Wohn- und Betreuungsvertrag für ein Senioren- oder Pflegeheim: Was ist zu beachten?
Von: Andrea Estermeier - Verbraucherservice Bayern im KDFB e. V.
In diesem Beitrag finden Sie
- Die Suche nach der richtigen Pflegeeinrichtung
- Der Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) als rechtliche Grundlage
- Wichtige Regelungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes
- Beratung
- Streitbeilegung
Wenn die Kräfte nachlassen, kann der Alltag schnell zur Belastung werden. Für viele Senior/-innen, die medizinische und pflegerische Hilfe benötigen, ist der Umzug in eine Pflegeeinrichtung die einzige Möglichkeit, ihren Bedürfnissen entsprechend versorgt zu werden. Viele schieben diese Entscheidung so lange wie möglich hinaus, weil sie aus vielerlei Gründen lieber in ihrem vertrauten Zuhause bleiben würden. Doch es ist wichtig, sich frühzeitig zu informieren und den Wohn- und Betreuungsvertrag aufmerksam zu prüfen.
Die Suche nach dem richtigen Heim
Informieren Sie sich frühzeitig! Für gute Pflegeeinrichtungen muss man zum Teil lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Nehmen Sie sich Zeit für die Suche nach einer Einrichtung, die Ihnen oder Ihren Angehörigen gefällt, und überlegen Sie genau, welche Anforderungen diese erfüllen muss. Informationsmaterialien, Gesprächs- und Besichtigungstermine sowie die Möglichkeit zum Probewohnen helfen Ihnen ebenso, eine qualifizierte Vorauswahl zu treffen, wie beispielsweise Pflegenoten.
Mit dem „Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) wurde die Möglichkeit geschaffen, die Leistungen der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen sowie deren Qualität für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar im Internet sowie in anderer geeigneter Form zugänglich zu machen. Das bisherige Schulnotenystem wurde zum 01.09.2019 durch ein überarbeitetes System ersetzt. Alle Pflegeheime in Deutschland werden regelmäßig im Abstand von höchstens einem Jahr unangemeldet geprüft. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.pflegenoten.de.
Die Berichte werden im Internet u.a. auf den Websites der Krankenkassen veröffentlicht:
AOK
Verband der Ersatzkassen
BKK
Knappschaft
Das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) als rechtliche Grundlage
Das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz gilt für Verträge, in denen sich der/die Unternehmer/-in vertraglich zur Überlassung von Wohnraum und zum Erbringen von Pflege- oder Betreuungsleistungen verpflichtet. Das Gesetz ist ein Verbraucherschutzgesetz. Daher spricht das Gesetz auch nicht von Bewohner/-innen, sondern von „Verbraucher/-innen“, wie es auch auf der anderen Seite nicht Träger/-in oder Anbieter/-in heißt, sondern „Unternehmer/-in“.
Damit das Gesetz greift, muss es sich um einen Vertrag zwischen einem/einer volljährigen Verbraucher/-in (zum Beispiel älterer Mensch mit Pflegebedarf) und einem/einer Unternehmer/-in (zum Beispiel die Pflegeeinrichtung) handeln. Vertragsgegenstand muss das Überlassen von Wohnraum, verbunden mit Pflege- oder Betreuungsleistungen, sein. Dabei ist es unerheblich, ob die Pflege- oder Betreuungsleistungen nach den vertraglichen Vereinbarungen bereits zur Verfügung gestellt oder nur vorgehalten werden. Erfasst werden nicht nur die herkömmlichen Formen stationärer Pflege und Betreuung, sondern auch neue ambulant betreute Wohnformen.
Bei der Prüfung des Vertrages gibt es viele verschiedene Punkte zu beachten.
Wichtige Regelungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes
Vorvertragliche Informationen
Wenn eine Einrichtung in die engere Wahl kommt, muss Ihnen der/die Anbieter/-in (also beispielsweise ein Pflegeheim) eine Reihe schriftlicher Informationen über sein Angebot geben (sog. vorvertragliche Informationen). Diese müssen in leicht verständlicher Sprache geschrieben sein. Dazu zählen zum Beispiel die Lage und Ausstattung der Einrichtung, die Ergebnisse von Prüfungen der Pflegekassen und der Wohn-Pflege-Aufsicht, die detaillierte Beschreibung des für Sie in Frage kommenden Wohnraums, Pflege- und Betreuungsleistungen, die Verpflegung (Mahlzeiten), das Konzept der Einrichtung, ein eventueller Ausschluss von Leistungen und natürlich die Kosten für die einzelnen Leistungen und die Gesamtkosten.
Vertrag
Im Vertrag müssen noch einmal die einzelnen Leistungen beschrieben werden, die Sie erhalten (Wohnraum, Pflege- und Betreuungsleistungen sowie Verpflegung). Und es müssen die Kosten für die einzelnen Leistungen und die Gesamtkosten angegeben werden.
In bestimmten Fällen kann im Vertrag vereinbart werden, dass Verbraucher/-innen eine Geldsumme als Sicherheit hinterlegen muss, ähnlich einer Mietkaution.
Der Vertrag muss schriftlich abgeschlossen werden. Der Unternehmer muss Ihnen eine Ausfertigung des Vertrages aushändigen. In der Regel wird der Vertrag unbefristet geschlossen.
Eine Erhöhung der Preise ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Will der/die Unternehmer/-in das Entgelt einseitig erhöhen, muss er Ihnen dies schriftlich ankündigen und – so wurde in verschiedenen Gerichtsverfahren geurteilt - um Zustimmung bitten. Eine Änderung des Pflege- und Betreuungsbedarfs kann eine einseitige Erhöhung des Preises rechtfertigen. Die Ankündigung muss spätestens vier Wochen vor dem Tag erfolgen, ab dem Sie das höhere Entgelt zahlen sollen.
Der Wohn- oder Betreuungsvertrag endet, wenn ein befristeter Vertrag (zum Beispiel ein Vertrag über Kurzzeitpflege) ausläuft, wenn der/die Verbraucher/-in verstirbt oder wenn der/die Verbraucher/-in den Vertrag schriftlich zum Monatsende kündigt (ordentliche Kündigung). Sie können den Vertrag zu jeder Zeit und ohne eine Frist kündigen, wenn ein wichtiger Grund besteht (außerordentliche Kündigung). Ein wichtiger Grund ist zum Beispiel gegeben, wenn schwere Pflegefehler vorkommen.
Der/die Unternehmer/-in kann den Vertrag nur aus wichtigem Grund schriftlich kündigen. Er kann einen Vertrag immer nur dann kündigen, wenn es ihm nicht zuzumuten ist, ihn fortzusetzen (zum Beispiel wenn er den Betrieb der Einrichtung einstellt).
Leistungen
Der/die Unternehmer/-in muss die Pflege und Betreuung erbringen, die Sie benötigen. Sollten Sie im Laufe der Zeit mehr oder auch weniger Betreuung brauchen, muss der/die Unternehmer/-in Ihnen anbieten, die Leistungen anzupassen. Leistet der/die Unternehmer/-inb nicht, was im Vertrag vereinbart wurde, haben Sie das Recht, das Entgelt zu kürzen.
Beratung zu Wohnangeboten im Alter
Lassen Sie sich beraten! Verbraucherverbände oder die Bundesinteressenvertretung der Nutzer/-innen von Wohn- und Betreuungsangeboten im Alter und bei Behinderung e.V. bieten Hilfe bei der Prüfung eines Heimvertrags.
Streitbeilegung für Bewohner/-innen von Wohn- und Betreuungseinrichtungen
Bei Rechtsstreitigkeiten besteht für Verbraucher/-innen seit dem 1. April 2016 auf Grundlage des neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes die Möglichkeit, sich an die „Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e. V.“ mit Sitz in Kehl zu wenden. Bewohner/-innen einer Wohn- und Betreuungseinrichtung können somit selbst ein Streitbeilegungsverfahren mit dem Träger der Einrichtung als Alternative zum Rechtsweg durchführen.
- Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung – was jeder wissen sollte
- Die Bundesinteressenvertretung der Nutzerinnen und Nutzer von Wohn- und Betreuungsangeboten im Alter und bei Behinderung e.V. (Tel. 0228/909048-44) berät bei der Prüfung eines Heimvertrags.
- Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e.V.
- Informationen zum Thema Pflege erhalten Sie beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.
- Unter dem Punkt „Pflege im Heim“ informiert die Verbraucherzentrale Bayern über Aspekte wie „Leistungen im Heim“, „Kosten im Heim“ oder „Pflegeheim: Tipps für die Suche nach der passenden Einrichtung“
- Pflegenoten (Portal des Spitzenverbands Pflegenoten über die Transparenzberichte)
- So finden Sie das passende Pflegeheim (von den Verbraucherzentralen)
- Heimverzeichnis: Bundesweite Datenbank über Pflegeheime
-
Kostenpflichtige Angebote/Buchtipps:
Schnelle Hilfe im Pflegefall. Stiftung Warentest, 16,90 Euro, 160 Seiten
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
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