Produkthaftung: Wann Verbraucher Anspruch haben
Von: Verbraucherzentrale Bayern e.V.
In diesem Beitrag finden Sie
- Wann bestehen Ansprüche aufgrund von Produkthaftung?
- Ansprüche gegen den Verkäufer
- Wann haftet der Hersteller?
- Wer muss den Fehler des Produkts beweisen?
- Die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz
Was bedeutet Produkt- bzw Produzentenhaftung?
Gesetzlich kann sich eine Produkthaftung sowohl aus dem Deliktsrecht nach §§ 823 ff. BGB (hier auch als „Produzentenhaftung“ bezeichnet) als auch aus dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) ergeben.
In beiden Fällen wird vorausgesetzt, dass der/die Verbraucher/-in ein fehlerhaftes Produkt gekauft hat und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist.
Beispiele:
- Defekte Elektrogeräte: Ein Toaster überhitzt wegen eines Produktionsfehlers und verursacht einen Küchenbrand.
- Medikamentennebenwirkungen: Ein Arzneimittel führt zu schweren Nebenwirkungen, die in der Beschreibung nicht erwähnt sind.
- Mangelhafte Autoteile: Ein Airbag löst bei einem leichten Unfall nicht aus, weil ein Bauteil fehlerhaft ist.
- Schädliche Lebensmittelzusätze: Ein Fertiggericht enthält einen nicht deklarierten Stoff, der bei Konsument/-innen allergische Reaktionen auslöst.
- Unsichere Kinderspielzeuge: Ein Spielzeug enthält verschluckbare Teile, obwohl es als kindersicher gekennzeichnet ist und ein Kind verschluckt diese.
Verbraucher/-innen können dann Ansprüche gegen Hersteller/-innen wie oben dargelegt geltend machen. Allerdings gibt es einen großen Unterschied bei den Voraussetzungen.
- Bei Ansprüchen nach dem Deliktsrecht müssen Hersteller/-innen schuldhaft gehandelt haben.
- Anders ist es bei der Produkthaftung: Hier spielt das Verschulden der Hersteller/-innen keine Rolle. Es genügt, dass ein gefährliches Produkt auf den Markt gebracht wurde und dadurch ein Schaden entstanden ist. Da kein Verschulden erforderlich ist und der Schaden allein durch die Gefahr des Produkts entsteht, nennt man dies auch „Gefährdungshaftung“.
Welcher Anspruch der "bessere" ist, bestimmt sich nach dem konkreten Fall. Typischerweise kommen beide Ansprüche nur in Betracht, wenn durch das fehlerhafte Produkt noch weitere Schäden, so genannte Folgeschäden, entstanden sind.
Zusätzlich können Käufer/-innen auch immer noch Gewährleistungsansprüche gegenüber Verkäufer/-innen haben.
Beispiel:
Verbraucher V kauft in einem Elektromarkt E ein neues Markennotebook des Herstellers S. V benutzt das Notebook, das zunächst auch einwandfrei funktioniert. Nach einer Woche kommt es allerdings während der Benutzung zu einer Verpuffung und einem Brand. Der Grund: Die Akkus wiesen einen Produktionsfehler auf. V erlitt Verbrennungen an den Händen und musste eine Ärztin aufsuchen. Seine Schreibtischplatte weist Brandflecken auf. Das Notebook ist irreparabel zerstört.
Durch den entstandenen Schaden kann V nun sowohl den Hersteller S als auch den/die Verkäufer/-in E zur Verantwortung ziehen.
- Gegenüber dem Hersteller S hat V die Möglichkeit, nach dem Produkthaftungsgesetz und nach den Vorschriften §§ 823ff. BGB vorzugehen, weil S ein fehlerhaftes Produkt auf den Markt gebracht hat, das seine Gesundheit sowie sein Eigentum geschädigt hat. Nach der Produkthaftung muss aber nicht nachgewiesen werden, dass der Hersteller schuldhaft gehandelt hat. Es reicht aufzuzeigen, dass ein Produktionsfehler vorlag und dieser den Schaden verursacht hat.
- Zusätzlich kann V sich an Verkäufer/-in E wenden, weil E ihm das defekte Produkt verkauft hat. Diese Ansprüche basieren auf dem Kaufrecht und bieten V die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten und den Kaufpreis zurückzuverlangen. Er könnte auch die zusätzlichen Schäden ersetzt verlangen. Hier ist aber davon auszugehen, dass E nicht schuldhaft gehandelt hat.
Das Beispiel zeigt also, dass V durch den Schaden Rechte gegenüber beiden Beteiligten geltend machen kann – einmal basierend auf der Produkthaftung gegenüber dem Hersteller und zum anderen nach dem Kaufrecht gegenüber dem/der Verkäufer/-in. Beide Ansprüche greifen jedoch auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen zurück. Neben dem erlittenen Sachschaden, können geschädigte Verbraucher/-innen grundsätzlich auch Schmerzensgeld verlangen, wenn sie einen Schaden an der Gesundheit erlitten haben.
Unter welchen Bedingungen greifen Ansprüche?
Die deliktische Produzentenhaftung
Im Rahmen der Rechtsprechung wurden nach §§ 823 ff. BGB verschiedene Fallgruppen der Produzentenhaftung entwickelt. Demnach haften Hersteller/-innen grundsätzlich in folgenden Fällen, wenn sie ein Verschulden trifft:
- Für Konstruktionsfehler: Dabei handelt es sich um Fehler, die sämtlichen Produkten der gleichen Serie anhaften.
- Für Fabrikationsfehler: Das sind Produktionsfehler, die nur einzelne Stücke einer Serie betreffen, die aber trotz aller zumutbaren Vorkehrungen unvermeidbar sind.
- Für Instruktionsfehler: Gemeint sind beispielsweise mangelhafte Gebrauchsanweisungen oder nicht ausreichende Warnungen vor Gefahren bei der Benutzung des Produkts.
- Für die Verletzung von Produktbeobachtungspflichten: Das Produkt ist zwar zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens in Ordnung. Später ändern sich z. B. technische Standards oder es kommt zu ersten Schadensfällen. Hersteller/-innen reagieren jedoch nicht, so dass weitere Schadensfälle eintreten.
Im Beispielsfall käme wohl ein Konstruktions- oder ein Fabrikationsfehler in Betracht.
Der Anspruch nach §§ 823 ff. BGB kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der entstandene Schaden durch das ProdHaftG nicht vollständig gedeckt ist. Denn im ProdHaftG gibt es eine Haftungshöchstgrenze (§ 10 ProdHaftG) und eine Selbstbeteiligung bis zu einer Schadenshöhe von 500 Euro (§ 11 ProdHaftG).
Die Produkthaftung nach dem ProdHaftG
Unter folgenden Voraussetzungen müssen Hersteller/-innen nach der sogenannten Gefährdungshaftung eintreten:
- Es muss ein Produktfehler vorliegen. Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die erwartete Sicherheit bietet. In Betracht kommen ebenfalls Konstruktionsfehler, Fabrikationsfehler oder Instruktionsfehler. Der Fehlerbegriff des ProdHaftG stellt auf die Sicherheit im Zeitpunkt des Inverkehrbringens ab.
- Bezogen auf das Beispiel, liegt auch nach ProdHaftG ein Produktfehler vor.
- Es muss zu einer Rechtsgutverletzung gekommen sein. Geschützte Rechtsgüter sind Leben, Körper, Gesundheit oder Eigentum. Durch diese Verletzung muss es zu einem Schaden gekommen sein.
- Im Fallbeispiel wurden sowohl andere Sachen (Schreibtischplatte) wie auch der Körper des V verletzt.
- Geschädigte müssen den Produktfehler, den Schaden und den dazwischen bestehenden Ursachenzusammenhang beweisen. Hier bedarf es zum Teil aufwändiger Gutachten.
- Im Fallbeispiel kann V beweisen, dass die Akkus fehlerhaft sind und der Schaden am Schreibtisch und seine Verletzungen nur aufgrund der Verpuffung entstanden sind.
- Es kommt nicht darauf an, dass Hersteller/-innen schuldhaft gehandelt haben.
Wer muss den Fehler des Produkts beweisen?
Die Beweislast tragen normalerweise die geschädigten Verbraucher/-innen. Die Rechtsprechung hat jedoch im Rahmen der Produzentenhaftung eine teilweise Beweislastumkehr entwickelt. Die Beweislastumkehr bedeutet, dass im Falle eines Produktschadens die Hersteller/-innen nachweisen müssen, dass das Produkt bei der Übergabe an Verbraucher/-innen fehlerfrei war. Deshalb reicht es aus, wenn Geschädigte beweisen können, dass das Produkt einen Fehler hat und dass sie durch diesen Fehler bei bestimmungsgemäßer Anwendung des Produkts, einen Schaden erlitten haben. Ein Nachweis, dass ein Verschulden der Hersteller/-innen vorliegt, muss von Verbraucher/-innen nicht erbracht werden. Es genügt bereits, wenn feststeht, dass der Fehler im Organisationsbereich des Produzenten/der Produzentin entstanden ist. Er/sie kann sich dann von der Haftung befreien, indem er/sie nachweist, dass ihn/sie kein Verschulden trifft.
Im Fallbeispiel kann V nachweisen, dass er das Notebook bestimmungsgemäß benutzte und dass die Akkus offensichtlich einen Fehler aufwiesen. Deshalb liegt es nahe, dass der Fehler im Organisationsbereich des Herstellers S entstanden ist. Bezogen auf den Ausgangsfall muss S die kaputte Schreibtischplatte ersetzen und darüber hinaus dem V auch ein angemessenes Schmerzensgeld bezahlen.
Wer ist alles „Hersteller“ im Sinne der Produkthaftung?
Die Haftung nach dem ProdHaftG trifft nicht nur Hersteller/-innen des Endprodukts, sondern auch Hersteller/-innen eines Teilprodukts, wenn dieses fehlerhaft war. Auch Quasi-Hersteller/-innen haften, d.h. ein/-e Unternehmer/-in, der/die das Produkt zwar nicht selbst hergestellt hat, aber sich durch Anbringen des Namens oder Kennzeichens als Hersteller/-in ausgibt. Als Hersteller/-innen gelten auch EU-Importeur/-innen, die das Produkt nach Europa einführen. Darüber hinaus haftet ersatzweise auch jede/-r Lieferant/-in, wenn Hersteller/-innen nicht festgestellt werden können.
Kein Anspruch bei beruflich genutzten Gegenständen
ei Sachschäden ist wichtig, dass die beschädigte Sache (nicht das fehlerhafte Produkt!) ihrer Art nach für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt war und hierzu von der geschädigten Person hauptsächlich verwendet wurde. Damit scheiden Ansprüche bei Sachschäden aus, die an beruflich, geschäftlich oder gewerblich genutzten Gegenständen durch den Fehler eines Produkts entstehen.
Bezogen auf den Ausgangsfall müssen von V auch die Anspruchsvoraussetzungen nach dem ProdHaftG nachgewiesen werden. Die beschädigten Sachen sind die Schreibtischplatte und das Notebook (welches erst durch die fehlerhaften Akkus zerstört wurde). Wichtig ist aber die private Nutzung des Notebooks. Wäre V ein freier Journalist, der das Notebook zum Verfassen von Artikeln benutzt, so könnte er keine Ansprüche nach dem ProdHaftG geltend machen.
Bei Sachschäden legt das Gesetz Geschädigten eine Selbstbeteiligung von 500 Euro auf. Geschädigte können auch nach dem ProdHaftG Schmerzensgeld verlangen. Für Serienschäden sieht das Gesetz einen Haftungshöchstbetrag von 85 Millionen Euro vor, soweit es um die Regulierung von Personenschäden geht.
Derzeit wird auf EU-Ebene die Produkthaftungsrichtlinie überarbeitet. Die 40 Jahre alte Richtlinie soll an digitale Veränderungen und Nachhaltigkeit angepasst werden. Dazu sollen z. B. Software-Updates und digitale Dienste ebenfalls unter die Definition eines Produktes fallen. Produkte sollen insgesamt besser an die Kreislaufwirtschaft angepasst sein. Dafür müssen sie langlebiger widerverwendbar und reparierbar sein.
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