Bestrahlung von Lebensmitteln - wirksam aber ungeliebt
Von: Gisela Horlemann, VerbraucherService Bayern e.V.
In diesem Beitrag finden Sie
- Warum werden Lebensmittel bestrahlt?
- Was bedeutet „Lebensmittelbestrahlung“?
- Was darf bestrahlt werden?
- Welche Kennzeichnung gibt es?
- Kontrollen und Kontrollergebnisse
- Fazit
Warum werden Lebensmittel bestrahlt?
Lebensmittel werden bestrahlt, um gesundheitsschädliche Mikroorganismen abzutöten und die Haltbarkeit zu verlängern. Sie dürfen jedoch nicht bestrahlt werden, um eine schlampige unhygienische Arbeitsweise zu verdecken.
Was bedeutet „Lebensmittelbestrahlung“?
Lebensmittelbestrahlung ist eine gezielte physikalische Behandlung von Lebensmitteln mit einer genau dosierten Strahlungsenergie. Diese bezeichnet man als ionisierende Strahlung. Ionisierende Strahlen besitzen eine sehr schwache Strahlung beziehungsweise geringe Energien. Sie dringen nicht bis zum Kern des Moleküls vor und erzeugen daher auch keine Radioaktivität. Je nach Dosis sind sie aber kräftig genug, um die Erbsubstanz von Mikroorganismen oder Pflanzenteilen zu schädigen oder Reifungsprozesse zu verzögern. Dann können sich Bakterien und Vorratsschädlinge nicht mehr vermehren, aber auch Pflanzenzellen nicht mehr teilen.
Das verhindert beispielsweise:
- das Wachstum von Krankheitserregern wie Salmonellen und Mikroorganismen die den Verderb beschleunigen
- das Auskeimen von Kartoffeln und Zwiebeln
- den Befall von Vorräten durch Käfer etc.
- das schnelle Reifen von Bananen
Kohlenhydrate, Eiweiß, Fett und Vitamine können durch die Bestrahlung teilweise zerstört werden. Die Verluste bewegen sich im selben Rahmen wie bei anderen Methoden der Konservierung.
Das Lebensmittel selbst wird bei der Bestrahlung nicht radioaktiv. Denn ionisierende Strahlen sind nicht mit Radioaktivität vergleichbar. Radioaktivität entsteht, wenn instabile Atome zerfallen und Energie frei wird.
Was darf bestrahlt werden?
In Deutschland
In Deutschland dürfen nur Kräuter und Gewürze bestrahlt und in den Verkehr gebracht werden. Dies regelt die Lebensmittel-Bestrahlungsverordnung (LMBestrV).
Bestrahlte Kräuter und Gewürze dürfen auch verkauft werden, wenn sie beispielsweise in Fertigsuppen oder in Frischkäse eingesetzt werden.
Für bestrahlte Lebensmittel, die in Deutschland oder in anderen Ländern der EU verkauft werden sollen, muss immer erst eine Zulassung, beziehungsweise eine Ausnahmeregelung beantragt werden.
So sind beispielsweise Frischkäse mit bestrahlten Kräutern seit 1999 und mit Ausnahmegenehmigung bestrahlte Froschschenkel seit 2006 zum Verkauf in Deutschland freigegeben.
In der Europäischen Union
Innerhalb der EU besteht eine Übereinstimmung, dass alle Länder, die eine zugelassene Bestrahlungsanlage besitzen, ebenfalls Kräuter und Gewürze bestrahlen und verkaufen dürfen. In vielen Ländern ist aber noch weit mehr erlaubt. So dürfen beispielsweise Zwiebeln, Knoblauch, Getreideflocken für Milchprodukte, Geflügel oder gefrorene Garnelen bestrahlt werden.
Welche Lebensmittel in welchen Mitgliedsstaaten bestrahlt werden dürfen, veröffentlich die EU in regelmäßigen Berichten. Der neueste Bericht der Kommission betrifft die Jahre 2020 und 2021.
Insgesamt wurden 2020 und 2021 5029,1 Tonnen von Erzeugnissen in den Mitgliedstaaten mit ionisierender Strahlung behandelt.
Davon wurden knapp über 80 Prozent in Belgien (83 %), bestrahlt,
Die drei am häufigsten bestrahlten Lebensmittelgruppen sind:
- Froschschenkel (76,4 %)
- Geflügel (11,9 %) und
- aromatische Kräuter oder Gewürze (11,6 %).
Insgesamt ist die Menge der bestrahlten Erzeugnisse rückläufig.
In anderen Ländern
In anderen Ländern, die nicht zur EU gehören, wird ebenfalls bestrahlt. In Amerika und Asien steigt der Einsatz dieser Technik.
So ist beispielsweise in China die Bestrahlung von Nahrungsergänzungsmitteln oder getrockneten Pilzen erlaubt und in der Türkei werden unter anderem Trockensuppen bestrahlt.
In den USA dürfen Fleisch, Fleischprodukte und Innereien bestrahlt werden.
Welche Kennzeichnung gibt es?
Bestrahlte Lebensmittel dürfen nur verkauft werden, wenn sie korrekt gekennzeichnet sind. Jedes bestrahlte Lebensmittel, das eine oder mehrere bestrahlte Zutaten enthält, ist mit den Worten „bestrahlt“ oder „mit ionisierender Strahlung behandelt“ zu kennzeichnen.
Laut Gesetz müssen die Angaben gut lesbar und folgendermaßen angebracht sein:
- bei loser Abgabe der Lebensmittel auf einem Anschlag oder einem Schild über oder neben dem Behältnis, in dem sich das betreffende Lebensmittel befindet,
- bei verpackten Produkten direkt auf der Verpackung.
Die Kennzeichnungspflicht gilt auch, wenn bestrahlte Lebensmittel in Gaststätten oder Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung verwendet werden. Im Versandhandel muss ebenfalls darauf hingewiesen werden.
Kontrollen und Kontrollergebnisse
Kontrollen
Die Bestrahlung kann durch verschiedene EU-weit standardisierte Verfahren überprüft und nachgewiesen werden.
Dabei gibt es 2 Hauptprobleme:
- Es wird zu wenig kontrolliert um alle „schwarzen Schafe" zu entdecken“
- Wenn nur wenige bestrahlte Zutaten verarbeitet werden, können diese nicht oder nur schwer entdeckt werden. Beispiel: bestrahlte Kräuter in einem Fertiggericht.
Kontrollergebnisse Bayern
Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat seinen Jahresbericht 2021/2022 veröffentlicht. Darin stehen auch die Ergebnisse der Untersuchungen zum Thema Bestrahlung. Bei 913 Proben lag die Beanstandungsquote bei unter einem Prozent.
Veröffentlicht wurde auch ein Bericht über Untersuchungen im Jahre 2021 und 2022. Demnach untersuchte das LGL 2021 insgesamt 778 und 2022 726 Lebensmittelproben. Gefunden wurden 6 Produkte Instantgerichte und -soßen und Nahrungsergänzungsmittel. Die Beanstandungsquote auch 2021 und 2022 unter einem Prozent.
Kontrollergebnisse Europäische Union
Dem Bericht der Europäischen Kommission für die Jahre 2018 und 2019 kann folgendes entnommen werden:
Zitat: 2018 und 2019 wurden 9808 Proben von 25 Mitgliedstaaten analysiert, d. h. insgesamt 12 % weniger als 2016 und 2017;
Davon entfielen75,6 % der Proben auf vier Mitgliedstaaten (Deutschland 56 %, Italien 9 %, Polen 5,3 % und Rumänien 5,3 %).
Im Jahr2018 und 2019 entsprachen 9808 Proben (97,1 %) den EU-Anforderungen, während 83 Proben (1,0 %) diesen nicht entsprachen und 88 Proben (1,0 %) nicht eindeutige Ergebnisse lieferten. Die Hauptgründe für Verstöße bei den untersuchten Proben waren, ähnlich wie in den Vorjahren, falsche Kennzeichnung und verbotene Bestrahlung sowie Bestrahlung in Anlagen ohne EU-Zulassung. Zitat Ende.
Fazit
Der Verbraucher kann durch die Kennzeichnungspflicht bestrahlte Lebensmittel erkennen und gegebenenfalls vermeiden. Zudem sind nur wenige Lebensmittel in Deutschland zugelassen, die Beanstandungsquote ist gering und das Verfahren gilt als sicher und ungefährlich.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz hält die Nährstoffverluste für unwesentlich. “Bei der Bestrahlung werden Inhaltsstoffe wie Kohlenhydrate, Proteine Fettsäuren Vitamine in geringem Umfang abgebaut. Dies ist zwar messbar, hat aber keine wichtige Bedeutung für den Gehalt an Nährstoffen. Lediglich Mineralstoffe bleiben völlig unbeeinflusst“.
Die World Health Organisation WHO empfiehlt die Bestrahlung von Lebensmitteln aus hygienischen Gründen zum Beispiel für Geflügelfleisch.
Bildquelle: Panthermedia
- Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Bestrahlung von Lebensmitteln Untersuchungsergebnisse 2021/ 2022
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelbestrahlung allgemein
- BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die mit ionisierenden Strahlen behandelt wurden für die Jahre 2020 und 2021 EUR-Lex - 52023DC0676 - DE - EUR-Lex, Zugriff am 13.12.2023
- Publications Office of the EU (europa.eu) Jahresberichte, Zugriff 28.09.2023
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