Länger haltbare ESL-Milch – was steckt dahinter?
Von: Simone Hörrlein, Luzia Kick, Aktualisierung Ursula Haas - Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn)
Milch ist ein sehr gesundes Lebensmittel. Sie liefert uns wichtige Nährstoffe wie hochwertiges Milcheiweiß, leicht verdauliches Milchfett, Milchzucker und eine Reihe fett- und wasserlöslicher Vitamine sowie wichtige Mineralstoffe – vor allem das Calcium.
In diesem Beitrag finden Sie
- Was ist ESL-Milch?
- Herstellung
- Nährstoffgehalt
- Geschmack
- Kennzeichnung
- Ergänzende Informationen
Was ist ESL-Milch?
ESL ist die Abkürzung für den englischen Ausdruck „extended shelf life“ und bedeutet übersetzt so viel wie länger haltbare Milch.
Während klassische Frischmilch (= pasteurisierte oder kurzzeiterhitzte Milch) gekühlt und ungeöffnet bis zu 10 Tagen gelagert werden kann, ist die ESL-Milch ebenfalls gekühlt und ungeöffnet ca. 3 Wochen haltbar. H-Milch (= ultrahocherhitzte Milch) hält sich dagegen 3 bis 6 Monate in ungekühltem Zustand. Somit liegt die ESL-Milch hinsichtlich der Haltbarkeit zwischen der klassischen Frischmilch und der H-Milch.
Geöffnete Milchpackungen sind jedoch, egal um welche Milchsorte es sich handelt, stets im Kühlschrank zu lagern und innerhalb von bis zu 5 Tagen aufzubrauchen.
Tab. 1: Mindesthaltbarkeit verschiedener Milchsorten
Milchsorten | Haltbarkeit (ungeöffnete Verpackung) |
Haltbarkeit (geöffnete Verpackung) |
---|---|---|
Frischmilch traditionell hergestellt) |
7 bis 10 Tage (< 8℃, gekühlt) | bis 5 Tage (< 8℃, gekühlt) |
ESL-Milch (Frische Milch) (pasteurisierte Milch, länger haltbar) |
3 (bis 4) Wochen (bei < 8℃, gekühlt) | bis 5 Tage (< 8℃, gekühlt) |
H-Milch (ultrahocherhitze Milch) |
3 bis 6 Monate (bei Zimmertemperatur) | bis 7 Tage (< 8℃, gekühlt) |
Herstellung
Rohmilch ist ein sehr leicht verderbliches Lebensmittel. Auch bei sauberster Gewinnung können Keime in die Milch gelangen. Diese können zum Verderb der Milch, aber auch zu Erkrankungen des Menschen führen. Daher wird Milch bevor sie in den Laden kommt – bis auf wenige Ausnahmen – erhitzt. Durch das Erhitzen werden krankheitserregende Keime abgetötet und die Haltbarkeit der Milch wird verlängert.
Zu den gebräuchlichsten Erhitzungsverfahren zählen die Pasteurisation („Frischmilch“) und die Ultrahocherhitzung (H-Milch). Diese unterscheiden sich hinsichtlich Temperatur und Erhitzungszeit. Herkömmliche Frischmilch wird bei 72 bis 75 Grad 15 bis 30 Sekunden erhitzt. H-Milch wird dagegen für 1 bis 3 Sekunden bei 135 bis 150 Grad wärmebehandelt.
Die im Vergleich zur pasteurisierten Milch längere Haltbarkeit der ESL-Milch wird vor allem durch zwei Verfahren ermöglicht:
-
Bei den rein thermischen Verfahren (Hocherhitzung) wird eine direkte oder eine indirekte Erhitzung auf 125-127 °C für 1 bis 3 Sekunden angewandt.
-
Bei dem kombinierten Verfahren (= Mikrofiltration) ist der Hitzebehandlung eine Mikrofiltration vorgeschaltet. Zunächst erfolgt die Trennung der Milch in Rahm und Magermilch. Die Magermilch wird über keramische Membranen mit einem Porendurchmesser von 0,8 bis 1,4 µm filtriert. Dadurch lassen sich bis zu 99,5% der Bakterien, Hefen und Sporen aus der Milch abtrennen. Der Rahm und eventuell auch der Filtrationsrückstand werden hocherhitzt, mit der entkeimten Magermilch vermischt und anschließend kurzzeiterhitzt.
Tab. 2: Wärmebehandlung verschiedener Milchsorten
Milchsorten | Wärmebehandlung | Temperatur in °C | Zeit in Sekunden |
---|---|---|---|
Frischmilch (pasteurisierte Milch) |
Kurzzeiterhitzung = Pasteurisation |
72 bis 75 | 15 bis 30 |
ESL Milch Hocherhitzung Mikrofiltration |
Hocherhitzung Hocherhitzung* Kurzzeiterhitzung |
85 bis 127 104 bis 108 72 bis 75 |
1bis 4 1bis 4 15 bis 30 |
H-Milch (ultrahocherhitzte Milch) |
Ultrahocherhitzung | 135 bis 150 | 1bis 3 |
*nur Fettanteil und Filtrationsrückstand
Nährstoffgehalt
Jede Wärmebehandlung der Milch hat einen Vitaminverlust zur Folge. Dieser liegt bei der klassischen Frischmilch (pasteurisierte Milch) zwischen 0 und 15 % an hitzeempfindlichen B-Vitaminen und Vitamin C. Im Vergleich dazu beträgt der Vitaminverlust bei H-Milch bis über 20%. Die ESL-Milch liegt dazwischen. Wird Milch im Haushalt aufgekocht, sind die Vitaminverluste in der Regel noch höher.
Bei der ESL-Milch besteht allgemein die Befürchtung, dass sie im Vergleich zur pasteurisierten Milch ernährungsphysiologisch schlechtere Werte aufweist. Dieser Verdacht ist jedoch unbegründet.
Verschiedene Versuche zeigen zwar aufgrund der erhöhten Erhitzungstemperatur etwas höhere Vitaminverluste bei der ESL-Milch als bei der pasteurisierten Milch. Diese sind nach Meinung der Experten jedoch zu vernachlässigen.
Auch bei der Lagerung treten Vitaminverluste auf. Diese sind jedoch weniger vom Herstellungsverfahren als vielmehr von der Lagerdauer, der Lagertemperatur, dem Restsauerstoffgehalt im Produkt und den Verpackungsbedingungen (Kopfraum, Lichtdurchlässigkeit) abhängig.
Laut einer Studie des Max Rubner-Instituts am Standort Kiel, in der 30 Milchproben aus 17 Unternehmen der deutschen Milchwirtschaft untersucht wurden, gibt es keinen Hinweis für niedrigere Konzentrationen an Vitaminen in ESL-Milch im Vergleich zur pasteurisierten Milch - unabhängig vom Herstellungsverfahren und von der Lagerungsdauer.
Beim Eiweiß kommt es bei der ESL- und der H- Milch infolge der Wärmebehandlung zu geringfügigen Strukturveränderungen. Diese Denaturierung stellt jedoch keinen Nährwertverlust dar. Die Milch wird sogar etwas bekömmlicher. Allerdings kann der Geschmack dadurch beeinträchtigt werden.
Milchfett und Mineralstoffe, also auch das Calcium, werden durch Erhitzen, ganz gleich welches Erhitzungsverfahren angewandt wird, nicht verändert.
Insgesamt gesehen unterscheiden sich die verschiedenen Milchsorten hinsichtlich ihrer Nährstoffgehalte also nicht wesentlich.
ESL-Milch stellt somit in Bezug auf die Nährstoffversorgung für den Verbraucher eine gleichwertige Alternative zur pasteurisierten Milch dar.
Geschmack
Neben Haltbarkeit und Nährstoffgehalt spielt für den Verbraucher auch der Milchgeschmack eine wichtige Rolle. So wird zum Beispiel H-Milch aufgrund ihres Kochgeschmacks oft als weniger schmackhaft empfunden als pasteurisierte Milch.
Auch ESL-Milch weist laut einigen Untersuchungen im Vergleich zur pasteurisierten Milch einen leichten Kochgeschmack auf. Dieser ist aber mit dem Kochgeschmack der H-Milch nicht vergleichbar. Ferner ist er vom Herstellungsverfahren abhängig und wird im Verlauf der Lagerung abgebaut.
Dies wird durch eine Studie des Max-Rubner-Instituts bestätigt. Umfangreiche sensorische Prüfungen haben hier gezeigt, dass pasteurisierte Milch in der Tendenz positiver bewertet wird als ESL-Milch. Die Unterschiede sind aber so gering, dass eine sichere Zuordnung der Milch zum Herstellungsverfahren über den Geschmack nicht möglich ist – zumal auch der Zeitpunkt der Verwendung der Milch einen Einfluss auf die sensorischen Eigenschaften hat.
Im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführte Verkostungen mit jeweils 15-20 Testpersonen ergaben ebenfalls keine signifikanten Unterschiede in der Wahrnehmung traditioneller Frischmilch und der beiden ESL-Milchsorten „hocherhitzt“ und „mikrofiltriert“. Ein Unterschied zwischen der pasteurisierten Milch sowie den beiden ESL-Milchsorten im Vergleich zur H-Milch wurde dagegen in jeder Verkostungsrunde eindeutig wahrgenommen.
Kennzeichnung
Der Gesetzgeber schreibt für die ESL-Milch keine gesonderte Kennzeichnung vor. Ebenso wie die herkömmlich pasteurisierte Milch wird ESL-Milch, aufgrund der angewandten Wärmebehandlung, als "pasteurisiert" bezeichnet.
Damit Konsumenten herkömmlich pasteurisierte Frischmilch von ESL-Milch unterscheiden können, hat sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit dem Milchindustrieverband e.V. (MIV) und dem Handelsverband Deutschlan (HDE) Anfang 2009 auf eine Selbstverpflichtungserklärung geeinigt. Demnach soll zur besseren Unterscheidung der klassischen Frischmilch von der ESL-Milch die klassische Frischmilch den Zusatz „traditionell hergestellt“ tragen, während die ESL-Milch mit dem Zusatz „länger haltbar“ gekennzeichnet wird.
Diese freiwillige Selbstverpflichtung zur Kennzeichnung von Konsummilch wird laut Aussage des Max-Rubner-Instituts zwar generell umgesetzt. Die zusatzangaben finden sich aber meist im "Kleingedruckten". also genau hinschauen bei der Auslobung "Frische Milch".
Ergänzende Informationen
1 VERBRAUCHERSERVICE BAYERN E.V., Milch „länger haltbar" (03.07.2018) (abgerufen am 31.03.2022)
2 Lebensmittelklarheit (der Verbraucherzentrale) Kennzeichnung von ESL-Milch (abgerufen am 31.03.2022)
Bildquelle:
- Frischmilch mit längerer Haltbarkeit – „ESL-Milch“
- Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) Milch – Vom Stall bis in die Küche (aufgerufen am 01.04.2022)
- Kompetenzzentrum für Ernährung Milch ist ein gesundes Lebensmittel
Quellen
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
ESL-Milch: Klare Kennzeichnung für Verbraucher (aufgerufen am 30.03.2022) - Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) Milch – Vom Stall bis in die Küche (aufgerufen am 01.04.2022)
- Milchindustrieverband (MIV) Milkipedia: ESL-Milch
- Selbstverpflichtungserklärung des MIV zu ESL-Milch (aufgerufen am 31.03.2022)
- Kaufmann, V., Scherer, S., Kulozik, U.: Stoffliche Veränderungen in Konsummilch durch haltbarkeitsverlängernde Verfahren - Fakten zur Frage der Kennzeichnung von ESL-Milch
- Milch ist nicht gleich Milch - das Max Rubner-Institut informiert über die Unterschiede (2009)
- Verfahrenstechniken zur Behandlung von ESL-Milch (Food Technologie Magazin, Februar 2009, S. 4-5)
- Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen e.V. (LV Milch NRW) Wärmebehandlungsverfahren der Milch – ESL-Milch (aufgerufen am 30.03.2022)
- Max-Rubner-Institut (MRI). Flyer: Milch und Milcherzeugnisse - Qualitätssicherung durch moderne Verfahren (aufgerufen am 30.03.2022)
- Strahm, W., Eberhard, P.: Milch wird hoch erhitzt oder filtriert. Alimenta. 12, 25-27 (2009)
- Walther, B.: Nährstoffverlust durch Hocherhitzung? Alimenta. 12, 28-29 (2009)
Weitere Themen
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
Ähnliche Artikel
- Was tun bei Milchunverträglichkeit
- Mythen und Fakten rund um die Milch
- Vorzugsmilch
- Wie wird aus Rohmilch Trinkmilch?
- ESL-Milch – was steckt dahinter?
- Was ist A2 Milch und ist sie wirklich gesünder als herkömmliche Milch?
- Kennzeichnung von Milch: Welche Informationen liefert die Verpackung / das Etikett?
- Ernährung in den ersten 4-6 Monaten: Muttermilch und Säuglingsmilchnahrung