen, ob die Kosten unverhältnismäßig sind, sind bestimmte Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. der Wert der Sache im mangelfreien Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann.
Beispiel: Verbraucher V kauft bei dem Kfz-Händler U einen neuen Mercedes C 180. Bei der Übergabe stellt V fest, dass im linken Außenspiegel ein Sprung im Glas ist. Das Spiegelglas müsste ausgetauscht werden, wozu sich U auch bereit erklärt. V verlangt aber die Lieferung eines mangelfreien Mercedes.
In diesem Fall könnte V einwenden, dass die Bestellung eines weiteren Neufahrzeuges mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre. Im Übrigen handelt es sich um einen leicht behebbaren und relativ unbedeutenden Mangel. V erleidet keine gravierenden Nachteile, wenn der V in seiner Werkstatt den Spiegel austauschen lässt. V kann deswegen in diesem Fall nicht auf einer Ersatzlieferung bestehen.
Fehlschlagen, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit für den Käufer
Wird die Nacherfüllung vom Verkäufer verweigert oder ist diese unmöglich oder für den Käufer unzumutbar, kann der Käufer auch ohne Frist zur Nacherfüllung vom Vertrag zurücktreten. Alternativ könnte er stattdessen auch den Kaufpreis mindern. Diese Entscheidung hängt oftmals davon ab, ob der Käufer die Ware noch ausreichend nutzen kann oder nicht. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich der Käufer nicht mittels eines Rücktritts vom Vertrag lösen kann, wenn der Mangel lediglich unerheblich ist. Mindern kann der Verbraucher in solchen Fällen aber trotzdem.
Schlägt die Nacherfüllung fehl, so kann der Käufer ebenfalls vom Vertrag zurücktreten. Das Gesetz vermutet, das nach dem zweiten erfolglosen Reparaturversuch die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist (§ 440 S. 2 BGB). In diesen Fällen ist eine Fristsetzung entbehrlich, so dass der Käufer direkt vom Vertrag zurücktreten oder mindern kann. Handelt es sich um eine Ware mit digitalen Elementen, muss der Verbraucher keine Frist setzen, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Fristablauf nicht vorgenommen hat, der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert hat oder es offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht nacherfüllen wird, der Mangel trotz Nacherfüllung des Unternehmers noch besteht oder der Mangel so schwerwiegend ist, dass er einen sofortigen Rücktritt rechtfertigt.
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
Alle Artikel zum Thema
Verbraucherverträge
- Das "Kleingedruckte": Allgemeine Geschäftsbedingungen
- Anfechtung von Verträgen: Gründe, Voraussetzungen, Fristen
- Wie muss ein Vertrag aussehen? Formvorschriften per Gesetz
- Fristen bei Verträgen: Kündigung, Widerruf, Verjährung
- Was bedeutet "Geschäftsfähigkeit"?
- Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften bei Verträgen
- Vertragslösung durch Kündigung
- Nichterfüllung im Vertrag: Wenn die Leistung ausbleibt
- Wann kann man von einem Vertrag zurücktreten?
- Schlechtleistung im Vertrag: Der Nacherfüllungsanspruch
- Was bedeutet Sittenwidrigkeit von Verträgen?
- Der Vertrag - Einführung und Übersicht
- Welche Arten der Pflichtverletzung gibt es bei Verträgen?
- Schuldnerverzug: Wann eine Mahnung gilt und was sie kostet
- Was gilt beim Widerruf von Verträgen?
- Widerrufsbelehrung: Form und Inhalt
- Empfangsbedürftige Willenserklärung: Was ist das?
- Wie kommt ein Vertrag zustande?
- Der Kaufvertrag: Abschluss, Haftung, Pflichten
- Der Werkvertrag: Wichtige Regelungen und Tipps
- Der Dienstvertrag
- Rechtsinformationen in verschiedenen Sprachen