Mythen und Fakten rund um die Milch
In diesem Beitrag finden Sie
- Warum wir Milch verzehren?
- Kuhmilchallergie oder Laktoseintoleranz?
- Erhöht Milch das Herz-Kreislaufrisiko?
- Erhöht Milch das Diabetes-Risiko?
- Fördert Milch eine Osteoporose?
- Führt Milch zu Verschleimung?
- Führt Milch zu Übersäuerung?
- Fazit
Das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) hat in Kooperation mit dem Max Rubner-Institut bereits im Jahr 2015 eine umfangreiche Literaturstudie zum Thema „Milch und mögliche Einflüsse auf die menschliche Gesundheit“ erstellt. Dabei wurden fast 400 Studien untersucht. Seitdem besteht ein hohes wissenschaftliches Interesse darin, die Kenntnisse zu den Inhaltsstoffen sowie deren ernährungsphysiologischer Wirkung weiter voranzutreiben. Mit dem Projekt „Update Milch – Neues aus der Wissenschaft“, in Kooperation mit der TU-München und dem Universitätsklinikum Freiburg, widmet sich das KErn seit Jahresbeginn 2022 der Aktualisierung des Forschungsstandes. Dabei werden anhand wissenschaftlicher Analysen die gesundheitlichen Auswirkungen von Milch aber auch Milchprodukten genaustens untersucht. Dieser Artikel, basiert auf der KErn-Veröffentlichung „Freispruch für die Milch“.
Warum wir Milch verzehren?
Seit bereits fast 8.000 Jahren verzehren Menschen in vielen Regionen der Erde Milcherzeugnisse. Denn Milch sowie Milchprodukte sind aufgrund ihrer wichtigen Mikro- und Makronährstoffe in 23 Ländern der Erde wichtige Grundnahrungsmittel. Dass wir heute unseren Speisplan mit diesen Produkten erweitern können, liegt an einer Mutation, also einer kleinen Veränderung im Erbgut unserer Vorfahren. Träger dieser Veränderung konnten den Milchzucker, die Laktose, plötzlich auch im Erwachsenenalter verdauen und hatten so eine zusätzliche Nahrungsquelle zur Verfügung.
Da Milch viel und leicht verfügbares Calcium sowie vom Körper besonders gut verwertbares Eiweiß besitzt, hatten die Individuen unserer Spezies, die den Milchzucker problemlos verdauen konnten, einen enormen evolutionären Vorteil.
Dies ist wohl der Grund, weshalb in Nordeuropa heute rund 90 Prozent der Menschen Träger dieser Mutation des milchzuckerspaltenden Enzyms Laktase sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nur etwa 10 Prozent der Menschen in dieser Region den Milchzucker nicht ausreichend verdauen können und somit laktoseintolerant sind.
Kuhmilchallergie oder Laktoseintoleranz?
Eine Kuhmilchallergie ist eine Überreaktion des Immunsystems gegen bestimmte Milcheiweiße. Wer davon betroffen ist, muss nicht nur Milch und Milchprodukte, sondern generell alle Lebensmittel meiden, denen Milcheiweiß zugesetzt wurde.
Die Milcheiweißallergie ist aber glücklicherweise ein eher seltenes Phänomen: Nur zwischen 0,5 bis 7,0 Prozent aller Kinder unter 2 Jahren und ca. 0,7 bis 1,2 Prozent der Erwachsenen sind von einer solchen Allergie betroffen. Eine Milchproteinallergie darf nicht mit einer Laktoseintoleranz verwechselt werden:
Eine Laktoseintoleranz ist lediglich eine Unverträglichkeit gegenüber Milchzucker, also Laktose, und ist im Gegensatz zur echten Allergie nicht gefährlich.
Wer von einer Laktoseintoleranz betroffen ist, hat entweder eine zu geringe Menge des milchzuckerspaltenden Enzyms Laktase oder die enzymatische Aktivität des Enzyms ist zu niedrig. Beides führt dazu, dass der Milchzucker im Dünndarm nicht ausreichend gespalten und deshalb im Dickdarm von Bakterien vergoren wird.
Dieser Prozess führt zu den bekannten Symptomen, die von Blähungen über Bauchschmerzen bis hin zu Durchfall reichen.
Bei Laktoseintoleranz muss aber nicht vollständig auf Milch und Milchprodukte verzichtet werden. In Sauermilchprodukten und lange gereiften Käsesorten bauen Bakterien nämlich einen Teil der Laktose ab, so dass im Endprodukt nur noch wenig davon enthalten ist. Für empfindliche Personen gibt es laktosefreie Milch und Milchprodukte, bei denen die Laktose bereits gespalten ist.
Zum Artikel Milchzuckerunverträglichkeit
Erhöht Milch das Herz-Kreislaufrisiko?
Milchfett enthält überwiegend gesättigte Fettsäuren. Gesättigte Fettsäuren erhöhen das LDL-Cholesterin im Blut und dieses ist in oxidierter Form an der Bildung von arteriosklerotischen Ablagerungen in den Blutgefäßen beteiligt.
Deshalb wurden vor allem fettreiche Milchprodukte lange mit einem erhöhten Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht.
Diese Einschätzung ist heute aber nicht mehr zeitgemäß, da die Wirkung von Nährstoffen im Körper stets unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensmittelmatrix, also aller anderen Inhaltsstoffe in einem Lebensmittel, erfolgen muss.
Das bedeutet: Es hängt also von der gesamten Zusammensetzung eines Lebensmittels ab, ob und in welchem Ausmaß die Inhaltsstoffe über die Darmbarriere ins Blut gelangen.
Neuere Studien weisen darauf hin, dass der Verzehr von Milch und Milchprodukten nicht zu einem erhöhten Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen führt. Es gibt eher Hinweise auf einen gegenteiligen Effekt.
So beobachten einige Studien bei Herzkreislauf-Erkrankungen sogar ein sinkendes Risiko und bringen dieses mit ganz bestimmten Bestandteilen des Milchfettes in Verbindung. Die Wirkungen dieser Milchfettbestandteile werden deshalb gerade eingehend in Studien untersucht. Beim Blutdruck gibt es bereits positive Wirkungen durch den Verzehr von Milchprodukten:
Die sogenannte DASH-Studie (Dietary Approaches to Stop Hypertension) hat vor 20 Jahren erstmals gezeigt, dass der Blutdruck durch eine obst- und gemüsereiche Ernährung deutlicher gesenkt wird, wenn diese zusätzlich fettarme Milchprodukte enthält als ohne den Zusatz von Milchprodukten. Seitdem haben verschiedene klinische Studien bestätigt, dass die Kombinationsdiät, die reich an Obst, Gemüse und fettarmen Milchprodukten ist, allein oder in Kombination mit anderen Änderungen des Lebensstils, eine Blutdrucksenkung begünstigt (Filippou et al. 2020).
Erhöht Milch das Diabetes-Risiko?
Die krankhafte Fettleibigkeit, auch bekannt unter dem Fachbegriff Adipositas, ist weltweit ein ernstzunehmendes Problem und ein wichtiger Risikofaktor für Typ 2 Diabetes sowie andere Stoffwechselerkrankungen.
Seriöse Studien zeigen aktuell keinen widerspruchsfreien Zusammenhang zwischen dem Milchverzehr und ernährungsbedingten Krankheitsbildern wie Adipositas und Typ 2 Diabetes, stets unter der Voraussetzung eines normalen Verzehrs und einer normalen Kalorienaufnahme.
Jüngere Analysen weisen sogar auf eine umgekehrte Verbindung zwischen dem Milchverzehr und dem Diabetesrisiko hin, d.h., der Verzehr von Milch scheint das Diabetesrisiko sogar eher zu verringern.
Fördert Milch eine Osteoporose?
Milch enthält viel Calcium und dies ist für die Entwicklung der maximalen Knochendichte vor allem in der Kindheit, Jugend und im jungen Erwachsenenalter wichtig. Die maximale Dichte der Knochen wird um das dreißigste Lebensjahr erreicht, danach sinkt sie wieder kontinuierlich ab.
Deshalb sollte vor allem bis zu diesem Alter reichlich Calcium verzehrt werden, um diese maximale Knochendichte zu erreichen, damit der Körper beim nachfolgenden Abbau des Knochens möglichst lange davon zehren kann.
Dass Milchverzehr die Knochenmasse erhöht, zeigen zahlreiche Studien. Dass Milch, beziehungsweise das darin enthaltene Calcium, aber das komplexe Krankheitsbild der Osteoporose verhindern kann, ist mittlerweile widerlegt.
Milch kann eine Osteoporose weder verhindern noch fördern. Bei der Entwicklung einer Osteoporose spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle:
Dazu zählen das Alter, die Körpergröße, das Gewicht, die Muskelmasse, die geographische Lage eines Landes (diese entscheidet über die körpereigene Vitamin D-Bildung) sowie die Ethnizität.
Letzteres zeigt sich besonders gut an Afroamerikanern. Da diese eine veränderte Mikroarchitektur an Oberschenkelknochen und Speiche haben, besitzen sie trotz niedrigerer Calcium-Zufuhr ein geringeres Knochenbruchrisiko als Weiße und Menschen aus lateinamerikanischen Ländern.
Die häufige Aussage, dass Osteoporose in den westlichen Milchnationen häufiger auftritt als in Ländern, in denen keine Milch verzehrt wird, liegt weniger am Milchverzehr, sondern vielmehr an der höheren Lebenserwartung in diesen Ländern. Da eine Osteoporose überwiegen eine Erkrankung des Alters ist, tritt die Erkrankung folglich in Ländern mit einer höheren Lebenserwartung viel häufiger auf.
Führt Milch zu Verschleimung?
Häufig wird Milch auch mit einer Verschleimung und einer Verschlimmerung von Asthmasymptomen in Verbindung gebracht.
Dies ist ein Mythos, der noch aus dem 12. Jahrhundert stammt. Damals empfahlen Ärzte, die es nicht besser wussten, Asthma-Patienten auf Milchprodukte zu verzichten.
Eine in den neunziger Jahren durchgeführte randomisierte Doppelblindstudie hat die Legende von der Verschleimung durch Milch aber längst widerlegt.
Laut Studie unterscheiden sich Sojamilch und Kuhmilch hinsichtlich der empfundenen Schleimbildung im Mund nicht wesentlich.
Auch die Verschlechterung von Erkältungs- und Schnupfensymptomen konnte in diversen Studien nicht bestätigt werden.
Dass Milch immer wieder mit Verschleimung in Verbindung gebracht wird, könnte auch daran liegen, dass Milchproteine ein bestimmtes pH-Optimum besitzen. Nur in diesem Bereich befinden sich die Eiweiße in Lösung. Wird die umgebende Flüssigkeit saurer oder basischer, dann werden die Eiweiße unlöslich und flocken aus. Dies lässt sich gut erkennen, wenn die Milch sauer wird. Auch beim Kontakt mit dem Speichel verringert sich die Löslichkeit der Milcheiweiße, so dass diese teilweise ausflocken. Das erhöht die Zähigkeit und dies wiederum kann als eine vermehrte Schleimbildung interpretiert werden.
Führt Milch zu Übersäuerung?
Das Gerücht, dass Milch den Körper übersäuert, hält sich hartnäckig. Ein Grund ist die Säure-Basen-Hypothese, die lange nicht widerlegt werden konnte und auch unter Wissenschaftlern nach wie vor umstritten ist.
Richtig ist: Milch zählt – wegen seiner Phosphoproteine und schwefeligen Aminosäuren (Methionin, Cystein) – eher zu den sauren Lebensmitteln. Zu einer Übersäuerung führt normaler Milchkonsum bei gesunden Menschen aber kaum, wie auch aktuelle Metastudien belegen.
Weder lösen saure Lebensmittelbestandteile vermehrt Calcium und Bikarbonat aus dem Knochen, noch scheint der Säuregrad der Ernährung einen relevanten Einfluss auf Calciumbilanz, N-Terminales Telopeptid – ein Marker für einen Knochenabbau – sowie die Knochenbruchhäufigkeit zu besitzen.
Saure Verbindungen erhöhen zwar die Calciumausscheidung im Urin, das Gleichgewicht bleibt aber durch eine erhöhte Calcium-Wiederaufnahme im Darm weitgehend unverändert. Zahlreiche neuere Studien belegen, dass Nahrungsproteine die Calcium-Bilanz nicht negativ beeinflussen. Die Ergebnisse der amerikanischen Women’s Health Initiative bringen eine höhere Proteinzufuhr sogar mit einer besseren Knochengesundheit in Verbindung.
Fazit
Nach Durchsicht von fast 400 wissenschaftlichen Studien lässt sich schlussfolgern, dass Milch und Milcherzeugnisse mit keinem Gesundheitsrisiko verbunden sind.
Der heute übliche Verzehr wird überwiegend mit positiven Eigenschaften auf die Gesundheit in Verbindung gebracht.
Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlenen 200 bis 250 g Milch und Milchprodukte sowie 50 bis 60 g Käse sollten deshalb Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung sein.
*Milch steht ausschließlich für Kuhmilch
Fotonachweis
#116192085 © pilipphoto –Fotolia.com Fresh milk in the glass on the table
- Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn): Kontrovers diskutiert – Milch ist ein gesundes Lebensmittel
- Planet Wissen (WDR 2020): Milch – gefährlich, überbewertet oder alternativlos?
Quellen/Literatur
- (1) Mythen und Fakten rund um die Kuhmilch; Literaturstudie zum Stand der wissenschaftlichen Forschung: Kuhmilchverzehr und dessen Einfluss auf die Gesundheit. Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) – Bereich Wissenschaft – an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in einer Kooperation mit dem Max Rubner-Institut. Literaturübersicht zur Studie auf der KErn-Webseite
- (2) Freispruch für die Milch – Ein Kurzüberblick über die aktuelle wissenschaftliche Literatur. Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) – Bereich Wissenschaft – an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Kurzpublikation "Freispruch für die Milch" auf der KErn-Webseite
- 3) Filippou et al. (2020): „Dietary Approaches to Stop Hypertension (DASH) Diet and Blood Pressure Reduction in Adults with and without Hypertension: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials.”
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