Daten Verstorbener im Internet: Regelung des digitalen Nachlasses
Von: Verbraucherzentrale Bayern
In diesem Beitrag finden Sie
- "Digitaler Nachlass" - Problem für die Nachkommen?
- Wem gehören die Daten nach dem Tod?
- Wo finden sich Daten?
- Daten und Profile löschen lassen oder verändern
- Vorsorge zu Lebzeiten treffen
- Gewerbliche Anbieter zur digitalen Nachlassregelung?
"Digitaler Nachlass" - Problem für die Nachkommen?
Das Internet lebt heute mehr und mehr davon, dass die Nutzerinnen und Nutzer „mitmachen“, d.h. sich einbringen und das Netz selbst mitgestalten. Entsprechend mehr Daten geben sie heute freiwillig von sich preis. Es werden Profile angelegt, Blogs, Homepages und E-Mail-Accounts eingerichtet, Nachrichten verschickt, Bewertungen abgegeben, Fotoalben hochgeladen und Empfehlungen ausgesprochen. Die Folge ist, dass eine Vielzahl von Daten über jeden Einzelnen im Netz herumschwirrt – und zwar oftmals so viele, dass man mit der Zeit den Überblick verliert, wo man was genau eingegeben hat. Umso schwerer wird es dann für die Nachkommen, die Postfächer und Profile einer verstorbenen Person überhaupt erst zu finden. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Schutz der Daten eines Menschen in der Regel mit dessen Tod endet. Das heißt, dass die Daten ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr den Datenschutzgesetzen unterfallen. Auch könnten sich Hinweise zu Erbangelegenheiten oder zu Guthaben, zu laufenden Verträgen oder sonstigen Verpflichtungen im digitalen Nachlass finden.
Profile und Zugänge sollten daher umgehend kontrolliert und gelöscht oder wenigstens auf ein Minimum reduziert werden.
Wem gehören die Daten nach dem Tod?
Grundsätzlich gehören neben Nutzerprofilen und -konten sämtliche digitalisierte Rechtspositionen wie z.B. PayPal- oder Bitcoin-Guthaben, E-Books, heruntergeladene Musikstücke, Nutzungsrechte an Software und Verträge mit anderen Netzdiensten (z.B. Streamingdienste wie Netflix, Spotify etc.) zum digitalen Nachlass.
Dies ist inzwischen auch höchstrichterlich bestätigt. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12. Juli 2018 (BGH III ZR 183/17 ) unter anderem entschieden, dass digitale Inhalte erbrechtlich nicht anders zu behandeln sind als analoge Dokumente wie zum Beispiel Briefe. Des Weiteren sollen auch Verträge mit Netzdiensten auf Erbinnen und Erben übergehen.
Einige Internetplattformen verweigerten unter Verweis auf das Telekommunikationsgeheimnis selbst den rechtmäßigen Erbinnen und Erben den Zugang zu den Daten der verstorbenen Person. Mit der Begründung, die Kommunikationspartnerin oder der Kommunikationspartner der verstorbenen Person genieße nach wie vor den in § 3 TDDDG (vormals in § 88 Telekommunikationsgesetz geregelt) garantierten Schutz durch den Anbieter oder die Anbieterin. Auch hierzu hat der Bundesgerichtshof in der oben genannten Entscheidung Stellung genommen und entschieden, dass das Fernmeldegeheimnis weder die verstorbene Person noch seine Kommunikationspartnerinnen und -partner davor schützte, dassErbinnen und Erben vom Inhalt des Benutzerkontos Kenntnis erhalten.
Mittlerweile ist dies auch gesetzlich in § 4 TDDDG des (Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes) verankert:
Anbieter von E-Mail-Diensten oder sozialen Netzwerken dürfen den Erbinnen und Erben nicht mehr mit Verweis auf das Fernmeldegeheimnis den Zugang zu Konten des Erblassers verweigern. Deren Nutzerprofile und –konten gehören folglich den Erbinnen und Erben.
Sie können bei den Anbietern neue Passwörter und sonstige Zugangsdaten anfordern. Das Zugangsrecht wurde vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 27. August 2020 (BGH III ZB 30/20) gestärkt. Betreibende von sozialen Netzwerken dürfen den Erbinnen und Erben demzufolge nicht bloß die relevanten Daten auf einem USB-Stick zur Verfügung stellen, sondern müssen tatsächlichen Zugang zum Benutzerkonto der Person verschaffen, sodass Erbinnen und Erben sich darin "bewegen" können.
Das gleiche gilt für Guthaben, die die verstorbene Person zum Beispiel bei PayPal oder Online-Gaming-Portalen hatte. Erbinnen und Erben können hier verlangen, dass diese Guthaben – soweit das möglich ist - an sie ausbezahlt werden. Wenn die Erbschaft angetreten wurde, gehen aber auch Verpflichtungen etwa aus Verträgen auf die Erbinnen und Erben unmittelbar über. Das heißt, dass diese Verträge schnellstmöglich gefunden und gegebenenfalls beendet werden müssen.
Wo finden sich Daten?
Das erste Problem, das sich in der Regel stellt, ist, dass die Angehörigen meist nicht genau wissen, wo die verstorbene Person überall registriert war, in welchen Netzwerken sie aktiv war und wo sie Verträge abgeschlossen hat. Zunächst sollten sich Angehörige von Verstorbenen daher ein Bild darüber machen, welche Daten sich von der Person im Netz finden lassen.
Der erste Schritt sollte dabei sein, den vollständigen Namen der verstorbenen Person in die Eingabemaske einer Suchmaschine einzugeben.
Genauere Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn man den Vor- und Nachnamen in Anführungszeichen setzt (zum Beispiel „Felix Mustermann“), dann filtert die Suchmaschine von sich aus einige unzutreffende Ergebnisse aus.
Darüber hinaus empfiehlt es sich, zum Beispiel bei häufig vorkommenden Namen, noch weitere Suchbegriffe alternierend hinzuzufügen. In Frage kommen hier etwa der Wohnort oder bestimmte Hobbys der verstorbenen Person.
Mithilfe einer Suchmaschine lassen sich erste Erkenntnisse erzielen, wo die verstorbene Person überall Daten hinterlegt beziehungsweise eingestellt haben könnte. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass
- eine Suchmaschine nicht alle Daten über eine Person zu finden imstande ist, das gilt vor allem für E-Mail-Accounts,
- viele der von einer Suchmaschine ermittelten Datensätze mehrfach angezeigt werden, obwohl der Datensatz nur einmal existiert. Das liegt vor allem daran, dass bestimmte Informationsdienste wie zum Beispiel Radaris oder 123people nur den an einer anderen Stelle gefundenen Datensatz – sozusagen auf einer Metaebene – widerspiegeln.
In einem weiteren Schritt sollte man sich überlegen, welche E-Mail-Accounts oder weiteren Profile einem bekannt sind. Hat die verstorbene Person zum Beispiel von bestimmten Foren gesprochen oder ist bekannt, dass sie besondere Netzwerke genutzt hat? Hier empfiehlt es sich auch, Bekannte der betroffenen Person, die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber oder Kolleginnen und Kollegen zu befragen. Jeder Hinweis kann hier hilfreich sein, denn vor allem dann, wenn der oder die Verstorbene im Einzelfall nicht ihren oder seinen Realnamen benutzt hat oder es mehrere „passende“ Profile zu geben scheint, kann die Suche extrem langwierig und aufwändig sein.
Daten und Profile löschen lassen oder verändern
Hat man alle Profile und Mail-Accounts ermittelt, sollte man die Daten löschen oder wenigstens verändern.
Nur Erbende können die hierfür notwendigen Anträge stellen. Wurde kein rechtsgültiges Testament hinterlassen, treten die gesetzlichen Erbinnen und Erben in die Rechtsstellung der verstorbenen Person ein.
Gesetzliche Vorgaben, wie genau Anbieterinnen und Anbieter mit den Profilen oder Daten Verstorbener umzugehen haben, gibt es nicht. Den meisten genügt der Erbschein als Legitimation. Sie ermöglichen Erbenden dann den Zugang zu Nutzerkonten und Profilen. Der Erbe oder die Erbin kann dann mit den Profilen wie eine Eigentümerin oder ein Eigentümer verfahren und es zum Beispiel löschen. In einigen Fällen, etwa bei Facebook, gibt es auch die Möglichkeit, das Profil in einen "Gedenkstatus" zu versetzen und so das Profil in der Form zum Gedenken an die verstorbene Person weiter existieren zu lassen.
Man sollte sich in jedem Fall vorsorglich darauf einstellen, dass unter Umständen auch unangenehme Erkenntnisse durch das Öffnen von Nutzerkonten und Profilen zu Tage treten können. Schließlich hat die Person das Profil oder das Konto in der Regel in der Gewissheit eingerichtet, dass nur er bzw. sie darauf Zugriff hat.
Ebenso problematisch kann es sein, wenn etwa vertrauliche Informationen über Dritte wie zum Beispiel über die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber in den Profilen zu finden sind. In diesem Fall sollte man schnellstmöglich das Gespräch mit der betroffenen dritten Person suchen.
Vorsorge zu Lebzeiten treffen
Daten sind in der heutigen Zeit ein wichtiges und schützenswertes Gut. Entsprechend sollte man bereits zu Lebzeiten festlegen, was mit ihnen nach dem eigenen Ableben geschehen soll.
Man spricht in diesem Fall von einer „digitalen Vorsorgevollmacht“, die regelt, wer zu welchen Profilen und Konten Zugang bekommen soll und welche Daten wie lange öffentlich zugänglich bleiben sollen. In dieser Vollmacht sollten selbstverständlich die Konten und Profile aufgelistet sein und da an dieser Stelle auch die Zugangsdaten nicht fehlen dürfen, muss diese „digitale Vorsorgevollmacht“ natürlich auch an einem sicheren Ort – am besten bei einer Notarin oder einem Notar - hinterlegt werden.
Gewerbliche Anbieter zur digitalen Nachlassregelung
Natürlich gibt es auch gewerbliche Anbieter, die Nachkommen bei der Suche und der Löschung der Daten einer verstorbenen Person unterstützen. Dies in Anspruch zu nehmen empfiehlt sich vor allem dann, wenn die Angehörigen selbst nicht über das notwendige Know-how verfügen oder keine Zeit haben, die oft aufwändigen Recherchen zu betreiben. Der Leistungsaufwand und die damit verbundenen Kosten sollten jedoch zwingend im Vorfeld geklärt werden. Und muss man sich bewusst machen, dass diese Dienstleister dann auch Zugriff auf möglicherweise sehr persönliche Daten bekommen.
- Facebook, Kontaktformular für die Löschung des Kontos einer verstorbenen Person
- Instagram, Kontaktformular für die Löschung des Kontos einer verstorbenen Person
- Google-Konten, Beantragung des Zugriffs auf das Konto einer verstorbenen Person:
https://support.google.com/accounts/answer/2842525?hl=de
Google bietet mit dem Kontoinaktivitäts-Manager seinen Nutzerinnen und Nutzern eine individuelle Verwaltung des eigenen digitalen Nachlasses an. - Artikel der Verbraucherzentrale: Digitale Vorsorge, digitaler Nachlass: Was passiert mit meinen Daten? (mit Musterliste und Muster-Vollmacht)
- X, Account-Deaktivierungsanfrage
- Studie zur Lage der digitalen Gesellschaft: D21-Digital-Index
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