Kinderlebensmittel: Ein Beitrag zur Kindergesundheit?
In diesem Beitrag finden Sie
- Was sind Kinderlebensmittel?
- Was sind problematische Inhaltsstoffe in Kinderlebensmitteln?
- Brauchen Kinder spezielle Lebensmittel?
Was sind Kinderlebensmittel?
Für so genannte Kinderlebensmittel ohne Altersempfehlung existiert bisher keine lebensmittelrechtliche Definition. Sie werden genau wie herkömmliche Lebensmittel nach dem allgemeinen Lebensmittelrecht hergestellt. Deshalb gibt es auch keine besonderen Schutzbestimmungen.
Erkennungsmerkmale für Kinderlebensmittel
Das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) in Dortmund hat praxistaugliche Merkmale erarbeitet (Düren & Kersting 2003), um Kinderlebensmittel klar zu erkennen. Es handelt sich um ein Kinderlebensmittel, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zutrifft:
- Aufschrift "für Kinder" oder "Kids"
- auffällige Gestaltung der Verpackung, zum Beispiel Comicfiguren
- spezielle Formung, zum Beispiel als Tier- oder Comicfigur
- Beigaben wie Aufkleber, Sammelbilder oder Spielfiguren
- speziell an Kinder gerichtete Werbung oder entsprechende Internetauftritte der Hersteller
Rechtliche Grundlagen für Kleinkinderlebensmittel
Produkte für Kleinkinder im Alter von ein bis drei Jahren unterliegen lebensmittelrechtlich besonderen Bestimmungen. Für Kleinkinderlebensmittel, die auch oft mit der Aufschrift „ab 12 Monaten“ ausgewiesen werden und für Säuglingsnahrung gilt die Diät-Verordnung. Sie setzt strenge Maßstäbe für Rückstände, Schadstoffe und bestimmte Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Farbstoffe.
Was sind problematische Inhaltsstoffe in Kinderlebensmitteln?
Hoher Zuckergehalt
Kinderlebensmittel schmecken häufig süßer als „normale“ Lebensmittel, weil mehr Zucker in ihnen steckt. Oft ist die gesamte Zuckermenge auf der Verpackung schwer zu erkennen, wenn mehrere Zuckerarten verarbeitet wurden wie zum Beispiel Zucker, Milchzucker, Traubenzucker, Glukosesirup oder Maltodextrin. Der Zucker steht dann im Zutatenverzeichnis nicht gleich an erster Stelle, obwohl alle Zuckerarten zusammen eventuell den größten Gewichtsanteil ausmachen. Bei vielen Frühstückscerealien ist im Schnitt ein Drittel vom Packungsinhalt purer Zucker. So liegen jeden Morgen schon mal drei bis vier Würfelzucker in der Müslischale.
„Ohne Kristallzucker“ und trotzdem gesüßt
Die Händler haben auf die Kritik am hohen Zuckergehalt der Kinderlebensmittel reagiert und schreiben nun „ohne Kristallzucker“ oder „mit Traubenfruchtsüße“ auf die Packung. Doch auch hierbei handelt es sich um Zuckerarten, die ebenso kalorienreich und kariesfördernd sind wie Zucker. So genannte zahnfreundliche Süßigkeiten werden mit Zuckeraustauschstoffen (Sorbit, Mannit, Isomalt, Maltit, Lactit, Xylit) gesüßt. Sie sind zwar besser für die Zähne, können aber in größeren Mengen zu Blähungen und Durchfall führen.
„Ohne Zuckerzusatz“ steht häufig auf den beliebten Fruchtquetschies oder anderen obstbasierten Produkten. Faktisch stimmt das auch, doch das heißt nicht, dass kein Zucker enthalten ist. Denn Obst enthält von Natur aus Fruchtzucker. Durch die flüssige Form wird davon viel und schnell konsumiert. Wird dazu noch dauerhaft am Quetschie genuckelt, ist das zusätzlich schlecht für die Zähne. Wird frisches Obst häufig durch solche Fertigprodukte ersetzt, kann auch die Sprachentwicklung darunter leiden, da Abbeißen und Kauen fehlen.
Fruchtzucker ist kein sinnvoller Zuckerersatz
Fruchtzucker klingt nach gesundem Obst, stammt aber in der Regel nicht aus Früchten, sondern wird industriell aus Stärke gewonnen. Er wird auch als Zuckeraustauschstoff verwendet und kommt vor allem in Milchprodukten und Getränken zum Einsatz. Er liefert genauso wie Haushaltszucker 4,1 Kilokalorien pro Gramm. Größere Mengen an Fructose wirken abführend und können die Blutfettwerte ungünstig erhöhen. Dauerhafter Überkonsum kann bereits bei Kindern die Entstehung einer Fettleber begünstigen.
Zu viel und ungesundes Fett
Auch beim Fett entsprechen viele Kinderlebensmittel nicht den Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung. Produkte, die als kleine Pausenmahlzeit beworben werden, bestehen zum Teil aus einem Drittel oder der Hälfte des Tagesbedarfs an Fett für ein Kind. Dazu überwiegt der Anteil an ungünstigen, gesättigten Fetten. Vielfach verwenden die Hersteller „gehärtete“ und „teilweise gehärtete“ Fette und Öle, in denen vermehrt Transfettsäuren vorkommen. Bei häufigem Verzehr kann dadurch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen steigen.
Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen
Eine ausgewogene Mischkost nach den Empfehlungen des Forschungsinstituts für Kinderernährung liefert alle notwendigen Vitamine und Mineralstoffe. Grundsätzlich ist es weder nötig noch sinnvoll, Lebensmittel damit anzureichern. In Deutschland sind Kinder in der Regel gut mit Nährstoffen versorgt. Selbst, wenn manche Kinder mit einzelnen Vitaminen oder Mineralstoffen unterversorgt sein sollten, rechtfertigt das nicht die wahllose Anreicherung vieler Produkte. Bei eventuellen Defiziten wäre es besser, mehr Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte und Milchprodukte zu essen und Rücksprache mit dem Kinderarzt zu halten. In Deutschland kann es sein, dass eine Folsäuresupplementierung Sinn macht, aber nur mit für Kinder geeigneten Dosierungen. Eine Tagesdosis für Kinder unter zehn Jahren beträgt 300 µg, durch angereicherte Produkte wird diese meist schnell überschritten.
Risiko Überdosis von Vitaminen und Mineralstoffen
Der Hersteller entscheidet, welche und wie viele Vitamine und Mineralstoffe er zusetzt. Damit er mit einem Zusatz werben darf, muss dieser mindestens 15 Prozent des Tagesbedarfs für einen Erwachsenen in 100 Gramm oder Millilitern eines Lebensmittels abdecken. Werden viele angereicherte Produkte pro Tag gegessen, besteht die Gefahr einer Überdosierung bei einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen. Langfristige kann das zu gesundheitlichen Problemen führen. Oft sind auch mehr Vitamine zugesetzt als auf der Packung steht. So stellen die Hersteller sicher, dass die angegebene Menge auch noch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums enthalten ist. Im natürlichen Verbund eines Lebensmittels sind neben Vitaminen und Mineralstoffen auch sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe enthalten, weshalb diese immer noch die beste Wahl sind.
Spezialfall Calcium
Kinder brauchen im Wachstum viel Calcium für Knochen, Zähne und die Arbeit im Gehirn. Die „Extraportion Milch“ scheint für Eltern ein schlagkräftiges Kaufargument zu sein. Doch spezielle Schokoriegel, Schnitten, Puddings oder Fruchtzwerg enthalten unnötig Kalorien, Fett und Zucker und sind damit für die tägliche Ernährung ungeeignet. Empfehlenswert ist Quark oder Joghurt mit frischen Früchten oder selbstgemischtem Müsli. Auch Käse ist ein guter Calciumlieferant. Für Kinder, die Milch nicht mögen oder schlecht vertragen, gibt es die Möglichkeit, auf mit Calcium angereicherte Ersatzprodukte zurückzugreifen. Der Calciumgehalt sollte, wie in Kuhmilch, 120 mg pro 100 ml betragen. Wenn gas keine Milchprodukte konsumiert werden, sollte man zusätzlich auf die Jodversorgung achten. Liegt es nur am Geschmack, kann Milch auch in Grießbrei, Auflauf oder Milchshakes mit frischem Obst versteckt werden.
Bedenkliche Zusatzstoffe
Kinderlebensmittel sind meist stark verarbeitet und konzentriert. Aromastoffe, Geschmacksverstärker, Farb- und Konservierungsstoffe sorgen dann dafür, dass sie nach etwas schmecken, ihre Konsistenz behalten und lange haltbar sind. Zusatzstoffe müssen in der Zutatenliste aufgeführt werden und gesundheitlich unbedenklich sein. Bei empfindlichen Personengruppen können manche Zusatzstoffe wie zum Beispiel Farbstoffe, Geschmacksverstärker (z.B. Glutamat) oder Verdickungsmittel (z.B. Carrageen) allergische und pseudoallergische Reaktionen auslösen.
Wie sich die Vielzahl an Zusatzstoffen auswirkt und welche Wechselwirkungen zwischen ihnen bestehen, ist noch ungeklärt. Auch deshalb sollten gerade Lebensmittel für Kinder möglichst wenig verschiedene Zusatzstoffe enthalten und auch nur solche, die nicht in der Kritik stehen.
Azofarbstoffe, die häufig in bunten Süßigkeiten und Limonaden verwendet werden, stehen im Verdacht, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen bei Kindern hervorzurufen. Deshalb ist seit 2010 für Lebensmittel mit diesen Farbstoffen der Warnhinweis „Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen“ Pflicht.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor dem Zusatz von Zitronensäure und anderen Säuren, vor allem in Getränken, Süßwaren und Fertigsuppen. Dadurch können sich Zahnschäden wie zum Beispiel Karies entwickeln.
Nährwertangaben und Zutatenliste wenig hilfreich
Was wirklich im Produkt enthalten ist, steht in Zutatenliste und Nährwerttabelle. Die helfen bei Kinderlebensmitteln aber auch nicht viel weiter. Als Grundlage für die prozentualen Nährwertangaben gilt immer der Bedarf eines Erwachsenen, der eine tägliche Energiezufuhr von pauschal 2000 Kilokalorien hat. Für einen Erstklässler mit einem Energiebedarf von rund 1500 Kilokalorien pro Tag, kann so mancher Inhaltsstoff schon viel zu viel sein. Ist der Vitamingehalt einer Süßigkeit pro 100 Gramm Ware angegeben, sieht das zwar viel höher und gesünder aus als pro verzehrter Portion, die vielleicht nur 23 Gramm wiegt. Der Schein trügt aber, wenn man nur einen flüchtigen Blick auf die Nährwerttabelle wirft. Eltern sollten beim Einkauf reichlich Zeit für das Lesen der Informationen auf der Packung einplanen. Oft sind die wichtigen Angaben bei Mini-Portionen nur mühsam unter dem Falz zu entdecken und für Oma und Opa sowieso viel zu klein geschrieben.
Viel Verpackungsmüll bei Kinderlebensmitteln
Spezialprodukte für Kinder sind oft als Klein(st)portionen auf dem Markt. Das sieht nett aus und ist bequem. Gleichzeitig macht die Art der Verpackung viel Aufwand, und bringt unnötigen Müll. Teilweise kommen problematische Kunststoffe (wie z.B. PVC als Joghurtdeckelbeschichtung) zum Einsatz, die bei der Herstellung und Entsorgung der Umwelt schaden. Kinderlebensmittel tragen zur Ausbildung einer Wegwerfmentalität bei, die der Erziehung zum nachhaltigen Konsum entgegensteht.
Brauchen Kinder Kinderlebensmittel?
Die Antwort ist ein klares Nein. Kinderlebensmittel bringen weder einen zusätzlichen Nutzen, noch stellen sie eine gleichwertige Alternative für herkömmliche Lebensmittel dar. Dazu belasten sie den Geldbeutel unnötig, verderben den Geschmackssinn und verunsichern die Eltern mit blumigen und irreführenden Werbebotschaften. Kinder können und sollen ab ihrem ersten Geburtstag am Familienessen teilnehmen. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung reicht völlig aus, damit Kinder gesund groß und stark werden.
Mehr zum Thema „Gesunde Ernährung für Kinder“ lesen Sie hier
Kinderlebensmittel sollten ein „Extra“ bleiben
Kinderlebensmittel sind zwar nicht notwendig, aber praktisch unvermeidlich. Verbieten macht die Sache für Kinder nur noch attraktiver und den Eltern viel Stress. Im Rahmen einer ansonsten ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung mit hauptsächlich frischen und gering verarbeiteten Lebensmitteln darf den Kinderprodukten ein kleines Plätzchen eingeräumt werden. Wer aus allen Produktgruppen die Lebensmittel mit einer günstigen Zusammensetzung heraussucht, ist auf der sicheren Seite. Dabei hilft der genaue Blick auf die Zutatenliste, das Prinzip „gesunde Mischung“, und sich von den Werbeaussagen der Hersteller nicht blenden zu lassen.
Literatur:
Düren, M.; Kersting, M.: Das Angebot an Kinderlebensmitteln in Deutschland: Produktübersicht und ernährungsphysiologische Wertung. Ernährungs-Umschau 2003; 50: 16-21
http://www.ernaehrungsdenkwerkstatt.de/fileadmin/user_upload/EDWText/TextElemente/Kinder/Kinder-LM_Dueren_Kersting_l_EU_01_16_21.pdf
Bildquelle:
Panthermedia
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Stellungnahme zu Citronensäure in Lebensmitteln (PDF)
- Kindergesundheitsportal der BundesZentrale für gesundheitliche Aufklärung
- Verbraucherzentrale: Kinderlebensmittel – bunt, bunter, zu bunt?
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