Streamen, Filesharing, Tauschbörsen im Internet: Haftung für Verstöße und Abmahnungen
Von: Verbraucherzentrale Bayern e.V.
Was können Sie tun, wenn jemand ihr Werk unrechtmäßig benutzt? Welche Rechte können Sie geltend machen? Wer haftet wann? Diese Fragen beantwortet der folgende Artikel. Grundsätzliches zum Thema Streamen, Filesharing und zuTauschbörsen im Internet finden Sie in unserem Einführungsartikel.
In diesem Beitrag finden Sie
- Wie gehen die Rechteinhaber/-innen vor?
- Bedeutung der IP-Adresse
- Wer haftet?
- Haftung des Anschlussinhabenden für Verstöße Dritter
Wie gehen die Rechteinhaber/-innen vor?
Im Rahmen dieses Artikels wird nur auf die zivilrechtliche Haftung näher eingegangen. Strafrechtliche Aspekte werden nicht näher beleuchtet. Bei Verstößen gegen geltendes Urheberrecht hat der Rechteinhaber einen Unterlassungs- und einen Schadensersatzanspruch, sowie Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten.
Abmahnung
Verfolgt werden diese Ansprüche zunächst außergerichtlich durch eine sogenannte Abmahnung. Meist werden hierzu spezialisierte Anwaltskanzleien beauftragt, sehr viele solcher Abmahnungen auszusprechen.
In der sogenannten Abmahnung wird die vorgeworfene Rechtsverletzung beschrieben, mit Namen des Werkes und Zeitpunkt der Rechtsverletzung, sowie die Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Anwaltskosten geltend gemacht.
Es empfiehlt sich stets, eine solche Abmahnung nicht einfach zu ignorieren, sondern sich rechtlichen Rat einzuholen.
Auch sollte niemals ungeprüft die Unterlassungserklärung, die der Abmahnung stets beigefügt ist, unterschrieben werden.
Vielmehr sollte durch rechtlichen Rat geprüft werden, ob gegebenenfalls eine eigene modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben werden muss. Und ob der Schadensersatzanspruch und der Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten verteidigt werden können.
Die Abmahnung von Urheberrechtsverstößen in Internettauschbörsen ist seit vielen Jahren ein großes Phänomen. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber zu Gunsten der Abgemahnten an mehreren Stellen nachzubessern versucht. So findet sich nun eine gewisse Kostendeckelung für den Kostenanspruch der Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen in § 97a Abs. 3 Urheberrechtsgesetz. Zudem müssen Abgemahnte nun am Gericht ihres Wohnortes verklagt werden und können nicht mehr am Ort der abmahnenden Kanzlei vor Gericht gezerrt werden.
Häufig sind die Betroffenen Eltern von minderjährigen Jugendlichen, Vermieter/-innen, WG-Mitbewohner/-innen oder Gastgeber/-innen von AirBnB-Wohnungen.
Bedeutung der IP-Adresse
Grundsätzlich kann jeder Internetanschluss, mit dem auf das Internet zugegriffen wird, über seine IP-Adresse ermittelt werden. Wenn eine offensichtliche Urheberrechtsverletzung vorliegt, hat der Rechteinhaber (also z. B. ein Filmstudio) gegen den Provider (also bspw. gegen die Telekom oder Vodafone) gemäß § 101 UrhG ein Auskunftsanspruch und kann so erfahren, welchem Anschlussinhaber zu welchem Zeitpunkt welche IP-Adresse zugewiesen war.
Das bedeutet, die Kanzleien überwachen mit einem technischen Dienlsteistenden, in denen illegal die urheberrechtlich geschützten Werke der vertretenen Rechteinhaber/-innen getauscht werden. Ein bekanntes Protokoll, das hier zum Einsatz kommt, ist BitTorrent. Die Software zeichnet den Netzwerkverkehr und damit die IP-Adresse des Nutzers/der Nutzerin auf. Über das zivilrechtliche Auskunftsverfahren erhalten die Kanzleien dann von dem Provider den Namen und die Adresse des Anschlussinhabers/der Anschlussinhaberin.
Wer haftet?
Wer das Urheberrecht verletzt, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus besteht ein Anspruch des Rechteinhabers bzw. der Rechteinhaberin auf Schadensersatz (Abmahnkosten und gegebenenfalls weiterer Schadensersatzanspruch in Form entgangener Lizenzgebühren).
Haftbar für den Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch ist der/die Täter/-in. Doch auch, wenn man den Verstoß nicht selbst begangen hat, sondern ein/-e sogenannte/-r Dritte/-r, und man selbst „nur“ Anschlussinhaber/-in ist, kommt eine Haftung für den Unterlassungsanspruch unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht.
Gängige Praxis der Abmahnkanzleien ist es, zunächst gegen den Anschlussinhaber vorzugehen, da dieser über die IP-Adresse relativ leicht ermittelt werden kann. Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit der Anschlussinhaber selbst für eine Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden kann, wenn er seinen WLAN-Anschluss Dritten zur Verfügung gestellt hat, kommt es darauf an, ob der Zugang verschlüsselt oder unverschlüsselt nutzbar war. Falls er seinen Anschluss Dritten verschlüsselt überlassen hat, trifft den Anschlussinhaber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Verpflichtung, anzugeben, wer den Anschluss zum fraglichen Zeitpunkt neben ihm selbst nutzen konnte. Sollte er seinen WLAN-Anschluss hingegen bewusst „offen“, also unverschlüsselt, für Dritte zur Verfügung gestellt haben, so ist er gemäß § 7 Abs. 3 DDG von der Haftung befreit. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung unterstützen, dass in der Bundesrepublik mehr freie WLAN-Hotspots angeboten werden.
Es birgt aber hohe Risiken in sich, seinen WLAN-Anschluss nicht zu verschlüsseln: Offene, unverschlüsselte WLAN-Netze sind leichter angreifbar. Eigene Daten, Zugangsdaten zu E-Mail-Konten etc. sind u.U. von Dritten auslesbar. Das mit der Öffnung einhergehende Sicherheitsrisiko ist groß. Zudem beugt ein offenes WLAN auch nicht der Abmahnung vor. Die abmahnenden Rechteinhaber wissen in dem Zeitpunkt der IP-Ermittlung nicht, dass die Urheberrechtsverletzung über einen offenen WLAN-Zugang begangen wurde. Das muss der WLAN-Betreiber vortragen und somit zumindest gegen die Abmahnung aktiv werden. Außerdem verlangsamt sich die eigene Internetgeschwindigkeit, wenn Dritte unkontrolliert das WLAN mitnutzen. Es wird also dringend angeraten, das WLAN zu verschlüsseln und mit einem möglichst sicheren Passwort zu versehen.
Haftung des Anschlussinhabers/der Anschlussinhaberin für Verstöße Dritter
Aber auch wenn der WLAN-Anschluss des Anschlussinhabers/ der Anschlussinhaberin verschlüsselt war, kann er/sie unter Umständen für fremde Urheberrechtsverstoß verantwortlich gemacht werden, zum Beispiel wenn der/die minderjährige Sohn/Tochter oder ein/-e andere/-r Dritte/-r dasselbe WLAN nutzen. Häufig ist auch Besuch aus dem Ausland für die Rechtsverletzung verantwortlich. Insbesondere bei der Untervermietung treten diese Fälle immer wieder auf.
Grundsatz: Anschlussinhaber/-in
Grundsätzlich spricht die sogenannte tatsächliche Vermutung dafür, dass der/die Anschlussinhaber/-in selbst die Rechtsverletzung begangen hat und Täter/-in der Rechtsverletzung ist.
Familienangehörige
Möchten Anschlussinhaber/-innen sich hier entlasten, so müssen sie konkret vortragen, wer zum fraglichen Zeitpunkt neben ihnen den Anschuss tatsächlich nutzen konnte und wer technisch und zeitlich hierzu auch in der Lage war, die Rechtsverletzung zu begehen. Kann der/die Anschlussinhaber/-in dies belegen, so kommt eine Haftung als Täter/-in nicht mehr in Betracht.
Hierzu muss der/die Anschlussinhaber/-in auch Nachforschungen im Rahmen des ihm/ihr zumutbaren anstellen. Der/die Anschlussinhaber/-in ist im Rahmen ihrer/seiner sekundären Darlegungslast aber nicht verpflichtet, die Rechner der Familienangehörigen zu durchforsten, um sich selbst zu entlasten (BHG, Urteil v. 07.03.17, Az. I ZR 145/15 - Afterlife).
Minderjährige Kinder
Dabei ergeben sich in einzelnen Konstellationen immer wieder Probleme, etwa wenn minderjährige Kinder Dateien in den Tauschbörsen zur Verfügung gestellt haben.
Es war etwa lange umstritten, ob und wie weit Eltern für Urheberrechtsverstöße ihrer minderjährigen Kinder haften. Zwar hat der BGH zwischenzeitlich geklärt, dass Eltern für die Rechtsverletzungen ihrer minderjährigen Kinder nicht haften, wenn diese zuvor belehrt wurden (BGH, Urteil v. 15.11.12, Az. I ZR 74/12 - Morpheus). Allerdings können dann die Kinder, je nach deren Einsichtsfähigkeit, gegebenenfalls selbst herangezogen werden.
Bei mehreren Kindern kann sich die Konstellation ergeben, dass die Eltern zwar davon ausgehen, dass eines der Kinder verantwortlich ist, aber keines konkret zugibt, für die Verletzung verantwortlich zu sein. Können die Eltern darlegen, dass die Kinder zeitlich und technisch in der Lage waren, den Download zu begehen, und keines die Verletzung ihnen gegenüber zugibt, dann haften die Eltern grundsätzlich nicht.
Wissen die Eltern jedoch genau, welches Kind konkret für die Verletzung verantwortlich ist, so müssen sie, nach einer Entscheidung des BGH (Urteil v. 30.03.17, Az. I ZR 19/16, Loud), dieses Kind jedoch auch bekannt geben, wenn sie selbst einer Haftung entgehen wollen.
Hinweis:
Es ist trotzdem wichtig, dass in der Familie über die Internetnutzung und über die Gefahren von Urheberechtsverletzungen gesprochen wird. Die Eltern sollten sich in regelmäßigen Abständen darüber informieren, zu welchen Zwecken ihr Nachwuchs den Computer tatsächlich nutzt.
Dritte
Für Rechtsverletzungen Dritter, etwa von WG-Mitbewohner/-innen, Air-BnB-Untermieter/-innen, volljährigen Familienmitgliedern, ausländischen Gästen, haftet der/die Anschlussinhaber/-in nicht, wenn er/sie die Person, die für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, benennt.
Diese Personen haften dann jedoch selbst, sofern es sich hierbei nicht um ausländischen Besuch handelte. Die Realisierung der Forderungen im Ausland ist für die abmahnenden Kanzleien meist mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden.
WLAN-Anschluss
Falls man einen WLAN-Anschluss hat, kann es auch sein, dass ein/-e Dritte/-r über diesen den Urheberrechtsverstoß begangen hat, indem sie/er ihn geknackt hat. Von einem Einbruch einer/-s Dritten bekommen die jeweiligen Besitzer/-innen dieser Netzwerke meistens nichts mit.
Am 12.05.2010 hat der Bundesgerichtshof in einem Fall entschieden, in dem der betroffene Anschlussinhaber zum fraglichen Zeitpunkt nachweislich im Urlaub war. Er nutzte WLAN und soll illegal an einer Tauschbörse teilgenommen haben (Az. I ZR 121/08). Nach Auffassung des Bundesgerichthofs ist der Anschlussinhaber, der es bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen des WLAN-Routers belassen hatte, nach den Grundsätzen der Störerhaftung haftbar, aber nur auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten, nicht auf Schadensersatz.
Dies stellt natürlich ein Problem für alle Betreiber/-innen eines Hot Spots in einem Café oder am Flughafen dar. Zwar möchte der Gesetzgeber in diesem Bereich nachbessern und offene WLANs ermöglichen und gleichzeitig die Haftung der Anschlussinhaber/-innen in diesen Fällen ausschließen, es bleibt aktuell aber abzuwarten, ob die Pläne des Gesetzgebers hier fruchten.
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