Phthalate
Von: Prof. Dr. Wolfgang Völkel - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
In diesem Beitrag finden Sie
- Was sind Phthalate?
- In welchen Produkten sind Phthalate enthalten?
- Wie gelangen Phthalate in die Umwelt und den menschlischen Körper?
- Wie gefährlich sind Phthlate für den Menschen?
- Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Verwendung von Phthalten einzuschränken?
- Was kann der Verbraucher tun?
Was sind Phthalate?
Phthalate sind Industriechemikalien. Sie werden als Weichmacher Kunststoffen, insbesondere Polyvinylchlorid (PVC) zugesetzt, um sie elastisch und flexibel zu machen.
In welchen Produkten sind Phthalate enthalten?
Anwendungsbereiche sind beispielsweise Kunststoffmatten, PVC-Bodenbeläge, Vinyltapeten, Einrichtungsgegenstände, Plastikschuhe und Regenbekleidung. Sie können aber auch in Lebensmittelverpackungen, Farben oder kosmetischen Mitteln enthalten sein.
Wie gelangen Phthalate in die Umwelt und den menschlichen Körper?
Phthalate sind wie in Weich-PVC chemisch nicht fest in Kunststoffen gebunden. Sie können daher aus Produkten ausgasen oder im Kontakt vor allem mit Fetten und Ölen in diese übergehen. Da sie in sehr vielen Bereichen eingesetzt werden, können sie in praktisch allen Umweltmedien nachgewiesen werden.
Eine Aufnahme dieser Phthalat-Weichmacher erfolgt überwiegend über die Nahrung. Weitere Expositionspfade sind die inhalative Aufnahme, beispielsweise beim Ausgasen von Weichmachern aus Fußböden oder Einrichtungsgegenständen aus Kunststoff und die Haut beim Tragen von Phthalat haltigen Textilien.
Wie gefährlich sind Phthalate für den Menschen?
Nicht alle Phthalate haben bei üblichen Expositionen eine gesundheitsschädliche Wirkung. Einige Vertreter der Phthalate werden als endokrine Disruptoren bezeichnet, da sie auf das Hormonsystem Wirkung zeigen. DEHP (Diethylhexylphthalat), BBP (Benzylbutylphthalat), DBP (Dibutylphthalat) und DIBP (Diisobutylphthalat) sind als fortpflanzungsgefährdend eingestuft. Bei Versuchstieren konnte eine Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit durch diese vier Phthalate dann festgestellt werden, wenn die Tiere langfristig oder wiederholt diesen Weichmachern ausgesetzt waren. Für Diisononylphthalat (DINP) und Diisodecylphthalat (DIDP) sind lebertoxische Wirkungen beschrieben.
Aufgrund dieser Effekte wird seit einigen Jahren vor allem DEHP in Produkten z. B. durch DINP oder 1,2-Cyclohexandicarbonsäurediisononylester (DINCH®) zunehmend ersetzt.
Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Verwendung von Phthalaten einzuschränken?
In Deutschland gibt es bereits viele Verbote und Einschränkungen für Phthalate, die auch EU-weit gelten. In Anhang XVII Eintrag 51 VO (EG) Nr. 1907/2006 der EU-Chemikalienverordnung REACH wird beispielsweise geregelt, dass DEHP, DBP, BBP und DIBP nicht in Erzeugnissen in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn deren Konzentration einzeln oder in Kombination mindestens 0,1 Gew.-% des weichmacherhaltigen Materials betragen. Hiervon gibt es nur wenige Ausnahmen, die in Anhang XVII Eintrag 51 Absatz 4 gelistet sind. Anhang XVII Eintrag 52 VO (EG) Nr. 1907/2006 regelt darüber hinaus die Phthalate DINP, DIDP und DNOP, die nicht in weichmacherhaltigen Materialien in Spielzeug und Babyartikeln, welche in den Mund genommen werden können, verwendet werden dürfen, wenn deren Konzentration mehr als 0,1 Gew.-% des weichmacherhaltigen Materials entspricht.
Zum Zwecke des vorsorgenden Gesundheits- und Umweltschutzes durch eine umweltgerechte Verwertbarkeit von Altgeräten wird in Deutschland mit der Elektrostoffverordnung (ElektroStoffV) die EU-Richtlinie 2011/65/EU (sog. RoHS-Richtlinie; Restriction of the use of certain Hazardous Substances in electrical and electronic equipment) umgesetzt. Es dürfen nur solche Elektro- und Elektronikgeräte in Verkehr gebracht werden, die die zulässige Höchstkonzentration von 0,1 Gew.-% im homogenen Werkstoff für die Phthalate DIBP, DBP, BBP, DEHP nicht überschreiten.
Weiterhin dürfen einige Phthalat-Weichmacher nicht in Gemischen für den privaten Endverbraucher oder in kosmetischen Mitteln enthalten sein. Die Verwendung von Phthalaten in Kunststoffen für Lebensmittelverpackungen wurde EU-weit eingeschränkt.
Schließlich dürfen Firmen die Phthalate DEHP, BBP, DBP und DIBP aufgrund von Regelungen in REACH seit dem 21.02.2015 nur noch nach einer schwierig zu erlangenden Ausnahmegenehmigung (Zulassung) herstellen oder verwenden.
Was kann der Verbraucher tun?
1. Wahlmöglichkeiten beim Neukauf nutzen
Bei der Neuanschaffung hat der Verbraucher die Wahl. Viele Alltagsgegenstände werden nicht nur aus Kunststoff, sondern auch aus Materialien wie Holz oder anderen Naturmaterialien angeboten, die keine Phthalat-Weichmacher enthalten. Aber nicht immer kann oder will man auf Kunststoff verzichten. Hier gilt die Empfehlung: Vor allem Gegenstände aus Weich-PVC vermeiden, da diese besonders hoch mit Weichmachern belastet sein können. Allerdings sind mittlerweile vor allem Weichmacher enthalten, die aus heutiger Sicht gesundheitlich unbedenklich sind. Auch ein starker "Plastikgeruch" kann ein Indiz für das Vorhandensein von Weichmachern sein.
Produkte aus Kunststoffen wie Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) hingegen sind weichmacherfrei. Die Art des Kunststoffs kann man am Recyclingsymbol mit der darunter befindlichen Kurzbezeichnung erkennen.
Beispiele:
Ebenso können Gütesiegel wie beispielsweise der "blaue Engel" helfen, schadstoffarme Produkte zu erkennen.
2. Informationsmöglichkeiten nutzen
Neben den zuvor aufgeführten Erkennungsmöglichkeiten kann sich der Verbraucher zusätzlich konkret informieren, ob ein Produkt besonders besorgniserregende Stoffe wie beispielsweise einige der Weichmacher aus der Gruppe der Phthalate enthält. Die Europäische Chemikalienverordnung REACH verpflichtet den Hersteller oder Händler Auskunft zu erteilen, ob sein Produkt die als besonders besorgniserregend eingestuften Stoffe aus der Gruppe der Phthalat-Weichmacher in Mengen von mehr als 0,1 Prozent enthält. Auf Anfrage durch den Verbraucher muss innerhalb von 45 Tagen eine Antwort erfolgen. Die Auskunft ist für den Verbraucher kostenlos. Werden diese Auskünfte bei der Kaufentscheidung genutzt, hat dies sogar einen direkten Einfluss auf den Markt und seine Entwicklung. Denn gerade heimische Hersteller arbeiten mit Nachdruck daran, gefährliche Stoffe in ihren Produkten zu ersetzen.
3. Räume regelmäßig lüften und säubern
Durch regelmäßiges und häufiges Reinigen und Lüften von Räumen kann die Belastung der Innenraumluft mit Schadstoffen generell gesenkt werden. Dies gilt natürlich auch für beispielsweise Aerosol getragene Phthalat-Weichmacher, die effizient beim Quer- oder Stoßlüften aus der Raumluft eliminiert werden.
- Information über gefährliche Chemikalien in Produkten "REACH"
- LGL Bayern: Prä- und postnatale Exposition gegenüber Phthalaten
- LGL Bayern: Human-Biomonitoring bei Kindern aus Kindertagesstätten zur Abschätzung der Phthalatbelastung
- LGL Bayern: Phthalate im Staub und in der Luft von bayerischen Kindertagesstätten (LUPE 3)
- UBA: Die nützlichen Weichmacher mit den unerwünschten Eigenschaften
- BfR: Endokrine Disruptoren und hormonähnliche Substanzen
- Bayerische Gewerbeaufsicht
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