Kartenmissbrauch: Wer haftet bei fremder Abbuchung?
In diesem Beitrag finden Sie
- Kartensperrung
- Missbräuchliche Verwendung vor Sperrung ohne PIN
- Missbräuchliche Verwendung vor Sperrung mit der PIN
- Wer haftet für den Schaden?
- Beweislast
Wirksamer Schutz: Karte sperren
Zunächst ist es wichtig, dass man die Karte unverzüglich sperren lässt, wenn man deren Verlust bemerkt, § 675 l Absatz 1 Satz 2 BGB. Hierfür gibt es einen einheitlichen Sperrannahmedienst unter der Rufnummer: 116 116. Wenn man diese Nummer aus dem Ausland anrufen will, muss man die deutsche Ländervorwahl 0049 vorwählen. Der Anruf vom Inland aus ist kostenlos, vom Ausland aus kostenpflichtig. Diese Nummer sollte man in seinem Handy abspeichern, damit man im Ernstfall sofort reagieren kann. Die jeweils aktuellen Sperrnummern, sowie Faxvorlagen und weitere Tipps stehen auf der Internetseite www.kartensicherheit.de. Für die Sperrung sollte man die IBAN der eigenen Kontoverbindung kennen, um diese angeben zu können.
Den Anruf bei der Sperrhotline sollte man dokumentieren mit Datum, Uhrzeit und Gesprächspartner/-in, sowie eventuell Zeug/-innen, die mithören.
Für unberechtigte Verfügungen mit der Karte, die erfolgen, nachdem der Verlust der Karte bei der Sperrhotline angezeigt wurde, haftet der/die Karteninhaber/-in nicht (§ 675 v Absatz 5 Satz 1 BGB).
Missbrauch der Debitkarte vor Sperrung mit Unterschrift
Benutzt eine fremde Person die Karte, um damit am Bankschalter Geld abzuheben, oder geht sie mit der Karte einkaufen und erteilt an der Kasse eine Einzugsermächtigung, so handelt es sich hierbei in beiden Fällen um Vorgänge, die mit einer Unterschrift bestätigt werden müssen.
Um einen Vergleich zwischen der geleisteten Unterschrift und der tatsächlichen Unterschrift zu ermöglichen, befindet auf der Rückseite jeder Karte die Kundenunterschrift. Das Risiko, dass die Unterschrift falsch ist, trägt nicht der/die Kund/-in, sondern sein/-e Vertragspartner/-in.
Am Bankschalter ist dies also die Bank und beim Einkaufen im Geschäft der/die Verkäufer/-in, denn er/sie ermöglicht es den Kund/-innen, auf diese Weise zu bezahlen. Aus diesem Grund wird vom/von der Zahlenden teilweise die Vorlage des Personalausweises verlangt.
Missbrauch der Debitkarte vor Sperrung mit PIN
Wer haftet also, wenn die unberechtigte Person Verfügungen mit der PIN (Persönliche Identifikationsnummer) vorgenommen hat, bevor die Karte gesperrt wurde? Dies ist juristisch umstritten, zum Beispiel, wenn Geld am Automaten abgehoben wird oder in einem Geschäft unter Verwendung der Geheimnummer bezahlt wird.
Wer haftet wann für den entstandenen Schaden?
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Gemäß § 675 u BGB bleibt grundsätzlich die Bank auf dem Schaden sitzen.
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Soweit die missbräuchliche Verwendung der Debit- oder Kreditkarte vor der Verständigung des Sperrannahmedienstes vorgenommen wurde, können die Zahlungsinstitute aber Regelungen treffen, dass der/die Karteninhaber/-in verschuldensunabhängig mit maximal 50,- € für den entstandenen Schaden haftet (§ 675 v Absatz 1 BGB). Diese Haftung besteht nach § 675 v Absatz 2 BGB aber dann nicht, wenn es dem/der Bankkunde-/in z.B. nicht möglich war, den Verlust oder die missbräuchliche Verwendung der Karte zu bemerken.
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Außerdem haftet der/die Karteninhaber/-in gemäß § 675 v Absatz 4 BGB dann nicht, wenn die Bank eine „starke Kundenauthentifizierung“ nicht verlangt oder ein/-e Händler/-in eine solche nicht akzeptiert.
Was eine „starke Kundenauthentifizierung“ ist, wird in § 1 Absatz 24 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) genannt. Das ist das Vorliegen von mindestens zwei Merkmalen aus den Bereichen „Wissen“, „Besitz“ und „Inhärenz“. „Wissen ist z.B. die PIN-Nummer oder ein Passwort. Der „Besitz“ bezieht sich z.B. auf eine Karte und mit „Inhärenz“ ist etwas gemeint, das quasi an dem/der Kunden/Kundin haftet, wie z.B. der Fingerabdruck. Wenn also z.B. ein/-e Händler/-in nur ein Zahlungsverfahren mit Karte und Unterschrift akzeptiert, dann liegt keine starke Kundenauthentifizierung vor, da nur ein Merkmal aus dem Bereich „Besitz“, nämlich die Karte verlangt wird.
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Zum Ersatz des gesamten entstandenen Schadens ist der/die Karteninhaber/-in allerdings dann verpflichtet, wenn er/sie in betrügerischer Absicht gehandelt oder den Schaden durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung wichtiger Vertragspflichten herbeigeführt hat . Als grob fahrlässig wurde von der Rechtsprechung beispielsweise folgendes Verhalten angesehen:
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das Notieren der PIN auf der Bank-Karte oder auf einem Zettel im Geldbeutel oder in der Handtasche (auch wenn sie als Geburtsdatum oder Telefonnummer getarnt ist)
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das Mitteilen der PIN an eine andere Person, wenn dadurch der Missbrauch ermöglicht wurde
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das Liegenlassen der Karte oder des Geldbeutels mit der Karte an einem öffentlich zugänglichen Ort
- das Unterlassen der Meldung des Verlustes der Karte, nachdem man den Verlust bemerkt hat
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Beweislast liegt bei der Bank
Wenn ein Zahlungsvorgang erfolgt ist, also beispielsweise eine Abhebung am Geldautomaten mit der Debitkarte, und der/die Karteninhaber/-in vorträgt, dass er/sie diese Abhebung nicht gemacht hat, muss die Bank nachweisen, dass auf ihrer Seite alles ordnungsgemäß abgelaufen ist. Das besagt § 675 w Satz 1 BGB. Sie muss z.B. ein Protokoll des Automaten vorlegen, aus dem sich ergibt, dass dieser ordnungsgemäß funktioniert hat, und es an diesem Tag keine Störungen oder außergewöhnliche Vorkommnisse gab.
Abheben mit PIN: Beurteilung je nach Einzelfall
Wenn von einem Geldautomaten unter Einsatz der Karte mit PIN-Nummer Geld abgehoben wurde, vertreten Banken meist die Ansicht, dass der sogenannte Anscheinsbeweis dafür spricht, dass die/der Karteninhaber/-in diese Abhebung vorgenommen hat, oder er vorsätzlich oder grob fahrlässig Pflichten verletzt hat, durch die diese Handlung durch einen Dritten möglich wurde.
§ 675 w Satz 3 BGB besagt allerdings, dass die Tatsache, dass ein Zahlungsvorgang, der unter Verwendung eines Authentifizierungsmittels vorgenommen wurde, also z.B. durch Eingeben der PIN-Nummer allein nicht notwendigerweise ausreicht, um nachzuweisen, dass der/die Kunde/Kundin den Zahlungsvorgang autorisiert, in betrügerischer Absicht gehandelt oder eine oder mehrere Vertragspflichten verletzt hat. Was das Gesetz genau mit „allein nicht notwendigerweise“ meint, wird unter Jurist/-innen heiß diskutiert. In jedem Fall kann man daraus lesen, dass eine Beurteilung der speziellen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Es könnte z.B. sein, dass jemand die PIN-Nummer ausgespäht hatte, ohne dass der/die Karteninhaber/-in das merken konnte.
Für Kund/-innen hilfreich ist zudem § 675 w Satz 4 BGB: Demnach muss die Bank unterstützende Beweismittel vorlegen, um Betrug, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit von Kund/-innen nachzuweisen. Für die Bank ist es also nicht nur damit getan, sich auf den sogenannten Anscheinsbeweis zu berufen. Kund/-innen sollten, nachdem sie sich von einem/einer spezialisierten Rechtsanwalt/Rechtsanwältin beraten lassen hat, genau vortragen, wie er sich verhalten hat und versuchen zu begründen, warum er für die unberechtigte Kartenverfügung nicht verantwortlich ist.
Wie sicher ist die PIN?
Die entscheidende Frage ist, ob sich die PIN-Nummer mit technischen Hilfsmitteln aus der Karte ermitteln lässt oder nicht. Die Experten der Kriminalämter und der Kreditinstitute sind sich einig, dass die verwendeten Verschlüsselungsalgorithmen so aufwendig sind, dass selbst ein Großrechner mehrere Monate an Rechenleistung benötigen würde, um die PIN-Nummer aus dem Magnetstreifen oder dem EMV-Chip herauszulesen. Es gibt aber unter EDV-Fachleuten auch kritische Stimmen, die das anders sehen.
So sieht es die Rechtsprechung
Viele Gerichte haben sich der Meinung der Kriminalexpert/-innen angeschlossen und gehen deswegen von folgender These aus: Da die PIN aus dem Magnetstreifen oder dem EMV-Chip der Karte nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand zu ermitteln ist, besteht ein so genannter Anscheinsbeweis dafür, dass der/die Kund/-in mit seiner PIN grob fahrlässig umgegangen ist.
Eine höchstrichterliche einheitliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) fehlt bislang. Allerdings räumt der BGH in einem Urteil vom 29.11.2011 (Az. XI ZR 370/10), das noch vor der aktuellen Fassung des § 675 w BGB gesprochen wurde, erstmals ein, dass die Verwendung der PIN nicht in jedem Fall den Rückschluss zulässt, dass der/die Karteninhaber/-in oder eine dritte Person die Karte missbräuchlich verwendet hat. Hiervon ist nur bei Verwendung der Originalkarte auszugehen, die die Bank zu beweisen habe. Bei einer Kartenkopie z.B. durch Skimming spricht zwar der Geschehensablauf auch dafür, dass Originalkarte und Geheimzahl gemeinsam aufbewahrt worden seien. Tatsächlich habe der/die Karteninhaber/-in aber keine Kenntnis, dass eine Kopie angefertigt worden sei. Durch diese Rechtsprechung wird der Beweis des ersten Anscheins bei Verwendung der PIN in Frage gestellt.
- Mit Bank- oder Kreditkarte auch als älterer Mensch zahlen? - Aber sicher!
- Online-Skimming
- Infos und Übersicht zum Sperren von Karten: www.kartensicherheit.de
- Passwörter & Schutz der digitalen Identität (Deutschland sicher im Netz)
- Skimming (von polizei-beratung.de)
- Besserer Schutz von Bankkunden bei Kartenmissbrauch - BGH-Urteil vom 29.11.2011, At. XI ZR 370/10
- Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder, Zentrale Geschäftsstelle beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg, Taubenheimstraße 85, 70372
Stuttgart, Telefon 0711/5401-2062. Dort erhalten Sie die Adressen der polizeilichen Beratungsstellen in Ihrer Nähe.
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