Chemikalienhandel im Internet
Autor: Simon Scheller - Regierung von Unterfranken - Gewerbeaufsicht
In diesem Beitrag finden Sie
- Das digitale Zeitalter und seine Gefahren
- Abgabebestimmungen für Chemikalien
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Überwachung des Internethandels mit Chemikalien in Deutschland
- Ergebnisse der Überwachung
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Präventive Maßnahmen
- Wie gestalte ich meinen Internetauftritt gesetzeskonform?
- Hilfestellung für Käufer und Verkäufer in Ebay
- Europaweite Überwachung des Chemikalienhandels im Internet
Das digitale Zeitalter und seine Gefahren
Immer breitere Bevölkerungsschichten nutzen das Internet zum schnellen Informationsaustausch und zum Handel mit den unterschiedlichsten Produkten.
Seit Jahren ist zu beobachten, dass auch mit chemischen Stoffen ein zunehmender Online-Handel stattfindet.
Viele Chemikalien können bereits in geringen Mengen die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt stark gefährden oder es können aus ihnen gefährliche Sprengstoffe hergestellt werden. Aus diesem Grund ist der Verkauf einiger besonders gefährlicher Chemikalien inzwischen europaweit verboten. Andere gefährliche Chemikalien dürfen in Deutschland entweder überhaupt nicht oder nur mit strengen Auflagen über das Internet verkauft werden.
Die nachfolgenden Beispiele zeigen auf, wie gefährlich es ist, wenn Chemikalien in die falschen Hände gelangen:
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Ein Mann aus Bayern sprengte sich vor einigen Jahren bei der Herstellung von Sprengstoff in seinem Keller selbst in die Luft.
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Kinder erzeugten im Herbst 2007 in Göttingen eine Giftgaswolke beim Umgang mit einem Wühlmausbegasungsmittel.
Nachfolgend werden kurz die wichtigsten Verbote und Abgabebeschränkungen aufgeführt.
Abgabebestimmungen für Chemikalien:
Abgabeverbote bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse sind zum größten Teil im Anhang XVII der europäischen Chemikalien-Verordnung REACH geregelt.
So ist das Inverkehrbringen/Verkaufen von u.a. folgenden Produkte grundsätzlich bzw. an die breite Öffentlichkeit (Privatpersonen) verboten:
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Asbestfasern und Erzeugnisse, die diese Fasern enthalten. In folgenden Produkten, die vor 1992 hergestellt wurden, kann häufig Asbest enthalten sein: Öfen, elektrische Heizgeräte, Asbestzementprodukte wie bspw. Asbestzementplatten, Wellasbestplatten, “alte Eternit-Platten“, Fassadenplatten, Wandverschalungen, Blumen- und Balkonkästen, Kupplungs- und Bremsbeläge sowie Asbestschnüre und asbesthaltige Dichtungen.
Weitere Informationen zu Asbest finden Sie in unserem Artikel "Der Gefahrstoff Asbest". -
Produkte mit mehr als 0,1 Gewichts-% Chloroform. So mussten in den letzten Jahren u.a. zahlreiche Sekunden-, Universal- und Nagelkleber, die mit bis zu 60% Chloroform verunreinigt waren aus dem Verkehr gezogen werden.
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Krebserzeugend, mutagen (erbgutverändernd) oder reproduktionstoxisch wirkende Chemikalien sowie Chemikaliengemische (Kategorien 1a/1b) wie z.B. Quecksilber, Borax, Phenolphthalein, Cobalt-, Nickel - , Blei- oder Dichromatverbindungen.
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Toluol als Stoff oder in Gemischen in Konzentrationen von ≥ 0,1 Gew.-% in Klebstoffen und Farbsprühdosen.
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Diverse Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK, Grenzwert 1 mg/kg) in Erzeugnisse (z.B. Sportgeräte, Werkzeuge, Haushaltsgeräte), wenn einer ihrer Kunststoffbestandteile länger oder wiederholt für kurze Zeit mit der menschlichen Haut in Berührung kommt.
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Dichlormethan (< 0,1 Gew.-%) in Farbabbeizern.
Weitere Beschränkungen des Anhanges XVII der REACH - VO finden Sie hier.
Der Versandhandel mit bestimmten gefährlichen Stoffen und Gemischen ist an Privatpersonen nicht erlaubt!
In der Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) werden unter anderem die Abgaberegeln für bestimmte Stoffe, Gemische und Erzeugnisse aufgeführt. Für den Online-Handel ist besonders das Versandhandelsverbot von bestimmten gefährlichen Stoffen und Gemischen bei der Abgabe an Privatpersonen von Bedeutung.
So dürfen Chemikalien, die mit dem Gefahrenpiktogramm GHS06 (s. Abb. 1) gekennzeichnet sind, ausschließlich an Wiederverkäufer, berufsmäßige Verwender und öffentliche Forschungs-, Untersuchungs- und Lehranstalten versandt werden. Ein Versand an Privatpersonen ist somit ausgeschlossen.
Abbildung 1: Gefahrstoffpiktogramm GHS06 (Totenkopf mit gekreuzten Knochen)
Ist eine Chemikalie mit dem Gefahrenpiktogramm GHS08 (s. Abb. 2) gekennzeichnet, greift das Versandhandelsverbot an Privatpersonen dann, wenn die Chemikalie auch mit dem Signalwort "Gefahr" und einer der in Abbildung 3 genannten Gefahrenhinweise zu kennzeichnen ist.
Abbildung 2: Gefahrstoffpiktogramm GHS08 (Gesundheitsgefahr)
Abbildung 3: Gefahrenhinweise, bei denen das Versandhandelsverbot bei der Abgabe an Private greift
Überwachung des Internethandels mit Chemikalien
Die bisherigen Erkenntnisse aus der Überwachung des Chemikalienhandels im Internet zeigen, dass das Internet von vielen Usern vielfach als rechtsfreier Raum angesehen wird, in dem die verschiedensten chemischen Produkte angeboten und bestellt werden können. Viele Internetnutzer wissen nicht oder missachten wissentlich, dass der Verkauf der oben genannten Chemikalien über das Internet eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat darstellt.
Die dezentrale Struktur der Internetanbieter sowie die zunächst nur „virtuell“ vorhandene Ware bewirken, dass einer wirksamen behördlichen Kontrolle des Chemikalienhandels im Internet mit einer länderbezogenen Überwachung durch örtlich zuständige Behörden alleine nicht mehr zu begegnen ist.
Um dieser neuen Herausforderung an den Umwelt- und Verbraucherschutz begegnen zu können, mussten neue Strategien und Methoden zur Überwachung der chemikalienrechtlichen Vorschriften beim Internethandel gefunden werden. Da das Internet ständigen Änderungen unterworfen ist, müssen diese Strategien und Methoden flexibel an die Bedingungen im Internet angepasst und weiterentwickelt werden.
Ab 2004 entwickelten die Regierung der Oberpfalz gemeinsam mit dem Umweltministerium NRW Verfahren und Strategien zur Überwachung des Internethandels mit Chemikalien. Inzwischen gibt es einen freiwilligen Behördenverbund, der den Internethandel mit Chemikalien im Auftrag der BLAC (Bund/Länder- Arbeitsgemeinschschaft Chemikaliensicherheit) bundesweit überwacht. Im Rahmen des Projektes werden momentan bundesweit Auktionshäuser und Internethändler auf unzulässige Angebote überprüft. Die Überwachungsschwerpunkte werden aufgrund der aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnissen, weiteren Erfahrungen aus dem chemikalienrechtlichen Vollzug sowie einzelnen Hinweisen von Vollzugsbeamten und von Firmen kontinuierlich erweitert.
Das Überwachungsverfahren gestaltet sich zurzeit wie folgt:
Bei Internetshops, die Stoffe anbieten, für die die Abgabebestimmungen z.B. der ChemVerbotsV bzw. der REACH-Verordnung zu beachten sind, prüft der Bearbeiter die Angaben im Internetangebot und führt ggf. einen Bestellvorgang bis zum letzten Schritt „Bestellung abschicken“ durch. Bei Shops, bei denen vor dem Onlinekauf eine Registrierung notwendig ist, wird auch diese durchgeführt. Falls die notwendigen Nachweise wie Altersnachweis, Gewerbeschein, Verwendungszweck beim Bestellvorgang und/oder der Registrierung nicht abgefragt werden, wird das Angebot an die für den Shop zuständige oberste Landesbehörden für Chemikaliensicherheit oder an eine andere hierfür benannte Länderbehörde weitergeleitet.
Auf Internetplattformen wird bei eindeutig unzulässigen Angeboten z.B. bei Verboten nach REACH die sofortige Löschung veranlasst und damit ein Verkauf verhindert. Gleichzeitig wird die Adresse der Anbieter ermittelt und der Vorgang zur weiteren Verfolgung des Verstoßes an die obersten Landesbehörden für Chemikaliensicherheit oder eine andere hierfür benannte Länderbehörde weitergeleitet. Bei zweifelhaften Angeboten, deren Löschung nicht sofort veranlasst werden kann, wird der Verstoß mit der Adresse des Anbieters ebenfalls an die zuständige Behörde weitergeleitet.
Ergebnisse der Überwachung des Chemikalienhandels im Internet
Die nachfolgende Tabelle zeigt, wie viele unzulässige Angebote im Rahmen des Internetüber-wachungsprojektes seit den Anfängen im Jahr 2004 bisher gefunden und beanstandet wurden:
Tabellle: Anzahl der gefundenen Angebote
Weitere Ergebnisse der Internetüberwachung finden Sie auf der Seite des BLAC.
Präventive Maßnahmen:
Das Projekt beschränkt sich aber nicht nur auf die Verfolgung und Ahndung einzelner Verstöße sondern ist auch präventiv ausgerichtet.
1. Wie gestalte ich meinen Internetauftritt gesetzeskonform - Gute Internetpraxis (GIP)?
Im Rahmen des Projektes wird parallel klein- und mittelständigen Unternehmen Unterstützung angeboten, den Internethandel seriös abzuwickeln bzw. fachkundig zu überwachen. Abhängig vom Gefahrenpotenzial der Chemikalie, deren Verwendungszweck und Abnehmer sind gesetzliche Vorgaben, die in verschiedenen nationalen und europäischen Regelwerken abgebildet sind, zu berücksichtigen.
Zu diesem Zweck wurde federführend von Fr. Dr. Brandt vom Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt der Leitfaden „Gute Internetpraxis für den Chemikalienhandel“ entwickelt.
Der Leitfaden folgt dem natürlichen Workflow. Auf allgemein verständliche Formulierungen wurde besonderer Wert gelegt. Der Nutzer entscheidet zuerst anhand eines Ablaufschemas, welche der Grundsätze von 1 bis 6 für seine Stoffe im Internethandel zu berücksichtigen sind. Als Auswahlkriterien dienen die Gefahrenmerkmale der Stoffe, die auf der Verpackung deklariert sein müssen. Je gefährlicher die Stoffeigenschaften, desto mehr erhöht sich die Zahl der zu berücksichtigenden Regeln. Der Leitfaden führt im Anschluss die Grundsätze im Einzelnen auf. Dazu zählen die Voraussetzungen zur Stoffabgabe an private oder nur gewerbliche Kunden, Zusatz- oder Ausnahmeregelungen für bestimmte Stoffe usw. Im einfachsten Fall reicht die Einhaltung von Grundsatz 1 aus, d.h. lediglich die Gefahreneigenschaften des Stoffes bzw. des Gemisches sind auf der Homepage zu zeigen.
Soweit empfehlenswert, werden Mustertexte für die Homepage vorgeschlagen und praktische Hinweise gegeben, z.B. über sichere Verfahren zur Feststellung der Volljährigkeit des Kunden.
Die juristischen Grundlagen mit Kommentierung sind im Anhang des Leitfadens für jeden Grundsatz detailliert dargestellt. Eine Fortschreibung erfolgt entsprechend der juristischen Erfordernisse. Der Leitfaden ist seit 2009 auf der Internetseite der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit (BLAC) unter der Rubrik Publikationen, Thema „Überwachung des Internethandels“ veröffentlicht und kann kostenlos heruntergeladen werden (Hinweis: zum Zeitpunkt der Artikelaktualisierung stand der Leitfaden wg. Überarbeitung nicht zum Download bereit).
Die wichtigsten Regeln wurden zudem in einem Flyer zusammengefasst.
2. Hilfestellung für Käufer und Verkäufer in Ebay
Die BLAC-Expertengruppe Internethandel hat mit Ebay vereinbart, dass bei bestimmten Produkten bereits bei der Angebotseinstellung Warnhinweise erscheinen. Diese Warnhinweise sind häufig auch mit den oben erwähnten Ratgebern verlinkt, über die sich Verkäufer über Abgabevorschriften und Gesundheitsgefahren informieren können.
Warnhinweis bei der Angebotstellung
Europaweite Überwachung des Chemikalienhandels im Internet
In zunehmendem Maße dehnt sich der Internethandel mit Chemikalien europaweit aus. Dies macht eine europaweit abgestimmte Vorgehensweise notwendig. Aus diesem Grund arbeiten die Internetüberwachungsbehörden auch europaweit zusammen. Die Ergebnisse von abgeschlossenen und laufenden europäischen Überwachungsprojekten finden sich hier:
https://echa.europa.eu/de/about-us/who-we-are/enforcement-forum/forum-enforcement-projects
- Informationen über gefährliche Chemikalien - REACH Verordnung
- Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien "GHS"
- Was sind Gefahrstoffe?
- RAPEX - Das Schnellwarnsystem der europäischen Union
- Leitfaden "Gute Internetpraxis für den Chemikalienhandel"
- Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikalienhandel (BLAC)
- Ratgeber Chemikalienhandel (ebay)
- Bayerische Gewerbeaufsicht
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