Finfluencer/-innen: Finanzbildung auf Social Media?
Von: Judith Maertsch, VerbraucherService Bayern im KDFB e.V.
Inhaltsverzeichnis
- Wie fragwürdige Finfluencer/-innen arbeiten und woran man sie erkennt
- Unterschiede zwischen Finfluencer/-innen und Finanzberater/-innen
- Wie wird der Altersvorsorgebedarf ermittelt?
- Wege zu geeigneten Anlageprodukten
- Wer hilft beim Thema?
Eine aktuelle Studie der HHL Leipzig Graduate School of Management, der Fachhochschule St. Pölten und der Beratungsfirma Paradots zeigt, dass die etwa 360 Finfluencerinnen und Finfluencer allein auf Instagram insgesamt über zehn Millionen Abonnierende haben. Die bekanntesten deutschen Finfluencerinnen und Finfluencer erreichen jeweils mehr als 200.000 Follower (im Folgenden: Abonnierende).
Finfluencerinnen und Finfluencer erstellen kurze, ansprechende Inhalte wie Videos, Stories und authentische Live-Sessions, die Finanzthemen einfach und visuell unterhaltsam vermitteln. Ihre Tipps umfassen allgemeine Spar- und Investitionsstrategien ebenso wie konkrete Anlageempfehlungen für Aktien, Immobilien oder zunehmend auch Kryptowährungen. Sie wecken insbesondere bei jüngeren, internetaffinen Generationen – den Millenials und der Generation Z im Alter von 18 bis 45 Jahren - das Interesse am Investieren.
Laut der Studie folgen rund die Hälfte der Abonnierenden direkt den Tipps ihrer Idole. Dies spiegelt die Zahl der jungen Aktiensparenden wider: nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts hat sich deren Zahl in den letzten zehn Jahren verdoppelt.
Allerdings sind nicht alle Finfluencerinnen und Finfluencer vertrauenswürdig. Viele werben mit dem Versprechen, durch „einfache Tricks“ schnell reich zu werden. Das Bild von finanzieller Freiheit und einem sorgenfreien Leben übt auf viele Menschen eine große Anziehungskraft aus. Häufig verschweigen Finfluencerinnen und Finfluencer jedoch, dass (Total-)Verluste möglich sind, versteckte Kosten hinter ihren Tipps lauern oder dass sie Provisionen von den Anbietern der Finanzprodukte, die sie bewerben, erhalten.
Wie fragwürdige Finfluencer/-innen arbeiten und woran man sie erkennt
Einige Finfluencerinnen und Finfluencer nutzen ihre Reichweite, um Affiliate-Links und bezahlte Partnerschaften zu fördern, ohne diese Verbindungen offenzulegen. Dies wird problematisch, wenn sie Finanzprodukte bewerben, ohne ihre Abonnierenden ausreichend darüber aufzuklären, dass sie an den beworbenen Produkten oder durch die Partnerschaften selbst einiges verdienen. Beispielsweise werden überteuerte Immobilien an unerfahrene Käuferinnen und Käufer vermittelt, die am Ende nicht die versprochenen Renditen erzielen. Manche Finfluencerinnen und Finfluencer bieten auch „Copy Trading“ an. Dabei können Abonnierende das Portfolio einer anderen Person nachbilden, ohne die damit verbundenen Risiken vollständig zu verstehen. Besonders bei riskanten Anlagen wie Derivaten oder Kryptowährungen können unerfahrene Anlegerinnen und Anleger erhebliche Verluste erleiden. Konkrete Anlageempfehlungen erfolgen häufig anonym oder werden als „sicher“ dargestellt, was die Risiken weiter verschleiert.
Oft heben sie auch angebliche Erfolgsgeschichten auf ihren Social-Media-Kanälen hervor (das nennt man „Social Proof“), um Anlegerinnen und Anleger zu überzeugen: Oft wird der Zugang zum Insider Wissen aus diesen Geschichten als teure Premium-Mitgliedschaft verkauft. Beim sogenannten Copy-Trading werden Abonnierende animiert, das Portfolio anderer zu kopieren, ohne dabei jedoch die Risiken zu kennen und zu verstehen. Zusätzlicher Druck wird durch Aussagen wie „Morgen ist es zu spät“ oder „Ihr Vermögen ist in Gefahr!“ aufgebaut, um schnelle Entscheidungen zu erzwingen. Eine verbreitete Methode ist auch „Pump-and-Dump“. Dabei werden wenig bekannte Aktien oder Kryptowährungen beworben, um die Nachfrage und damit den Preis künstlich in die Höhe zu treiben. Die Initiatorinnen und Initiatoren steigen rechtzeitig aus, während die restlichen Anlegenden hohe Verluste erleiden.
Unterschiede zwischen Finfluencer/-innen und Finanzberater/-innen
Traditionelle Finanzberatung wird oft als unattraktiv und aufwendig empfunden, insbesondere von jungen Menschen. Sie suchen stattdessen Vorbilder, die online Tipps ohne komplizierte Begriffe oder bürokratischen Aufwand geben. Finfluencerinnen und Finfluencer wirken authentisch, nahbar und sprechen die Sprache der jungen Generation. Doch wie genau unterscheiden sich Finfluencerinnen und Finfluencer von klassischen Finanzberaterinnen und -beratern?
Qualifikation:
- Finfluencer/-innen: Keine formale Ausbildung erforderlich. Sie vermitteln allgemeine, nicht individuell zugeschnittene Informationen.
- Finanzberater/-innen: Verfügen über eine formale Ausbildung und Zertifizierungen. Unterliegen gesetzlichen Anforderungen und müssen ihr Wissen regelmäßig aktualisieren.
Regulierung:
- Finfluencer/-innen: Unterliegen keiner spezifischen Regulierung, außer der Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung.
- Finanzberater/-innen: Werden durch strenge Standards und Aufsichtsbehörden wie die BaFin oder die IHK reguliert und müssen Interessenkonflikte offenlegen.
Haftung:
- Finfluencer/-innen: Unterliegen keiner rechtlichen Bindung oder Kontrolle durch Finanzaufsichtsbehörden.
- Finanzberater/-innen: Haften für ihre Empfehlungen und sind gesetzlich verpflichtet, im Interesse der Kundinnen und Kunden zu handeln.
Zielgruppe:
- Finfluencer/-innen: Vermitteln Informationen und häufig Produktwerbung an ein breites Publikum auf Social Media in unterhaltsamer Form.
- Finanzberater/-innen: Bieten individuelle Beratung für Einzelpersonen oder Unternehmen, meist in persönlichen Gesprächen.
Vergütung:
- Finfluencer/-innen: Verdienen durch Werbung, Sponsoring und Produktverkäufe, was häufig potenzielle Interessenkonflikte birgt.
- Finanzberater/-innen: Erhalten Honorare, Provisionen oder feste Vergütungen. Sie sind zur Transparenz über ihre Vergütungsmodelle verpflichtet.
Verbrauchertipp
Finfluencerinnen und Finfluencer betreiben im Regelfall Werbung, weshalb man ihre Empfehlungen und Finanzinformationen sorgfältig prüfen muss. Für wichtige finanzielle Entscheidungen sollten Sie jedoch auf Finanzberaterinnen und -berater zurückgreifen, die fundierte und auf Ihre individuelle Situation zugeschnittene Empfehlungen bieten
Die Gefahren: Fehlinformation und Anlagebetrug durch Finfluencer/-innen
Finfluencerinnen und Finfluencer tragen zwar dazu bei, das Interesse an Finanzen und einer Aktienkultur zu fördern, können jedoch die fehlende Finanzbildung nicht ersetzen. Das größte Risiko liegt in der Verbreitung von Fehlinformationen: Viele Finfluencerinnen und Finfluencer besitzen keine formale Ausbildung im Finanzbereich und stützen ihre Ratschläge lediglich auf persönliche Erfahrungen oder selbst angeeignetes Wissen. Diese Mischung aus Meinungen und angeblicher Expertise führt oft zu vereinfachten oder falschen Darstellungen. „Mit dieser Methode verdienst du 10.000 Euro im Monat“ ist ein typisches Beispiel. Manche werben mit „Diese Anlage ist sicher“, obwohl keine Investition völlig risikofrei ist .
Ein weiteres Problem ist Anlagebetrug. Manche Finfluencerinnen und Finfluencer empfehlen riskante oder betrügerische Produkte, etwa spekulative Derivate-Plattformen. Sie profitieren finanziell von diesen Empfehlungen, ohne ihre eigenen Interessen offenzulegen. Besonders bei Kryptowährungen verschwinden betrügerische Plattformen (sogenannte Scams) oft nach der Einzahlung. Häufig steht hinter den beworbenen Produkten nichts Reales. Wenn solche Empfehlungen anonym oder ohne klare Identität erfolgen, ist eine spätere Haftung nicht möglich.
Informationen rund um Finanzanlagen finden Sie in der Rubrik „Geld & Versicherungen“.
Regulierungslücke: Finfluencer/-innen in einer rechtlichen Grauzone
Viele Finfluencerinnen und Finfluencer agieren in einem weitgehend unregulierten Bereich. Jeder kann sich Finfluencerin oder Finfluencer nennen, auch ohne entsprechende Ausbildung oder Qualifikation. Das heißt, sie müssen für Ihre Aktivitäten keine Nachweise über Fachkenntnisse oder Sachkunde erbringen. Die BaFin und Verbraucherschützerinnen warnen eindringlich vor den damit verbundenen Risiken. In Deutschland wird aktuell über Maßnahmen wie ein BaFin-Zertifikat für Finfluencerinnen und Finfluencer diskutiert. So etwas gibt es bereits in Frankreich, wo strenge Regeln für Influencer und Influencer gelten. Verbraucherschützerinnen und -schützer plädieren zusätzlich für einen verpflichtenden Sachkundenachweis, ein Transparenzregister sowie ein Prüfsiegel, das Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Sicherheit und Orientierung bieten soll.
Fazit: Kritisch bleiben und unabhängige Beratung einholen
Die Verantwortung für ihre finanziellen Entscheidungen liegt bei den Abonnierenden selbst. Die BaFin mahnt: „Vorsicht ist oberstes Gebot.“ Wer blind auf Finfluencerinnen und Finfluencer vertraut, riskiert hohe Verluste. Für Anlageentscheidungen gilt generell:
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Eine stabile finanzielle Basis und bewusstes Investieren sind entscheidend.
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Höhere Renditen gehen stets mit höheren Risiken einher.
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Vertrauenswürdige Finanzempfehlungen erhalten Sie von qualifizierten und unabhängigen Expertinnen und Experten – etwa bei den Verbraucherschutzverbänden. Das ist der beste Schutz vor Fehlinformation und Anlagebetrug.
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Achten Sie bei Finfluencerinnen und Finfluencern auf Warnsignale wie unrealistische Renditeversprechen, aggressives Marketing oder fehlende Transparenz bei Vergütungen wie Sponsoring oder Provisionen.
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Prüfen Sie den beruflichen Hintergrund und die Qualifikation der Person. Überprüfen Sie die Seriosität der Finfluencerinnen und Finfluencer durch Bewertungen und Warnhinweise der BaFin.
- Seien Sie skeptisch bei komplizierten Produkten ohne klare Erklärung oder bei Investitionen in wenig regulierte Märkte, wie Kryptowährungen. Pauschale Lösungen sollten stets hinterfragt werden – gute Finanzempfehlungen sind individuell zugeschnitten.
- Ergänzend spielen Weiterbildung und Eigenverantwortung eine zentrale Rolle. Nutzen Sie unabhängigen Quellen, recherchieren Sie regelmäßig und informieren Sie sich über Verbraucherschutzportale oder Veröffentlichungen der BaFin. So schaffen Sie die Grundlage für langfristigen finanziellen Erfolg.
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
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