Kleidung aus aller Welt – fair für alle?
Von: Stephanie Ertl - VerbraucherService Bayern
In diesem Beitrag finden Sie folgende Inhalte:
- Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der Textilbranche
- Soziale Mindeststandards bei der Herstellung von Kleidung
- Auf dem Weg zu sozialer Verantwortung
- Natur- oder Chemiefasern - welche Faser ist umweltfreundlich?
- Orientierungshilfen beim Kauf
- Verantwortungsvoller Kleiderkauf
- Tipps für Verbraucher
Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in der Textilbranche
Viel, schnell und billig - nach dieser Devise werden weltweit Hosen, Schuhe und T-Shirts hergestellt. Die arbeitsintensiven Schritte der Kleiderproduktion erfolgen heute Großteils in Niedriglohnländern, oft unter Verletzung grundlegender Menschenrechte und internationaler Arbeitsstandards. Unbezahlte Überstunden bei Arbeitszeiten von bis zu 15 Stunden und fehlender Gesundheitsschutz sind üblich, ebenso mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen, Kinderarbeit und Diskriminierung von Arbeiterinnen. Der vielerorts staatlich festgelegte Mindestlohn reicht oft nicht aus, um die Grundbedürfnisse zu decken.
Soziale Mindeststandards bei der Herstellung von Kleidung
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO hat acht so genannte Kernarbeitsnormen entwickelt, die als sozialer Mindeststandard anzusehen sind. Ausgehend von diesen Mindestarbeitsnormen hat die Kampagne für Saubere Kleidung einen exemplarischen Verhaltenskodex (Code of Conduct) erstellt, zu dessen Einhaltung für alle Verarbeitungsstufen der Textilkette sich die Hersteller verpflichten können.
Dieser soziale Mindeststandard beinhaltet folgende Forderungen:
- Verbot von Zwangsarbeit
- Diskriminierungsverbot
- Verbot von Kinderarbeit
- Vereinigungsfreiheit und Recht auf Tarifverhandlungen
- Zahlung existenzsichernder Löhne
- Arbeitszeiten von regelmäßig höchstens 48 Stunden pro Woche
- Arbeits- und Gesundheitsschutz
- Festes Beschäftigungsverhältnis mit Arbeitsvertrag
Auf dem Weg zu sozialer Verantwortung
Die Kampagne für Saubere Kleidung fordert die Einhaltung sozialer Mindeststandards in allen Verarbeitungsschritten der Kleiderproduktion und motiviert Verbraucherinnen und Verbraucher, die Herstellung kritisch zu hinterfragen und sich für fair hergestellte Textilien zu entscheiden. Zwar haben mittlerweile viele Unternehmen einen Verhaltenskodex veröffentlicht, jedoch gehen die Ansätze meist nicht weit genug. Kritisiert werden beispielsweise folgende Schwachstellen:
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Sozialstandards sind nicht streng genug formuliert. Beispielsweise wird meist nur die Zahlung ortsüblicher anstelle existenzsichernder Löhne gefordert.
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Die Einhaltung des Verhaltenskodex wird nicht von unabhängigen Stellen kontrolliert.
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Die Verantwortung für die Umsetzung der Standards wird an die Zulieferbetriebe in Niedriglohnländern weitergegeben.
Unverbindliche Zusagen dienen in erster Linie Marketingzwecken und bewirken in den Fabriken vor Ort wenig. Denn Richtlinien und Arbeitsnormen sind nur so gut wie ihre Kontrolle. Damit es nicht bei leeren Worten bleibt, sind eindeutige und verpflichtende Aussagen sowie unabhängige Kontrollen erforderlich, die bei der Feststellung von Mängeln entsprechende Korrekturmaßnahmen zur Folge haben.
Die Bundesregierung hat im Jahr 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien initiiert. Zu den rund 130 Mitgliedern zählen Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Verbände und Unternehmen. Ziel ist es, Umwelt- und Sozialstandards in der Textilproduktion zu verbessern. Der Ansatz ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch auch hier kritisieren Organisationen wie die Kampagne für Saubere Kleidung den derzeit noch freiwilligen Charakter und fordern mehr Verbindlichkeit.
Im Jahr 2021 wurde in Deutschland das Lieferkettengesetz verabschiedet, welches Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland verpflichtet, für die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten zu sorgen. Im ersten Schritt werden ab 2023 große Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten in die Verantwortung genommen, ab 2024 auch solche mindestens 1.000 Beschäftigten.
Natur- oder Chemiefasern - welche Faser ist umweltfreundlich?
Naturfasern wie Baumwolle, Hanf, Seide, Leinen oder Wolle werden oft als vergleichsweise umweltfreundlich angesehen. Baumwolle - die beliebteste Naturfaser - ist jedoch eine Pflanze, die aufgrund des hohen Wasserbedarfs und des hohen Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln die Umwelt stark belastet. Der Anbau erfolgt meist in Monokulturen und mithilfe künstlicher Bewässerung. Etwa drei Prozent der weltweiten Ackerflächen sind mit Baumwolle bepflanzt, dort werden 25 Prozent der weltweit eingesetzten Insektizide ausgebracht. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gefährdet nicht nur Gewässer, Böden und die Artenvielfalt sondern auch die Gesundheit der Arbeitskräfte.
Dagegen wird beim Bio-Anbau von Baumwolle auf chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel verzichtet. Gentechnisch veränderte Pflanzen kommen nicht zum Einsatz. Textilien aus Bio-Baumwolle sind meist zu erkennen an Formulierungen wie "aus kontrolliert biologischem / ökologischem Anbau" oder "kbA". Über die weitere Verarbeitung sagt dies jedoch nichts aus, denn anders als im Lebensmittelsektor sind die Begriffe „Bio“ oder „Öko“ in Bezug auf Kleidung derzeit nicht geschützt. Hier helfen Gütezeichen, die die Einhaltung von Umweltstandards sowohl beim Anbau als auch bei der Weiterverarbeitung garantieren.
Mehr als die Hälfte der Kleidung wird aus Chemiefasern hergestellt, deren Herstellung überwiegend auf fossilen Rohstoffen basiert. Auch hier wird die Umwelt belastet durch den Einsatz von Energie und Chemikalien, wie beispielsweise Per- und Polyfluorierte Chemikalien bei Outdoortextlien. Zudem gelangen beim Tragen sowie bei der Wäsche feine Kunstfasern in die Umwelt. Diese Mikrofasern können selbst von Kleinstlebewesen aufgenommen werden und in die Nahrungskette gelangen - mit unbekannten Folgen für Mensch und Umwelt. Ein weiterer Nachteil ist, dass die vorherrschenden Mischgewebe mit hohen Anteilen an synthetischen Fasern nicht fürs Recycling geeignet sind.
Auch bei Herstellung von Kunstfasern gibt es umweltschonende Alternativen. Im Rahmen der Detox-Kampagne von Greenpeace beispielsweise verpflichten sich Hersteller, auf bedenkliche Chemikalien zu verzichten.
Orientierungshilfen beim Kauf
Es gibt eine Vielzahl an Labels mit unterschiedlichen Ansprüchen. Die meisten Gütezeichen beurteilen vor allem, ob Kleidung giftfrei und gesundheitsverträglich ist. So auch der weit verbreitete Öko-Tex Standard 100, bei dem lediglich die Gesundheitsverträglichkeit des Endprodukts überprüft wird.
Die ökologischen und/oder sozialen Bedingungen über die gesamte textile Kette, das heißt vom Anbau über die Herstellung bis zur Entsorgung, werden nur bei wenigen Zeichen berücksichtigt.
Folgende Gütezeichen sind aus Umwelt- bzw. sozialer Sicht empfehlenswert:
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„Naturtextil IVN zertifiziert best“ setzt derzeit die strengsten ökologischen und sozialen Standards. Es umfasst die gesamte Produktionskette und kennzeichnet nachhaltig hergestellte Kleidung, die zu 100 Prozent aus biologisch erzeugten Naturfasern bestehen. Für Naturleder gibt es ein entsprechendes Label "Naturleder IVN zertifiziert".
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Global Organic Textile Standard "G.O.T.S." ist ein international etablierter Standard für umweltverträglich hergestellte Kleidung, die zu mindestens 70 Prozent aus Naturfasern besteht. Diese müssen aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft bzw. Tierhaltung und umweltverträglich weiter verarbeitet werden.
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Der Öko-Tex Standard Made in Green beinhaltet Anforderungen an eine umweltfreundliche und sozialverträgliche Produktion. Die Textilien können aus Natur- sowie aus Chemiefasern bestehen und sind zudem schadstoffgeprüft.
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Bluesign steht für umweltschonende und sichere Herstellung und Verarbeitung von Kunst- wie Naturfasern und deckt den Schutz von Arbeiterinnen und Arbeitern beim Umgang mit Chemikalien ab. Es zielt in erster Linie auf eine ressourcenschonende und umweltfreundliche Herstellung.
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Die Fair Wear Foundation fordert die Umsetzung von Sozialstandards, ökologische Kriterien spielen keine Rolle. Die Initiative zeichnet sich durch hohe soziale Anforderungen aus und gilt derzeit als besonders glaubwürdiges Sozialzeichen im Bereich Textilien.
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Das Fairtrade-Zeichen verlangt die Einhaltung von sozialen Standards sowohl bei der Rohstoffproduktion als auch bei der Weiterverarbeitung. Zudem wird eine umweltfreundliche Produktion unterstützt.
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Das staatliche Siegel „Grüner Knopf“ wurde 2019 eingeführt, um ökologisch und fair produzierte Textilien zu kennzeichnen. Als „Übersiegel" kann es in Kombination mit den bereits genannten Siegeln verwendet werden. In der Einführungsphase wurden zunächst nur die Arbeitsschritte "Nähen und Zuschneiden" sowie "Färben und Bleichen" kontrolliert, mit dem im Juli 2022 veröffentlichen Standard 2.0 kommen Anforderungen an die nachhaltige Rohstoffgewinnung hinzu.
Weitere Informationen zu verschiedenen Labels sind z.B. bei Siegelklarheit zu finden.
Verantwortungsvoller Kleiderkauf
Kleidung, die ökologisch und zugleich fair hergestellt wurde, ist derzeit noch ein Nischenprodukt. Doch auch hier gilt: Die Nachfrage schafft das Angebot. Durch unser Konsumverhalten können wir das Warenangebot und dadurch den Markt nachhaltig beeinflussen.
Tipps für Verbraucher/innen
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Vermeiden Sie Fehlkäufe. Lassen Sie sich nicht durch Niedrigstpreise zum schnellen Kauf verleiten. Doch Vorsicht: Ein höherer Preis ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit besseren Arbeitsbedingungen.
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Kaufen Sie bewusst ein. Wählen Sie qualitativ hochwertige Ware, die zu Ihrem Stil passt und tragen Sie diese so lange wie möglich.
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Kaufen Sie möglichst in Läden oder Versandhäusern, die nachhaltig hergestellte Kleidung führen. Eine Übersicht, welche Unternehmen ökologisch und / oder sozialverträglich produzierte Bekleidung anbieten, gibt es u.a. bei EcoTopTen.
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Achten Sie auf Label wie z.B. „Naturtextil IVN zertifiziert best“, „G.O.T.S.“, „Bluesign“, „Fairtrade" oder „Fair Wear Foundation“.
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Achten Sie beim Kleiderkauf auf Faserzusammensetzung, Tragekomfort und Pflegehinweise, damit Sie lange Freude an Ihrer Kleidung haben. Informieren Sie sich vor einem Kauf z.B. mithilfe von Testberichten von Stiftung Warentest und Ökotest.
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Tauschen, leihen & Second-Hand beziehen statt Neukauf. Gebrauchte Textilien sind nicht nur bei Kinderkleidung eine preiswerte und nachhaltige Alternative.
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Wohin mit Altkleidung? Prüfen Sie bei Altkleidersammlungen, ob die Sammelaktion seriös ist. Orientierung gibt das Gütezeichen vom Dachverband Fairwertung. Gut erhaltene Kleidung, die nicht mehr getragen wird, können Sie vielerorts auch bei Wohlfahrtsverbänden abgeben oder in Secondhandläden, auf Flohmärkten bzw. über das Internet weiterverkaufen.
- Abfallratgeber Bayern: Weitervermittlung gebrauchter Kleider durch soziale Einrichtungen
- Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Nachhaltig konsumieren - Textilien und Schuhe
- Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Mode und Textilien
- Christliche Initiative Romero: Grüne Mode & Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie
- Der Nachhaltige Warenkorb – Mode und Pflegeprodukte
- EcoTopTen: Empfehlungen für Kleidung
- Siegelklarheit: Siegel im Textilbereich
- Filmbeiträge: „Was haben meine Klamotten mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu tun?“ (StMUV Bayern) und „Der Preis der Schönheit“ (Umweltbundesamt)
- Kampagne für Saubere Kleidung: Informationen und aktuelle Meldungen
- Greenpeace: DETOX-Kampagne
- VerbraucherService Bayern: Schluss mit Fast Fashion!
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