Sammelklage, Verbandsklage, Abhilfeklage: Wie funktioniert das?
Von: Verbraucherzentrale Bayern
In diesem Beitrag finden Sie:
- Was ist die neue Abhilfeklage?
- Was sind Vorteile dieser Sammelklage?
- Was ist der Unterschied zur Musterfeststellungsklage?
- Was sind die Voraussetzungen eines Sammelklageverfahrens?
- Wie läuft einSammelklageverfahren genau ab?
- Wie kann die Entscheidung des Gerichts aussehen?
- Wie geht es nach dem Urteil weiter?
Was ist die neue Abhilfeklage?
Die Abhilfeklage wird oft auch Verbands- oder Sammelklage genannt. Mit ihr können Verbraucherverbände und Verbraucherzentralen nun Schadensersatz für eine Vielzahl von Verbraucher/-innen gesammelt einklagen. Aber nicht nur Zahlungsansprüche können mit der neuen Klage geltend gemacht werden, sondern beispielsweise auch Ansprüche auf Reparatur, Ersatzlieferung bzw. Umtausch, Preisminderung oder Vertragsauflösung. Verbraucher/-innen müssen nun also nicht mehr selbst klagen, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Vielmehr können sie sich der Klage einfach anschließen, indem sie sich im Klageregister anmelden. Sie tragen dabei kein eigenes Risiko, für die Prozesskosten aufkommen zu müssen (Prozesskostenrisiko).
Mit dem Gesetz zur Abhilfeklage wird eine EU-rechtliche Vorgabe umgesetzt, durch die die Durchsetzung von Verbraucherrechten erleichtert werden soll.
Was sind die Vorteile dieser Sammelklage?
Bislang mussten Verbraucher/-innen selbst vor Gericht ziehen, um ihre Rechte durchzusetzen. Ein großer Vorteil der neuen Klageform ist, dass Betroffene nun nicht mehr selbst klagen müssen, wenn das Problem mindestens 50 Verbraucher betrifft und sich ein klageberechtigter Verband der Sache annimmt.
Verbraucher/-innen können nun einfach einer Sammelklage beitreten, die beispielsweise von einem Verband eingereicht wurde, indem sie sich im Klageregister anmelden. Auf diese Weise können sie direkt eine Entschädigung erhalten. Die Klage ist für Verbraucher/-innen kostenlos.
Ein weiterer Vorteil ist, dass auch sogenannte Streuschäden gesammelt geltend gemacht werden können. Das sind Fälle, in denen der Schaden des Einzelnen zwar sehr gering ist, es jedoch sehr viele Betroffene gibt. Hier sind Klagen von einzelnen Verbraucher/-innen oft nicht sinnvoll, da die Prozesskosten unverhältnismäßig hoch wären.
Darüber hinaus werden die Gerichte durch Sammelklagen entlastet, weil durch die gebündelte Klage die Anzahl der einzelnen Verfahren verringert werden kann.
Was ist der Unterschied zur Musterfeststellungsklage?
Auch mit der Musterfeststellungsklage können die Ansprüche mehrerer Verbraucher/-innen gemeinschaftlich durch einen Verbraucherverband eingeklagt werden. Allerdings werden bei einem Musterfeststellungsurteil nur die wesentlichen Voraussetzungen der Ansprüche verbindlich festgestellt. Die eigentliche Leistung wird nicht sofort zugesprochen. Wenn kein allgemeingültiger Vergleich vereinbart wird, müssen Verbraucher/-innen ihre Ansprüche daher eventuell immer noch individuell durchsetzen. Das ändert sich nun durch die Abhilfeklage, mit der die Leistung, also beispielsweise eine Geldzahlung, direkt eingeklagt werden kann.
Was sind die Voraussetzungen eines Abhilfeklageverfahrens?
Die Abhilfeklage kann von qualifizierten Verbraucherverbänden, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, erhoben werden. Das Bundesamt für Justiz führt hierzu eine Liste mit Einrichtungen, die diese Voraussetzungen erfüllen und damit ein solches Verfahren führen können. Einzelne Verbraucher/-innen können keine Sammelklage erheben.
Damit Betroffene ihre Ansprüche gemeinsam gerichtlich einklagen können, muss es sich immer um gleichartige Leistungsansprüche handeln. Das bedeutet, dass die Ansprüche auf demselben Sachverhalt beruhen müssen.
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn alle Beteiligten von der gleichen Flugannullierung betroffen sind oder eine Bank von all ihren Kund/-innen für dieselbe Nebenleistung Gebühren verlangt, die möglicherweise unzulässig sind.
Außerdem müssen die Fälle die gleichen Rechtsfragen betreffen.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass mindestens 50 Verbraucher/-innen betroffen sind.
Wie läuft ein Abhilfeklageverfahren genau ab?
Wird eine Abhilfeklage, die alle Voraussetzungen erfüllt, erhoben, eröffnet das Bundesamt für Justiz das Klageregister. Verbraucher/-innen, die sich der Klage anschließen möchten, können sich durch eine Eintragung in das Register anmelden. Die Anmeldung ist kostenlos und muss mindestens in Textform erfolgen. Das Bundesamt für Justiz stellt auf seiner Webseite Online-Formulare und Ausfüllhilfen für die jeweilige Klage zur Verfügung.
Verbraucher/-innen haben bis zum Ablauf von 3 Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Zeit, sich einzutragen. Danach ist eine Beteiligung an der Klage nicht mehr möglich. Auch eine Abmeldung bzw. Rücknahme der Eintragung muss innerhalb dieser Frist erfolgen.
Wichtig zu wissen: Wer seinen Anspruch im Klageregister angemeldet hat und die Anmeldung nicht rechtzeitig zurücknimmt, ist an das weitere Verfahren gebunden. Das bedeutet, dass keine eigene Klage gegen das Unternehmen erhoben werden kann.
Die Erhebung der Klage führt dazu, dass die Verjährung der Ansprüche der wirksam eingetragenen Verbraucher/-innen "gehemmt" wird. Das bedeutet, dass die eingeklagten Ansprüche während der Zeit des Verfahrens nicht verjähren können.
Wie kann die Entscheidung des Gerichts aussehen?
Die Entscheidung des Gerichts ist bei der Abhilfeklage dreistufig aufgebaut.
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In einem ersten Schritt erlässt das Gericht ein Abhilfegrundurteil, wenn es die Klage für berechtigt hält. Darin wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die betroffenen Verbraucher/-innen einen Anspruch haben sowie welchen Betrag die Betroffenen erhalten und wie er berechnet wird.
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Nach dem Abhilfegrundurteil haben die Parteien in einem zweiten Schritt die Möglichkeit, einen Vergleich bezüglich der Umsetzung zu schließen.
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Kommt kein Vergleich zustande, erlässt das Gericht im dritten Schritt ein weiteres Urteil, das sogenannte Abhilfeendurteil. Für die Umsetzung werden sodann sog. Sachverwalter/-innen eingesetzt. Sie verteilen das Geld nach den Vorgaben des Endurteils an die Personen, die sich über das Klageregister angemeldet haben.
Wie geht es nach dem Urteil weiter?
Für die Umsetzung des Urteils werden sodann sog. Sachwalter/-innen eingesetzt.
Sie prüfen zunächst die Anspruchsberechtigung aller eingetragenen Verbraucher/-innen. Sollte es für die Prüfung erforderlich sein, können sie auch noch die Vorlage von Nachweisen z. B. Vertragsunterlagen, Rechnungen oder Kommunikation mit dem Unternehmen von den beteiligten Verbraucher/-innen innerhalb einer bestimmten Frist verlangen.
Liegen alle Nachweise vor, verteilen sie das Geld in entsprechender Höhe nach den Vorgaben des Endurteils an die Personen, die sich über das Klageregister angemeldet haben und deren Ansprüche sie für berechtigt halten.
Wird der Anspruch einzelner am Verfahren beteiligter Verbraucher/-innen im Umsetzungsverfahren abgelehnt, können diese innerhalb von vier Wochen Widerspruch bei den Sachwalter/-innen einlegen. Wird der Widerspruch zurückgewiesen, besteht die Möglichkeit, innerhalb weiterer zwei Wochen eine gerichtliche Entscheidung über den Widerspruch beim Prozessgericht zu beantragen. Gegen die Entscheidung des Gerichts steht sodann keine weitere Beschwerdemöglichkeit mehr zur Verfügung, sie ist unanfechtbar.
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