Paleo-Ernährung - Was steckt dahinter?
Von: Ingrid Pawellek, Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn)
In diesem Beitrag finden Sie
- Was steckt dahinter?
- Lebensmittelauswahl in der Paleo-Ernährung
- Bewertung der Paleo-Ernährung
- Tipps für eine gesunde Paleo-Ernährung
- Exkurs: Der neueste Trend - Pegane Ernährung
Was steckt dahinter?
Der Begriff Paleo-Ernährung ist vom Paläolithikum abgeleitet. Das Paläolithikum (Altsteinzeit) war die längste Epoche der Steinzeit und der gesamten Menschheitsgeschichte. In dieser Zeit zogen die Menschen als Nomaden umher und lebten als Jäger und Sammler. Um ca. 12 000 v. Chr. endete diese Lebensweise mit der sogenannten Neolithischen Revolution (Neolithikum = Jungsteinzeit). Die Menschen wurden sesshaft und begannen Ackerbau und Viehzucht zu betreiben.
Die Paleo-Ernährung, welche 1985 erstmals von dem Mediziner Eaton und dem Anthropologen Kenner vorgestellt wurde, orientiert sich an der vermuteten Ernährung der Jäger und Sammler in der Altsteinzeit. Laut Befürwortern dieser Ernährungsform ist der Stoffwechsel des modernen Menschen genetisch noch immer an die Ernährungsweise der Altsteinzeit angepasst. Eine moderne Ernährung ist somit nicht „artgerecht“ und fördert die in der Steinzeit unbekannten Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.
Lebensmittelauswahl in der Paleo-Ernährung
Anhänger der Paleo-Ernährung verzichten komplett auf Getreide und Getreideerzeugnisse sowie Hülsenfrüchte und Kartoffeln. Auch Milch und Milchprodukte sind nicht auf dem Speiseplan zu finden. Verarbeitete Speisen und Fertiggerichte sind genauso gestrichen wie Speiseöle, Salz und isolierter Zucker. Alkoholhaltige Getränke sind auch nicht erlaubt, da auch diese erst nach der Sesshaftwerdung Einzug in den Speiseplan gefunden haben.
Mageres Fleisch, Eier, Fisch und Meerestiere sowie Früchte und stärkefreies Gemüse dürfen ohne Begrenzung gegessen werden. Nüsse und Samen ergänzen den Speiseplan. Gesüßt wird mit Honig oder Ahornsirup. Auf eine hohe Qualität der Lebensmittel sowie auf nachhaltige Produktionsmethoden wird viel Wert gelegt. Zum Beispiel sollen Fleisch aus Weidehaltung, Fisch aus Wildfang und Eier aus Freilandhaltung stammen.
Bewertung der Paleo-Ernährung
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Wissenschaftliche Untersuchungen belegen in unserem Erbgut etwa 700 genetische Veränderungen in den letzten 10.000 Jahren. Ein Beispiel dafür ist das Gen für das Enzym Laktase. Vor der Sesshaftwerdung spielte Milch in der Ernährung von älteren Kindern und Erwachsenen keine Rolle, nur Säuglinge bildeten Laktase, um Milchzucker (Laktose) spalten und verdauen zu können. Nach der neolithischen Revolution tranken auch ältere Kinder und Erwachsene Milch bzw. verzehrten Milchprodukte. Das Erbgut passte sich an und aktivierte auch in späteren Lebensjahren das Gen für die milchzuckerspaltende Laktase. In Nord- und Mitteleuropa kann der Großteil der Erwachsenen Laktose verdauen.
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Es gab nicht eine einzige Steinzeit-Ernährung, im Gegenteil, die Ernährung der Jäger- und Sammlervölker variierte je nach Jahreszeit, Witterungsverhältnissen und Region erheblich. Auch hat sie sich sicher über den langen Zeitraum von mehr als 1 Million Jahren verändert. Steinzeitmenschen ernährten sich zu 0-90 % von pflanzlicher Nahrung und zu 10-100 % von tierischen Lebensmitteln.
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Heutige Lebensmittel, auch wenn sie nachhaltig erzeugt werden, unterscheiden sich sehr stark von den verfügbaren Lebensmitteln in der Altsteinzeit. Alle Gemüse- und Obstsorten, aber auch heute erzeugte tierische Produkte sind das Ergebnis jahrelanger intensiver Züchtungsarbeit und weisen andere Inhaltsstoffe auf als Wildtiere und -pflanzen der Altsteinzeit.
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Auch die Lebensbedingungen in der Altsteinzeit sind nicht mit den heutigen vergleichbar. Die Lebenserwartung betrug im Durchschnitt 25 Jahre und Steinzeitmenschen bewegten sich wesentlich mehr als der moderne Mensch. Aus diesem Grund ist es verständlich, dass Steinzeitmenschen nicht an Diabetes oder Atherosklerose litten.
Anhänger der Paleo-Ernährung möchten vor allem ihr persönliches Wohlbefinden verbessern, fitter und schlanker werden und langfristig Zivilisationskrankheiten vermeiden. Doch ist die Paleo-Ernährung aus ernährungswissenschaftlicher Sicht dafür geeignet und welche anderen Folgen kann diese Ernährungsform haben?
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Positiv an der Steinzeiternährung zu bewerten ist, dass hochverarbeitete Lebensmittel sowie isolierter Zucker und Speisesalz gemieden werden. Die empfohlenen Lebensmittel liefern viele Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe. Durch den Verzicht auf Milch und Milchprodukte kann die Calciumaufnahme jedoch gering sein, da Calcium aus pflanzlichen Lebensmitteln nicht so gut aufgenommen wird.
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Negativ sind allerdings der hohe Fleischverzehr und die damit verbundene hohe Aufnahme an gesättigten Fettsäuren und Eiweiß zu bewerten. Der erhöhte Verzehr von rotem Fleisch (Rind-, Schweine- und Wildfleisch) wird von der WHO als krebserregend eingestuft. Ein hoher Fleischverzehr ist auch aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes nicht für einen Großteil der Bevölkerung empfehlenswert.
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Verschiedene Studien untersuchten, ob man mit der Paleokost abnimmt und Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessern kann. Ähnlich der Low-Carb-Ernährung nehmen Paleo-Anhänger kurzfristig schnell ab und verbessern auch ihre Risikofaktoren (z.B. Bluthochdruck). Ob dies auch langfristig gilt und ob die Paleo-Ernährung langfristig überhaupt durchzuhalten ist, ist bisher noch nicht untersucht worden.
Tipps für eine gesunde Paleo-Ernährung:
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Genießen Sie Obst und Gemüse mindestens 5 x am Tag, davon 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst. Nutzen Sie die saisonal verfügbare Bandbreite der verschiedenen Sorten!
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Verzehren Sie Nüsse, sie liefern gesunde Fettsäuren und Ballaststoffe. Haselnüsse und Paranüsse beispielsweise liefern auch noch Calcium.
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Begrenzen Sie den Fleischverzehr auf max. 300 - 600 g pro Woche.
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Bei Seefisch dürfen Sie ein- bis zweimal pro Woche zugreifen.
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Da bei der Vermeidung von Milch- und Milchprodukten die Calciumversorgung schwierig ist, achten Sie auf calciumreiches Gemüse (z.B. Grünkohl, Rucola oder Spinat) und calciumreiches Mineralwasser (> 150 mg Ca/l).
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Durch die Meidung von Getreide- und Getreideprodukten sowie Hülsenfrüchten fehlen wichtige Ballaststoffquellen. Insbesondere die Getreideballaststoffe senken das Risiko für Dickdarmkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und können nicht so leicht ersetzt werden. Achten Sie in jedem Fall auf eine überwiegend pflanzliche Lebensmittelauswahl.
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Überdenken Sie regelmäßig Ihre Ernährungsgewohnheiten und halten Sie nicht an Regeln fest, wenn sie nicht wissenschaftlich bewiesen sind und nicht zu Ihnen passen. Essen soll Spaß machen, nur so kann es auch der Gesundheit dienen.
Exkurs: Der neueste Trend - Pegane Ernährung
Der Begriff setzt sich zusammen aus Paleo und Vegan. Diese Ernährungsform versucht beide Prinzipien zu vereinen, auch wenn sie noch so unterschiedlich sind. Bedenken Sie allerdings: Je stärker die Lebensmittelauswahl eingeschränkt ist, desto höher ist das Risiko für einen Nährstoffmangel und desto schwieriger gestaltet sich der tägliche Speiseplan!
Die Pegane Ernährung
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basiert vorwiegend auf Gemüse, Obst, Nüssen und Samen, möglichst unverarbeitet
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reduziert den Fleischkonsum (neuere Konzepte setzen komplett auf pflanzliche Lebensmittel)
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meidet Fertigprodukte, Zucker, Alkohol, Kaffee
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meidet Milch und Milchprodukte
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meidet je nach Ausprägung Weißmehlprodukte, glutenhaltiges Getreide und/oder die komplette Bandbreite von Getreideprodukten und stärkehaltigem Gemüse
Bildnachweis:
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Obst und Gemüse, Copyright LGL
Literatur
- BMBF. (21. 06 2017). Wenn der Organismus gegen Laktose rebelliert. Von http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/4831.php. abgerufen
- DGE. (20. 12 2011). Essen und Trinken bei Lactoseintoleranz. In: DGE aktuell. Von https://www.dge.de/uploads/media/DGE-Pressemeldung-aktuell-05-2011-Lactoseintoleranz.pdf. abgerufen
- Ernährungs-Umschau (Hrsg.). (2015). WHO - IARC: Mit Evidenz belegt: Konsum von verarbeitetem Fleisch erhöht Krebsrisiko. Ernährungs Umschau, S. M621.
- Glogowski, S. (2017). Ernährungstrend - Pegan: Paleo trifft vegan. Ernährungs Umschau(10), S. M543.
- Lechler, T. (2001). Die Ernährung als Einflussfaktor auf die Evolution des Menschen. Dissertation. Heidelberg.
- Manheimer, E. W., van Zuuren, E. J., Fedorowicz, Z., & Pijl, H. (2015). Paleolithic nutrition for metabolic syndrome: systematic review and meta-analysis. Am J Clin Nutr, 102(4), S. 922-32.
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- Ströhle, A., Behrendt, I., Behrendt, P., & Hahn, A. (2016). Alternative Ernährungsformen Teil 2: Die Paleo-Ernährung – Naturgeschichte trifft moderne Stoffwechselforschung. Aktuel Ernahrungsmed, 41(2), S. 120-138.
- Tabula. (2016). Paleo: Die Steinzeiternährung. tabula, 4, S. 9.
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