Lauflernhilfen: Vorsicht hohes Verletzungsrisiko
Von: LGL in Partnerschaft mit Fachverband
In diesem Beitrag finden Sie
- Definition und Anwendung
- Modelle
- allgemeine Risiken
- Checkliste: Darauf sollten Sie beim Kauf achten
- Tipps für den sicheren Umgang
Definition und Anwendung
Sogenannte Lauflernhilfen bestehen aus einem Plastik- oder Metallgestell auf Rollen mit integriertem Sitz. Hier werden die Kinder reingesetzt, hängen in einer Art Hosengurt und stoßen sich mit den Zehenspitzen vom Boden ab, um sich fortzubewegen. Viele Geräte haben zusätzlich einen Spieltisch mit Rasseln oder Figuren.
Eltern setzen ihre Kinder oft in die sogenannten Lauflernhilfen, da sie fälschlicherweise glauben, ihrem Nachwuchs damit das „Laufen lernen“ zu erleichtern, und um sie zu beschäftigen. Vielen Kindern macht das Sitzen in den sogenannten Lauflernhilfen zudem Spaß, auch wenn die Position den kindlichen Körper zu diesem Zeitpunkt noch überfordert. Sie freuen sich über die aufrechte Perspektive, die sie alleine noch nicht einnehmen können, die neue Art der Fortbewegung und über den größeren Bewegungsradius in den Geräten. Mit diesen scheinbaren Vorteilen sind allerdings zahlreiche Risiken verbunden: Teppichkanten werden zu Stolperfallen, für Kinder gefährliche Gegenstände rücken in den Lauflernhilfen auf einmal in greifbare Nähe. Stürze und Vergiftungen sind nur zwei Beispiele für mögliche Gefahren, denen Kinder in den sogenannten Lauflernhilfen ausgesetzt sind.
Modelle
Es gibt sehr unterschiedliche Modelle. Zum einen gibt es sehr schlichte Modelle. Zum anderen gibt es Modelle mit integriertem Tisch, darauf befestigtem Spielzeug etc..
allgemeine Risiken
Während der Nutzung der sogenannten Lauflernhilfen bestehen folgende Risiken, die mitunter schwerwiegende Verletzungen – zum Teil mit Todesfolge – haben können:
- Stürze: Ein krabbelndes Kind bewegt sich mit einer seiner Entwicklung entsprechenden Geschwindigkeit voran. In einer Lauflernhilfe mit Rollen kann ein Kind sich jedoch durch Abstoßen mit den Füßen am Boden sehr schnell fortbewegen und damit kurzfristig unnatürlich hohe Geschwindigkeiten erreichen (bis zu 10 km/h). Bei schneller Fortbewegung über unebene Flächen, Stufen, Tritte und Türschwellen können die zum Teil instabilen Gestelle umkippen. Da sich das Kind bei einem Sturz in dem Gestell nicht abrollen kann, fällt es meist direkt auf den Kopf. Dies wiederum führt oft zu schweren Verletzungen im Kopfbereich. Bei fehlenden Sicherungen an Treppenabgängen stürzen Kinder die Treppen hinunter und können auch hier schwerste Verletzungen davontragen oder – im schlimmsten Falle – sterben.
- Stöße und Quetschungen: Bei schnellen Fahrten prallt das Kind gegen Möbel, Wände, Türen oder Tisch-Untergestelle oder sonstige harte Gegenstände. Stöße am Kopf und Quetschungen an den Armen und Händen können die Folge sein.
- Verbrühungen und Verbrennungen: Eine Lauflernhilfe ermöglicht dem sonst noch krabbelnden Kind das aufrechte Stehen. So erreicht das Kind bisher unerreichbare Gegenstände wie zum Beispiel Tischdecken mit darauf abgestellten heißen Getränken, Netzkabel von Wasserkochern oder die Griffe von Pfannen mit heißem Inhalt. Beim Ziehen daran ereignen sich immer wieder schwere Unfälle.
- Vergiftungen und Ersticken: Durch den plötzlichen aufrechten Stand gelangt das Kind an vermeintlich sicher gelagerte Gegenstände. Schwere Vergiftungen etwa durch Zigaretten und Medikamente und mitunter tödliche Unfälle durch das Ersticken an Kleinteilen wie Münzen, Knöpfe, Magneten, Erdnüssen, Spielzeugteilen oder Knopfbatterien können die Folge sein.
- Entwicklungsverzögerungen: Anders als der Name vermuten lässt, kann der Gebrauch von Lauflernhilfen die motorische Entwicklung sogar behindern und verzögern: Das Gleichgewicht und die dafür nötige Muskulatur entwickeln Kinder mit den „Hilfen“ später als ohne, da sie passiv darin gehalten werden, anstatt aktiv das Sitzen und den aufrechten Stand zu üben und im nächsten Schritt Laufen zu lernen. So lange Kinder nicht selbst ohne Unterstützung sitzen und stehen können, ist die Muskulatur noch nicht auf die aufrechte Haltung eingerichtet - die Wirbelsäule wird nur sehr unzureichend gestützt. Sind Stütz- und Bewegungsapparat des Kindes überlastet, können diese ihre Position nicht selbst verändern, da die Bewegungsmöglichkeiten in den Lauflernhilfen stark einschränkt sind. Die Kinder können Fehlhaltungen einnehmen, deren Folgen mitunter erst viele Jahre später auftreten.
Checkliste: Darauf sollten Sie beim Kauf achten
Soll trotz aller Unfall- und Gesundheitsrisiken eine Lauflernhilfe gekauft werden, sollte diese nach der europäischen Sicherheitsnorm DIN EN 1273 gebaut sein. Zu beachten ist allerdings, dass hierbei nur das Produkt getestet wird und sonstige Gefahren für Kinder nicht berücksichtigt werden. Eltern und Betreuungspersonen sollten die Risiken von Lauflernhilfen nicht unterschätzen und das Kind in einer vermeintlich sicheren "Aufbewahrung" wähnen, nur weil ein Gerät nach der DIN-Norm getestet wurde.
Tipps für den sicheren Umgang
Werden die Lauflernhilfen trotz des vorhandenen Unfallrisikos genutzt, sollten Erwachsene die Umgebung des Kindes vorher gründlich absichern:
- Verhindern Sie den Zugang des Kindes zu Türen, Treppen, Stufen und unebenen und schrägen Flächen.
- Verhindern Sie ein mögliches Zusammenprallen mit Glastüren, Fenstern oder Möbelstücken mit Glasteilen.
- Verhindern Sie einen möglichen Zusammenstoß mit scharfen Kanten und Spitzen.
- Entfernen Sie alle gefährlichen Gegenstände, an die das Kind in der Laufhilfe mit ausgestrecktem Arm greifen könnte.
- Lassen Sie Ihr Kind nie unbeaufsichtigt!
Wir danken der BAG Mehr Sicherheit für Kinder e.V. für die Unterstützung.
aktuelle DIN-Normen:
DIN EN 1273:2020-11: Artikel für Säuglinge und Kleinkinder - Kinderlaufhilfen - Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren; Deutsche Fassung EN 1273:2020 (sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren für Kinderlaufhilfen, die von einem Alter an verwendbar sind, in dem das Kind schon selbstständig sitzen kann, bis zu dem Alter, in dem es selbstständig laufen kann; diese Norm gilt nicht für Kinderlaufhilfen, bei denen sich das Kind beim Gebrauch nicht von der Stelle fortbewegt, für Kinderlaufhilfen zu therapeutischen Zwecken und Heilbehandlungen und für derartige Kinderlaufhilfen, bei denen das Kind von aufblasbaren Teilen gestützt wird; Spielzeuge (z. B. Spielzeuge zum Aufsitzen, Spielzeug zum Mitschieben, üblicherweise vorgesehen für Kinder, die selbstständig laufen können) werden von dieser Norm nicht abgedeckt; wenn eine Kinderlaufhilfe mehrere Funktionen hat oder in eine andere Funktion umgewandelt werden kann, sind die entsprechenden Europäischen Normen anzuwenden)
- Kinder-Laufstall ein Sicherheitsrisiko?
- Unfall: Unfallgefahr(en) und Unfallschutz für den Verbraucher
- Podcast "So erkennt ihr sicheres Spielzeug" des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz
- Bayerische Gewerbeaufsicht
- Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mehr Sicherheit für Kinder e.V.
-
The European Child Safety Alliance and ANEC joint position statement: Baby walkers. Press Release Oct. 2010
The European Child Safety Alliance: Background Paper: Baby walkers.Oct. 2010 - Stiftung Warentest: Lauflernhilfen - Überflüssig, gefährlich – aber immer noch nicht verboten
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