Ernährung für Hochbetagte
In diesem Beitrag finden Sie
- Altersstruktur und Gesundheitszustand
- Die allgemeine Ernährungssituation
- Das Gewicht: ist Abnehmen ratsam?
- Mangelernährung ist ein Risiko
- Angehörige und Pflegekräfte sind gefordert
- Die Nährstoffversorgung
- Tipps für das Essen
- Ein spezielles Problem: der Eiweißbedarf
Altersstruktur und Gesundheitszustand
Der Anteil an Männern und Frauen, die 80 Jahre und älter werden, steigt rapide. Statistische Berechnungen sagen voraus, dass im Jahre 2050 in Deutschland fast 10 Millionen über 80jährige leben. Das sind 12 Prozent der Bevölkerung. Zum Vergleich: Heute sind es etwa 7 Prozent. Senioren und Seniorinnen in dieser Altersgruppe sind häufig nicht mehr mobil. Mit zunehmendem Alter werden Menschen in der Regel pflegebedürftig.
Die aktuelle Pflegestatistik 2021 des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass im Dezember 2021 von den Personen, die über 90 Jahre und älter waren, 690.922 als pflegebedürftig eingestuft wurden.
Bei den 85- bis 90-Jährigen beträgt die entsprechende Pflegequote – also die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu sein – 54,1 bei den 75- bis 85-Jährigen ist sie erwartungsgemäß niedriger.
Rund 84 Prozent der Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt. Im Dezember 2021 waren fast fünf (destatis) Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI); die Mehrheit (62%) waren Frauen
Bis zu einem Alter von etwa 80 Jahren sind die Aktivitäten von Senioren im täglichen Leben relativ gering eingeschränkt. Danach steigen die Beeinträchtigungen beim Baden, Einkaufen, Essen und Trinken sprunghaft an. Arthrose und Knieschäden erschweren das Einkaufen, ein schlecht sitzendes Gebiss das Kauen und Beißen und Probleme mit den Handgelenken das Schneiden von Lebensmitteln. Dazu kommen oft Krankheiten wie Alzheimer oder Demenz. Verbunden mit den häufig vorhandenen Grunderkrankungen, wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen oder Herzkreislauf-Erkrankungen, entwickeln sich Fehl- und Mangelernährungen.
Auch Medikamente nehmen vielen Senioren die Lust am Essen. In der Paderborner Seniorenstudie zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen steigender Medikamenten-Einnahme und sinkendem Appetit.
Die allgemeine Ernährungssituation
Die zu Hause lebenden mobilen Senioren essen meist regelmäßig dreimal am Tag zu festen Terminen. Sie gehen selten essen, nehmen aber auch kaum Dienste wie Essen auf Rädern in Anspruch. Sie ernähren sich durchweg abwechslungsreich. Hier besteht kaum ein Unterschied zu jüngeren Personen. Auch hier gibt es einen überreichlichen Verzehr von Fleisch, Wurstwaren und Eiern - also eine Aufnahme von viel Fett, Cholesterin und Purinen. Außerdem ist der Obst- und Gemüseverzehr gering, was sich in einem Mangel an verschiedenen Vitaminen und Ballaststoffen bemerkbar macht. Diese Ernährungsweise ist unabhängig vom Alter. Sie verschlechtert sich aber abhängig von der Mobilität der Senioren.
Das Gewicht: Ist Abnehmen ratsam?
Hochbetagte sollten nicht mehr abnehmen, außer sie leiden an Diabetes oder sie kombinieren das Abnehmen mit erhöhter sportlicher Aktivität. Der Grund ist, dass im Alter vorwiegend das Muskelgewebe schwindet, das Fettgewebe bleibt. Der Halt durch die Muskulatur lässt nach, das Risiko von Stürzen und Knochenbrüchen steigt an. Außerdem benötigen Senioren Muskel-Reserven. Denn im Falle einer Verletzung oder Erkrankung stellt stark abgebaute Muskulatur eine weitere Gefahr dar. Das Problem alter und sehr alter Menschen ist selten das Übergewicht, sondern eher eine Mangel- bzw. Unterernährung.
Mangelernährung ist ein Risiko
Mangelernährung führt zu einem geschwächten Immunsystem, verzögert die Wundheilung und steigert das Risiko einer krankenhausbedingten Infektion. Gerade bei älteren Patienten mit diesem Problem liegt die Sterberate höher als bei Patienten mit einem guten Ernährungsstatus. Eine Mangelernährung in hohem Alter steigert die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus. Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie stellt fest, dass mehr als 80 Prozent der alten Patienten, die in eine Klinik kommen, ein hohes Risiko für Mangelernährung haben oder akut mangelernährt sind. Die Mehrheit dieser Senioren lebt zu Hause.
Angehörige und Pflegekräfte sind gefordert!
Angesichts dieser Problematik sind Angehörige gefordert die Essgewohnheiten ihrer älteren Verwandten genau zu beobachten. Auch ambulante Pflegekräfte sollten erste Anzeichen einer drohenden Mangel- und Unterernährung bei älteren Menschen ernst nehmen und Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungsversorgung ergreifen. Wichtigstes Alarmsignal für eine Mangelernährung ist ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust. Bei älteren Menschen ist jeglicher auffällige Gewichtsverlust ernst zu nehmen und zu hinterfragen. Auch wenn durch bestehendes Übergewicht der Gewichtsverlust als wünschenswert eingestuft wird, kann er eine beginnende Mangelernährung verdecken. Ältere Menschen sollten daher alle zwei Wochen ihr Gewicht kontrollieren und möglichst auch dokumentieren.
Wer zu Hause lebende Senioren betreut sollte ab und zu einen Blick in deren Kühlschrank werfen. In einer Schweizer Studie war bei jedem zehnten Senior der Kühlschrank leer. 30% der Senioren, die mit einem leeren Kühlschrank angetroffen wurden, mussten im Folgemonat das Krankenhaus aufsuchen. Bei gut gefülltem Kühlschrank mussten das nur 8%. Ein Kühlschrank, der leer ist oder aber vorwiegend verdorbene Lebensmittel enthält, kann ein Hinweis auf nachlassende Kräfte und einen schlechten Ernährungszustand sein.
Die Nährstoffversorgung
Im Gegensatz zum Energiebedarf verringert sich der Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen mit zunehmendem Alter nicht. Eine bedarfsgerechte Versorgung schützt im Alter vor zahlreichen chronischen Krankheiten (siehe Artikel Ernährung für Senioren). Senioren sind vor allem schlecht mit Calcium versorgt, aber auch mit Vitamin D, Folsäure und Vitamin B12.
Eine verminderte oder verlangsamte Magendehnung und eine frühzeitige Bildung von Sättigungssignalen haben zur Folge, dass ältere Menschen oft nur kleine Portionen essen. Um bei kleineren Mahlzeitenportionen trotzdem die benötigte Menge an Vitaminen und Mineralstoffen aufzunehmen, ist eine gezielte Auswahl und eine hohe Qualität der Lebensmittel erforderlich.
Wer täglich Obst und Gemüse verzehrt und dabei das vielfältige Angebot an Obst- und Gemüsesorten nutzt, sichert seinen Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen. Doch verschiedene Faktoren erschweren eine altersangepasste Versorgung mit Nährstoffen:
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Die Anzahl der Geschmacksknospen ist im Alter deutlich reduziert. Viele Speisen werden daher als fade empfunden und nur noch ungern gegessen, der Appetit lässt nach.
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Mangelnde Speichelbildung und Mundtrockenheit können zu Schluckbeschwerden führen, was sich wiederum auf den Appetit auswirkt.
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Viele Hochbetagte können auch nicht mehr gut kauen. Zähne fehlen, und das Gebiss sitzt schlecht. Kaubeschwerden spielen bei circa 20% aller Senioren eine große Rolle. Aus diesem Grund meiden Senioren Vollkornprodukte und andere kauintensive oder faserige Lebensmittel. Oder sie kauen die Nahrung nicht ausreichend, weshalb die weitere Ausnutzung der Nährstoffe erschwert ist.
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Auch Verdauungsfunktionen lassen nach. Das führt dazu, dass die Lebensmittel beim Verdauungsprozess nicht vollständig aufgeschlossen werden. Essentielle Nährstoffe können dann nicht in ausreichender Menge aus den Lebensmitteln freigesetzt und damit nicht gut absorbiert werden.
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Zu den Nebenwirkungen von Medikamenten und Schmerzen kommen auch psychische Faktoren wie Demenz oder Depression als Ursache einer schlechten Nährstoffversorgung in Frage.
Bei Hochbetagten muss besonders darauf geachtet werden, dass die tägliche Mindestanforderung an eine gesunde Ernährung eingehalten wird:
- Täglich: 1 Stück Obst
- Täglich :1x Gemüse
- Täglich: 1 Glas Milch, Joghurt, Quark oder Käse
- Täglich: Stärkehaltige Beilagen, eventuell Vollkorn
- Täglich: Mehr als 1 Liter aus Getränken
- Mehrmals pro Woche: 1 Stück Fleisch, Fisch oder Ei.
Hilfreich ist es dabei, die Koch- und Warmhaltezeiten möglichst kurz zu halten und auf eine altersgerechte Darreichungsform zu achten.
Tipps für das Essen
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Falls rohes Gemüse oder Obst nicht vertragen wird, kann es in wenig Flüssigkeit kurz blanchiert bzw. bissfest gedünstet und eventuell anschließend püriert werden. Dies ist einem langen Weichkochen wegen der besseren Nährstoffbilanz vorzuziehen. Ein selbst hergestelltes Kartoffelpüree ist bei Kauproblemen eine gute Alternative zu Pell- oder Salzkartoffeln.
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Wird das Gemüse und Obst jedoch fein geraffelt, kann es in der Regel auch roh gut gegessen werden.
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Statt Vollkornbrot mit ganzen Körnern sind feines Schrotbrot, Grahambrot und Brote mit gelockerter Kruste wie Weizenkeimbrot geeignet. Auch Vollkorntoast, Knäckebrot und Vollkornzwieback bieten sich als Alternativen an.
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Es sollte gedünstetes Hackfleisch, Geflügel und vor allem Fisch verwendet werden.
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Hilfreich ist es auch, wenn das Fleisch klein geschnitten wird.
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Einige ältere Menschen vertragen Milch nicht mehr so gut. Stattdessen können Sauermilchprodukte wie Joghurt, Dickmilch, Kefir oder Buttermilch gegessen werden. Sie sind im Allgemeinen gut bekömmlich und haben zudem eine leicht abführende Wirkung. Das Calcium wird dabei besonders gut ausgenutzt, wenn die Milchprodukte abends gegessen werden.
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Leibspeisen kochen
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Gäste einladen, in Gesellschaft schmeckt es besser.
Es sollte so lange wie möglich versucht werden, die Ernährung durch herkömmliche Lebensmittel sicherzustellen. Spezielle Ernährungsprobleme können allerdings die Einnahme von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten erforderlich machen. Ärzte können auch Supplemente oder Trinknahrung verordnen, um einen Nährstoffmangel auszugleichen. Die meisten Krankenkassen übernehmen die Kosten.
Ein spezielles Problem: die Eiweißversorgung
Wird der Körper nicht mehr ausreichend mit Energie oder lebensnotwendigen Nährstoffen wie Eiweiß versorgt, drohen langfristig Muskelabbau und Schwächezustände. Auch Druckstellen und Dekubitus werden auf Eiweißmangel zurückgeführt.
Für gesunde Senioren empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung folgende Eiweißzufuhr:
Alter | Empfohlene Aufnahme an Protein (Schätzwert) | |||
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in Gramm pro kg Körpergewicht und Tag | in Gramm pro kg Körpergewicht und Tag | |||
65 Jahre und älter | Männer |
Frauen |
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1 |
Referenzwerte der DGE
Für kranke Senioren wird eine höhere Gabe von Eiweiß empfohlen. Neuere Untersuchungen weisen sogar auf einen Eiweiß-Bedarf von 1,0 bis 1,25 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht hin. Da viele Krankheiten sozusagen „Eiweißfresser“ sind.
Zu den eiweißreichen Lebensmitteln gehören Milch und Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier und Hülsenfrüchte.
Wer jedoch Probleme mit den Nieren hat, muss mit dem Eiweiß vorsichtig sein. Mehr als 1g Eiweiß pro kg Körpergewicht und Tag sollten dann nicht gegessen werden. Zu hohe Phosphatwerte sind eines der ersten Zeichen einer nachlassenden Nierenfunktion. Normalerweise wird Phosphat im Darm aus der Nahrung aufgenommen und der Überschuss über die Nieren ausgeschieden.
Phosphat hat die Eigenschaft Calcium zu binden. Schwimmt zu viel Phosphat im Blut, kann es das Calcium aus den Knochen lösen und die Knochenmasse schwindet. Abhilfe können hier die so genannten Phosphathemmer darstellen. Sie binden das Phosphat. Ob eine Phosphatüberversorgung vorliegt, sollte der Arzt abklären und gegebenenfalls eine Ernährungsberatung verordnen.
Grundsätzlich sollten zusätzlich zu einer dosierten Eiweißzufuhr möglichst wenig phosphatreiche Lebensmittel gegessen werden. Dazu zählen:
-
Schmelzkäse, Schmelzkäsezubereitungen jeder Art, Kochkäse, Milchpulver, Kondensmilch und Nüsse
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Alle "flüssigen" Milchprodukte enthalten viel Kalium und Phosphor, trinken Sie deshalb nicht mehr als 1/8 Liter Milch, Buttermilch oder Joghurt am Tag
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Vermeiden Sie Lebensmittel und Getränke, denen Phosphat zugesetzt wurde. Sie können die Phosphatzusätze an folgenden E-Nummern erkennen: E 338, E 339, E 340, E 341, E 450 a, E 450 b, E 450 c, E 540, E 543, E 544.
Fotonachweis: Panthermedia
- Statistisches Bundesamt Pflegestatistik 2021 erschienen im Dezember 2022 Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung, Ländervergleich - Pflegebedürftige 2021 (destatis) laender-pflegebeduerftige-5224002219005.xlsx, laender-pflegebeduerftige-5224002219005.xlsx Statistikreihe in Broschürenform wird nach dieser Ausgabe eingestellt.
- Fit im Alter
- Verein für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB)
- Broschüre der deutschen Seniorenliga "Mangelernährung erkennen und vermeiden" Sie ist kostenlos und kann per PDF heruntergeladen werden DSL_Mangelernaehrung_20141.pdf
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