Werbung für Kinderlebensmittel: Augen auf beim Einkauf!
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In diesem Beitrag finden Sie
- Merkmale von Kinderlebensmitteln
- Werbung für Kinderlebensmittel
- Produktgruppen mit Kinderlebensmittel
Merkmale von Kinderlebensmittel
Hauptsache bunt!
Ein Kinderlebensmittel erkennt man an der bunten Verpackung, und dass es gezielt und sehr aufwändig für Kinder vermarktet wird. Meist trägt es die Aufschrift „für Kinder“ oder „Kids“ und die Portionsgröße ist etwas kleiner als bei Produkten für Erwachsene. Kinderlebensmittel werden nach dem allgemeinen Lebensmittelrecht hergestellt, genau wie herkömmliche Lebensmittel. Deshalb gibt es für die spezielle Kinderkost keine besonderen Schutzbestimmungen.
Zu süß, zu fett, zu salzig
IIm Vergleich zu normalen Produkten enthalten die meisten Kinderlebensmittel häufig zu viel Zucker, Salz und ungünstiges Fett. Sie sind oft stark verarbeitet und mit unnötigen Geschmacks-, Zusatz- und Farbstoffen versehen. Bei aller Schönfärberei durch blumige Slogans: ein hoher Zuckerkonsum ist und bleibt ein Risiko für Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen und Zahnkaries. Bereits 2 Millionen Kinder und Jugendlich in Deutschland haben Übergewicht. Welchen Anteil die Werbung für Kinderlebensmittel daran hat, diskutieren Hersteller und Gesundheitsexperten seit Jahren kontrovers mit mäßigem Ergebnis. Sicher ist es wenig problematisch, wenn Kinder im Rahmen einer gesunden Ernährung ab und zu ein spezielles Kinderprodukt naschen. Im Übermaß verzehrt, könnten die Kinderlebensmittel die Zahl der übergewichtigen Kinder durchaus und stetig steigen lassen.
Tägliche Zuckermenge ist schnell erreicht
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass pro Tag maximal 10 Prozent der Gesamtenergie über Zucker aufgenommen werden. Für Erwachsene wären das zum Beispiel 6 bis 12 Teelöffel (50 Gramm) Haushalts-, Trauben-, Frucht- oder Malzzucker. Zucker in Honig, Sirup, Fruchtsaft und Fruchtsaftkonzentrat zählen auch dazu. In 125 Gramm Kinder-Vanillepudding mit Schokoflecken stecken 16,3 Gramm Zucker. Ein Schulkind mit einem täglichen Energiebedarf von 1500 Kilokalorien isst mit diesem Pudding bereits ein Drittel der empfohlenen Zuckermenge vom ganzen Tag.
Packungsangaben oft ungenau
Bei Kinderlebensmitteln beziehen sich die Nährwertangaben in Prozent auf den täglichen Energiebedarf von Erwachsenen mit pauschal 2000 Kilokalorien. Das lässt sie auf den ersten Blick harmloser erscheinen, als sie für Kinder tatsächlich sind. Welchen Beitrag die enthaltenen Nährstoffe für die Gesundheit der Sprösslinge leistet, muss man selbst ausrechnen. Das braucht viel Zeit beim Einkaufen. Auch bei der Zutatenliste sollte man wachsam sein. Wenn die Hersteller zum Süßen weniger Haushaltszucker und dafür viele andere Zuckerarten (Glukosesirup, Fruchtzucker, Maltodextrin) verwenden, hat das Produkt immer noch den gleichen Kaloriengehalt. Auch Zuckeralternativen wie Honig, Agavendicksaft oder Apfeldicksaft machen die Produkte nicht gesünder. Steht „kristallzuckerfrei“ drauf, verkauft es sich aber besser. Angaben wie „ohne Zuckerzusatz“ wirken ebenso verkaufsfördernd, bedeuten aber nicht, dass kein Zucker enthalten ist. Etwa bei Obstpürees oder Quetschies ist durch den natürlichen Fructosegehalt der Früchte viel Zucker enthalten.
Werbung für Kinderlebensmittel
Kinder sind äußerst lukrativ für die Werbung
Kinder sind die Konsumenten von morgen mit dem heute geprägten Markenbewusstsein. Sie verfügen über eine hohe Kaufkraft, sind leicht zu beeinflussen und haben einen großen Einfluss auf das Einkaufsverhalten der Eltern.
Deshalb investiert die Lebensmittelindustrie hier besonders in spezialisierte Marketingstrategien.
Werbe-Strategien bei Kindern
Die Werbung zielt auf die Neugier der Kinder ab, ihre Vorliebe für Buntes und Süßes, ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Spaß in der Freizeit. Geschickt platzierte Bilder von Comicfiguren, Elfen oder niedlichen Tierkindern auf der Verpackung locken die kleinen Kunden an. Das erhöht den Wiedererkennungswert, denn oft handelt es sich dabei um Lieblingsfiguren aus dem Fernsehen. Als Geschenk gibt es noch Sticker, Sammelfiguren oder kleine Spiele dazu.
Internet festigt die Kundenbindung
Neben der klassischen Fernsehwerbung nutzen die Hersteller verstärkt Internet und Handy für die gezielte Produktwerbung. Kaum eine Verpackung, die nicht auf die Kinderseiten der Hersteller-Homepage verweist. Dort warten lustige Videos, eigens komponierte Lieder, Gewinnspiele oder Clubmitgliedschaften, um die junge Kundschaft nachhaltig zu binden. Natürlich kann man sich auch im Fan-Artikel-Shop ausstatten oder sich den Namen auf einen Löffel mit dem Logo der Frühstückcerealien gravieren lassen.
Gesundheit als Kaufanreiz für die Eltern
Mit dem Nutzen für die Gesundheit der Kinder werden Eltern und Großeltern geködert. Damit sie glauben, sie kaufen ein richtig gesundes Produkt, schreibt der Hersteller zum Beispiel „mit wichtigen Vitaminen“, „10 Prozent weniger Fett“ oder „mit wertvollem Bienenhonig“ auf die Packung. Häufig werden die Produkte mit für Kinder unpassenden Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen angereichert, um deren gesundheitlichen Vorteile bewerben zu können. Gängige Praxis ist es auch, einzelne Zutaten hervorzuheben, die für das Kind sehr wichtig sein sollen. Die „Extraportion Milch“ überzeugt, selbst wenn sie nur in ganz geringer Menge im Lebensmittel vorkommt, und bezogen auf den Tagesbedarf kaum ins Gewicht fällt.
Stark beworbene Extrakost für Kleinkinder
Als neue Zielgruppe haben die Werber die Eltern von Kleinkindern entdeckt. Der Markt boomt mit einer großen Auswahl an Kleinkindmilch, Brei, Müsli, Pudding, Fruchtriegel, Keks und Saft. Die Kleinkinderlebensmittel sollen die Nährstoff-Versorgung der Kleinsten sichern und Defiziten vorbeugen. Kindermilch ist nicht besser als normale Kuhmilch, aber viel teurer. Zudem verzerren aromatisierte Puddings und Breie schon sehr früh den Geschmackssinn. Mit der richtigen Ernährung in den ersten Lebensjahren kann man auf Spezialprodukte getrost verzichten.
Freiwillige Werbebeschränkung der Industrie
Im Jahr 2007 verpflichteten sich die größten Lebensmittelkonzerne in der so genannten EU-Pledge zu einer eingeschränkten Werbung für Kinderlebensmittel. Sie wollten auf Werbung in Fernsehen, Zeitschriften und Internet für unausgewogene Produkte gegenüber Kindern unter 12 Jahren verzichten. Wie ausgewogen ein Kinderlebensmittel ist, definieren die Hersteller selbst.
Ausgenommen von dieser Verpflichtung ist die werbewirksame Gestaltung der Verpackung und Marketing am Verkaufsort, was reichlich genutzt wird.
Bis heute ist vom freiwilligen Verzicht wenig zu merken. Durchschnittlich 92 % der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, ist für Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Im Schnitt sehen Kinder täglich 15 Werbespots zu solchen Produkten. Auch die sozialen Medien und die Lebensmittelvermarktung durch Influencer spielen eine zunehmend große Rolle.
Ernährungsminister Özdemir hatte 2023 einen Gesetzesentwurf zur Einschränkung der Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett oder Salz vorgelegt. Dieser wird allerdings bisher seitens anderer politischer Akteure und der Lebensmittelindustrie blockiert.
Werbung über Bildungsangebote
Ob aus ehrlichem Interesse am Kunden, als Schadensbegrenzung oder Lobbyarbeit, diverse Hersteller verknüpfen ihr Marketing mit Bildungsmaßnahmen oder Sponsoring von Sportveranstaltungen. Das könnte die Verbraucher gegenüber Kalorienbomben und Fettfallen möglicherweise gütlich stimmen. Ganze Marketingagenturen haben sich auf die Werbung in Schulen und Kindergärten spezialisiert. Für Lehrer und Fachkräfte im Gesundheitswesen stellt die Industrie meist kostenfreies Unterrichts- und Beratungsmaterial zur Verfügung. Die Süßwarenindustrie plädiert dafür, dass Genießen erlaubt sein muss und unterstützt überforderte Eltern mit Faltblättern beim sinnvollen Umgang mit Süßigkeiten und Knabbereien. Ständige Präsenz schafft Markenbewusstsein und Vertrauen, je früher, desto besser.
Produktgruppen mit Kinderlebensmitteln
Kinderlebensmittel überfluten den Markt
Von Jahr zu Jahr steigt die Anzahl an Kinderlebensmitteln. Aktuell gibt es Spezialprodukte für die Kleinen aus diesen Produktgruppen zu kaufen:
- Süßwaren, Knabberartikel und Gebäck
- Kinder-Pausensnacks
- Fertiggerichte, Wurstwaren, Fleisch und Fisch
- Getreideprodukte und Frühstückscerealien
- Milch- und Milchprodukte
- Getränke und kakaohaltige Getränkepulver
Süßwaren, Knabberartikel und Gebäck
Schokoriegel, Kuchenschnitten mit Cremefüllung, Nuss-Nougat-Cremes, Kekse, Kaugummis, Fruchtgummis, Vitaminbonbons und Knabbergebäck, gibt es alles auch als Kinderlebensmittel. Den gesunden Anstrich bekommen die Produkte mit Aufschriften wie "Mit Milch oder Calcium, mit Vitaminen oder mit Honig". Honig besteht zu 80 % aus Saccharose (Haushaltszucker) und ist nicht gesünder als dieser. Von der Milch sind oft nur einzelne Bestandteile in der Ware enthalten. Das erkennt man in der Zutatenliste, wenn dort Milcheiweiß, Butterreinfett, gezuckerte Kondensmilch oder Milch- bzw. Molkepulver steht. Süßwaren taugen nicht zur Versorgung mit nennenswerten Milchportionen.
Kinder-Pausensnacks
Den kleinen Hunger zwischendurch kann das Kind mit Kinderhörnchen stillen oder mit Müsliriegeln, Gebäckstangen inklusive Schokodip und zahlreichen gezuckerten Milchprodukten. Gekühlte Pausensnacks wie Kinderschnitten entsprechen in ihrer Zusammensetzung einer Süßigkeit. Sie enthalten im Schnitt weniger als einen Esslöffel Milch pro Portion, dafür aber viel Zucker und Fett. Auch im Müsliriegel verstecken sich verschiedene Zuckerarten, die zusammen über 40 Prozent der Inhaltsstoffe ausmachen können, sowie (gehärtete) Fette und wenig Ballaststoffe. Zwei Müsliriegel von je 25 Gramm haben etwa 230 Kilokalorien. Das entspricht etwa dem Energiegehalt einer Zwischenmahlzeit für ein 7-9-jähriges Kind. Eine Scheibe Vollkornbrot mit Schinken oder Käse und ein Apfel liefern genauso viele Kalorien, halten aber wesentlich länger satt.
Fertiggerichte
Für die schnelle Küche hält der Kinderlebensmittel-Markt alles bereit, was das Kinderherz begehrt: Tiefkühlpizza, Tütensuppen, Kindermenüs, Kinderravioli, Kinderwurst, Putenfleisch in Dinosaurierform, Kinderketchup und Soßen. Diese Produkte unterscheiden sich von Fertiggerichten für Erwachsene nur in der Portionsgröße und im Preis. Kinderketchup und Kindertomatensoßen sind zudem stärker gesüßt als die herkömmlichen Produkte.
Wurstwaren, Fleisch und Fisch
Kinderwurst hat die gleiche Zusammensetzung wie die Wurst von Mama und Papa, ob von der Scheibe ein Gesicht lacht oder nicht. Eine Kinderwurst „ohne künstliche Aromastoffe und Geschmacksverstärker“ sollte zum Standard gehören. Steht das explizit so auf der Packung, verkauft sich die Wurst wahrscheinlich besser. Gesünder ist sie trotzdem nicht. Fisch leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit wertvollen Fettsäuren und Jod. Mögen Kinder Fisch nur als paniertes Stäbchen, dann ist das besser als gar kein Fisch. Im Backofen zubereitet, spart man sich das Bratfett.
Getreideprodukte und Frühstücks-Cerealien
Getreide spielt als Kohlenhydrat-Lieferant eine große Rolle in der Kinderernährung. Das wissen die Hersteller und bieten für Frühstück und Pausenbrot ein großes Kinder-Sortiment an. In vielen Formen und Geschmacksrichtungen sind mehr oder weniger gezuckerte Frühstücks-Cerealien (z.B. Cornflakes, Smacks, Poppies) und Müslimischungen erhältlich. Sogar spezielles Kinderbrot ist auf dem Markt. „Knusprige Getreidekost“ klingt zwar wertvoll. Das ganze Korn und damit die Ballaststoffe muss man aber in den aufgeblähten Getreideprodukten mit der Lupe suchen. Mit über 40 Prozent ist der Zuckergehalt fast ebenso hoch wie der Getreideanteil. Je höher der Zuckeranteil, desto eher gehören die Cerealien ins Süßwarenregal. Für das Wohl der Kinder sollte man Müsli-Mischungen ohne Zuckerzusatz und mit einem großen Anteil an Vollkorn-Flocken bevorzugen.
Milch und Milchprodukte
Im Kühlregal stapeln sich seit langem die Extrawürste für die kleinen Kunden. Dort stehen neben Fruchtjoghurt, Quark, Pudding und Desserts auch Frisch- und Schmelzkäsezubereitungen sowie Milchmischgetränke. Die süßen Mischungen enthalten meist mehr als 10 Prozent Zucker und Fett und viel weniger Frucht als herkömmliche Milchprodukte. Farbe und Geschmack gelangen durch Zusatzstoffe oder Süßigkeiten wie Schokolinsen in den Becher. Als verkaufsförderndes Sahnehäubchen fügt der Hersteller manchmal noch eine Extraportion Calcium oder Vitamine dazu. Das ist bei Milchprodukten unnötig, denn Milch enthält von Haus aus sehr viel Calcium. Preiswerter und gesünder wäre ein Naturjoghurt mit Obst, eine selbst gemixte Fruchtmilch oder Quark mit frischen Kräutern.
Getränke und kakaohaltige Getränkepulver
Als Extras für Kinder bietet die Getränkeabteilung zum Beispiel Multivitamin- und calciumangereicherte Säfte, Fruchtnektare, Saftschorlen, Eistee, Fruchtsaftgetränke und Limonaden an. Sind auf der Packung frische Früchte abgebildet, täuscht das oft nur frische Früchte vor. Fruchtsaftgetränke, Limonaden und Brausen enthalten kaum oder wenig Fruchtsaft. Selbst im beliebten kakaohaltigen Getränkepulver übertrumpft der Zuckeranteil mit 80 Prozent alle anderen Zutaten. Haben sich die kleinen Kunden erst einmal an den süßen Geschmack gewöhnt, fällt die Akzeptanz von weniger gesüßten Getränken oft schwer. Lieber von Anfang an Mineralwasser trinken oder Schorle aus 100 Prozent Saft ohne Zusatz von Zucker, Calcium und Vitaminen. Der Kakao zum Frühstück schmeckt auch noch schokoladig mit etwas weniger Pulver.
Bildquellen:
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- Kindergesundheitsportal der BundesZentrale für gesundheitliche Aufklärung
- Verbraucherzentrale: Kinderlebensmittel – bunt, bunter, zu bunt?
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