Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen – (k)ein Problem?
In diesem Beitrag finden Sie
- Wie ist die Situation in Deutschland?
- Was ist Übergewicht und wie wird es festgestellt?
- Bewertung des Übergewichtes bei Kindern und Jugendlichen
- Mögliche Ursachen und Einflüsse auf die Entstehung von Übergewicht
- Weitere Informationen zum Thema Übergewicht
Wie ist die Situation in Deutschland?
Der Anteil der Übergewichtigen und vor allem der stark Übergewichtigen hat in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland zugenommen, auch bei Kindern und Jugendlichen. Laut einer bundesweiten Studie stagnieren zwar momentan die Zahlen, allerdings auf hohem Niveau.
Demnach sind 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren übergewichtig und knapp sechs Prozent stark übergewichtig (adipös). Hochgerechnet entspricht dies einer Anzahl von rund 1,9 Millionen übergewichtigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland, von denen etwa 800.000 stark übergewichtig sind. Dabei sind 14-17-Jährige besonders häufig betroffen. Es zeigt sich auch ein sprunghafter Anstieg des Übergewichtes beim Wechsel von der Kita in die Schule.
Wie Erhebungen von Krankenkassen zeigen, hat die Corona-Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Die Adipositas stieg in Bayern in allen Altersgruppen und stärker als im Bund: Erstmalig behandelte Adipositas-Fälle stiegen bei den Grundschülern (5 bis 9 Jahre) im Vergleich zum Vor-Pandemiezeitraum um mehr als Fünftel, bei den Schulkindern um 13 Prozent und bei den Jugendlichen um elf Prozent. Bei den Jugendlichen lag Bayern im Bundesdurchschnitt, bei den Jüngeren darüber.
Das Risiko für Folgeerkrankungen ist bei Übergewicht höher als bei Normalgewicht: Etwa jedes Vierte aller übergewichtigen Kinder und Jugendlichen hat Fettstoffwechselstörungen und etwa ein Drittel Bluthochdruck. Ebenfalls steigt das Risiko für Diabetes Typ 2 (Zuckerkrankheit).
Da aus übergewichtigen Kindern und Jugendlichen meist übergewichtige Erwachsene werden, ist Vorbeugung im Kindes- und Jugendalter besonders wichtig. Übergewicht erst gar nicht entstehen lassen, heißt die Devise.
Was ist Übergewicht und wie wird es festgestellt?
Übergewicht ist eine pathologische (krankhafte) Erhöhung der Körperfettmasse. Krankhaftes Übergewicht wird als Adipositas bzw. Fettsucht bezeichnet. Übergewicht sollte nicht allein nach Augenmaß entschieden werden Eine einfache und international übliche Erhebungsmethode ist die Ermittlung des Körpermassenindex (Body Mass Index, BMI). Dieser gibt einen ersten Anhaltspunkt, ob Übergewicht vorliegt oder nicht. Weitere Untersuchungen sollten hinzukommen, um eindeutig Übergewicht zu diagnostizieren und das damit verbundene gesundheitliche Risiko abzuschätzen.
Der BMI ist definiert als Quotient von Körpergewicht in kg zur Körpergröße in Meter zum Quadrat:
Die Formel lautet:
BMI = Körpergewicht in kg : (Körpergröße in m) 2
Die Ermittlung des BMI ist für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche gleich, bei der Bewertung wird allerdings unterschiedlich vorgegangen.
Beispielrechnung für Kinder:
Mädchen, 14 Jahre, 1,60 m groß und 69 kg schwer
Der BMI lässt sich folgendermaßen berechnen:
BMI = 69 kg : (1,60 m x 1,60 m)
= 26,9 kg/m 2
Bewertung des Übergewichtes bei Kindern und Jugendlichen
Um mit dem errechneten BMI eine Aussage zu Normal- bzw. Übergewicht treffen zu können, kommen aufgrund des Wachstums und unterschiedlicher Körperzusammensetzung bei Kindern und Jugendlichen sogenannte Wachstumskurven (Perzentilen) für Jungen bzw. für Mädchen zum Einsatz, siehe Abb. 1 und 2.
Die Wachstumskurven zeigen Vergleichswerte für gleichaltrige Jungen und Mädchen und geben Auskunft darüber, wie viel Prozent der Gleichaltrigen gleichen Geschlechts einen niedrigeren bzw. höheren BMI haben.
Die Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) definiert die BMI-Kategorien wie folgt:
-
Starkes Untergewicht: BMI liegt unterhalb der 3. Perzentile
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Untergewicht: BMI liegt zwischen der 3. und der 10. Perzentile
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Normalgewicht: BMI liegt zwischen der 10. und der 90. Perzentile
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Übergewicht: BMI liegt über der 90. Perzentile
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Starkes Übergewicht: BMI liegt über der 97. Perzentile
Die Wachstumskurven berücksichtigen bei der Beurteilung des BMI das Geschlecht.
Abb. 1: Wachstumskurven (Perzentilkurven) für den Body Mass Index (Jungen 0 - 18 Jahre)
Quellen:
K. Kromeyer-Hauschild, M. Wabitsch, D. Kunze et al.: Monatsschr. Kinderheilk. (2001) 149:807-818
K. Kromeyer-Hauschild, A. Moss, M. Wabitsch: Adipositas (2015) 9:123-127 (Interpolation mit den Daten des BGS98 im Altersbereich von 15-18 Jahren)
Abb. 2: Wachstumskurven (Perzentilkurven) für den Body Mass Index (Mädchen 0 - 18 Jahre)
Quellen:
K. Kromeyer-Hauschild, M. Wabitsch, D. Kunze et al.: Monatsschr. Kinderheilk. (2001) 149:807-818
K. Kromeyer-Hauschild, A. Moss, M. Wabitsch: Adipositas (2015) 9:123-127 (Interpolation mit den Daten des BGS98 im Altersbereich von 15-18 Jahren)
Bei dem Rechenbeispiel liegt der errechnete BMI des Mädchens auf der 97. Perzentile laut Wachstumskurve, siehe Abb. 2. Dies heißt, dass 97 Prozent der 14-jährigen Mädchen der Referenzgruppe einen niedrigeren BMI-Wert haben, 3 Prozent haben einen höheren BMI-Wert. Der BMI des Mädchens ist damit im Vergleich zu den gleichaltrigen Mädchen sehr hoch. Das Mädchen ist übergewichtig und an der Grenze zu starkem Übergewicht.
Neben dem BMI gibt die Messung der Hautfaltendicke an bestimmten Körperstellen weitere Informationen über ein mögliches Übergewicht. Im Hinblick auf das gesundheitliche Risiko entscheidend ist allerdings, wo am Körper sich das Fett befindet. Ist das Fett mehr im Bauchraum angesiedelt oder befindet es sich eher an den Hüften und Oberschenkel. Das Fett im Bauchraum steht dabei für ein höheres gesundheitliches Risiko, einen Diabetes Typ 2 oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln.
Die Fettverteilung wird bei Erwachsenen durch die Messung des Taillen- und Hüftumfanges und die Ermittlung eines Taille-Hüfte-Index festgestellt. In Deutschland existieren Perzentilkurven (Körperwachstumskurven) für den Taillenumfang von Kindern und Jugendlichen. Derzeit ist allerdings die Festlegung von Grenzwerten schwierig, da der Zusammenhang zwischen bestimmten Erkrankungen und dem Taillenumfang bei Kindern und Jugendlichen bisher noch nicht ausreichend untersucht wurde.
BMI-Rechner: Das Gewicht im Blick
Mögliche Ursachen und Einflüsse auf die Entstehung von Übergewicht
Genetische Faktoren
Genetische Ursachen spielen bei der Entstehung von Übergewicht eine Rolle. Ein hoher Risikofaktor liegt vor, wenn beide Elternteile übergewichtig sind. Dennoch können Eltern und Kinder durch einen gesundheitsförderlichen Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und Umgang mit Stress der Entstehung von Übergewicht entgegenwirken.
Ernährungsfaktoren:
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Ein hohes Ausgangsgewicht der Mutter und eine starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft beeinflussen ein mögliches Übergewicht des Kindes. Heute weiß man, dass die ersten 1000 Tage im Leben eines Kindes entscheidend sind für die spätere Gewichtsentwicklung.
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Zur Ernährung in der Schwangerschaft:
Gesund ins Leben
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Stillen gilt als Schutzfaktor für die Entstehung von kindlichem Übergewicht. Empfohlen werden vier bis sechs Monate zu stillen
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Nähere Infos zum Stillen von Gesund ins Leben
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Nähere Infos zur Ernährung im 2. Lebenshalbjahr von Gesund ins Leben
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Wenn das Kind am Familientisch mit isst, ahmt es das Verhalten der Eltern, älteren Geschwister oder sonstiger enger Bezugspersonen nach. Das Vorbild der Eltern ist damit sehr wichtig, außerdem das Essensangebot und die Rahmenbedingungen, in denen die Mahlzeiten eingenommen werden. Die ersten Lebensjahre bieten ein großes Potenzial, den Grundstein für eine ausgewogene Ernährung und tägliche körperliche Aktivität zu legen.
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Informationen dazu siehe
Gesund ins Leben Kleinkinder
BZgA: Ernährung bei Kindern
Verbraucherportal: Ernährung für Kinder
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In Kürze: Ungünstig sind
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eine unausgewogene Ernährung mit stark gesüßten und fetthaltigen Lebensmitteln,
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große Portionen,
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schnelles Essen,
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Nebenbeschäftigungen beim Essen, wie Fernsehen, Malen, Lesen etc.,
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wenig Obst und Gemüse,
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häufiger Verzehr von Zwischenmahlzeiten, insbesondere fett- und zuckerhaltigen Snacks und zuckerhaltigen Getränken,
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Belohnungsrituale mit Essen bzw. Essen als Trost oder bei Langeweile.
Alltagsaktivität, Sport und Freizeitgestaltung:
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Zu geringe körperliche Bewegung im Alltag
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Wenig Sport
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Passive Freizeitgestaltung mit zu viel Fernsehen, Computerspiele etc.
Weitere Infos: Gesund ins Leben Bewegung
Sonstige Faktoren
Daneben wirken sich auch Erkrankungen wie eine Hypothyreose (Unterfunktion der Schilddrüse), die Einnahme von bestimmten Medikamenten wie Kortison, Stress und Schlafmangel gewichtssteigernd aus.
Weitere Informationen zum Thema Übergewicht
Die erste Anlaufstelle für Eltern sollte der Kinderarzt sein, der gegebenenfalls weitere Untersuchungen vornimmt und über die nächsten Schritte berät.
Informationen zum Thema Übergewicht finden Sie im Internet auch unter
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Übergewicht vorbeugen
- Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Staatliche Angebote der Ernährungsbildung in Bayern
Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Bildnachweis:
94716544 Diät Arzt
© Stasique - Fotolia.com
Literatur/Veröffentlichungen
- Schienkiewitz A, Brettschneider AK, Damerow S, Schaffrath Rosario A (2018) Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring 3(1):16–23.
- Brettschneider A-K, Schaffrath Rosario A, Kuhnert R et al (2015): Updated prevalence rates of overweight and obesity in 11- to 17-year-old adolescents in Germany. Results from the telephone-based KiGGS Wave 1 after correction for bias in self-reports. BMC Public Health 15:1101-1109
- Kinder- und Jugendreport 2022, DAK-Krankenkasse
- Deutsche Adipositas Gesellschaft
- European Association for the study of Obesity. Guidelines for the management of obesity in adults. European Project for Primary Care. 2002.
- Info-Portal Kinder- und Jugendgesundheitssurvey
- Konsensusbasierte (S2) Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. 2019
- Kromeyer-Hauschild K, Moss A, Wabitsch M (2015). Referenzwerte für den Body-Mass-Index für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Deutschland. Anpassung der AGA-BMI-Referenz im Altersbereich von 15 bis 18 Jahren. Adipositas; 9: 123-127.
- Kromeyer-Hauschild K, Wabitsch M, Kunze D, et al. (2001) Perzentile für den Body-Mass-Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschr Kinderheilk 149:807-818
- WHO. Obesity: preventing and managing the global epidemic. WHO Technical Report Series 894, Genf 2000
- Kromeyer-Hauschild K, Dortschy R, Stolzenberg H, Neuhauser H, Rosario AS (2011) Nationally representative waist circumference percentiles in German adolescents aged 11.0-18.0 years. Int J Pediatr Obes. 6(2-2):e129-37
- Kromeyer-Hauschild K, Gläßer N, Zellner K (2008) Waist circumference percentile in Jena children (Germany) 6- to 18-years of age (Perzentile für den Taillenumfang von Jenaer Kindern im Alter von 6 bis 18 Jahren). Aktuelle Ernährungsmedizin 33 (3): 116–122
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