Greenwashing bei Finanzanlagen: Was Sie wissen sollten
Von: Judit Maertsch - VerbraucherService Bayern
In diesem Beitrag finden Sie
- EU-Nachhaltigkeitsfahrplan
- Offenlegungsverordnung
- Taxonomie
- EU-Ökolabel für nachhaltige Geldanlagen
- Taxonomie und sozial-ethische Auswirkungen von Finanzanlagen
- Benchmarkverordnung
- Geplante Regeln der BaFin
- Ansätze nachhaltiger Geldanlagen
- Greenwashing erkennen
- Greenwashing vermeiden: Tipps für Verbraucher
Regierungen weltweit fördern den Klimaschutz mit milliardenschweren Programmen. Auch Anleger/-innen wollen sich zunehmend damit identifizieren, wie und was ihr Geld erwirtschaftet: die Geldanlage soll Gutes bewirken, Klima und Umwelt schonen oder soziale Projekte unterstützen. Die zunehmende Nachfrage nach Geldanlagen für das grüne Gewissen beeinflusst die Märkte und kann einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Veränderung der Welt leisten.
Über die Definition der Nachhaltigkeit wird dennoch kontrovers diskutiert. Der Megatrend birgt auch Missbrauchsrisiken. Marketingabteilungen von Banken und Versicherungen haben das Thema „Klimaschutz mit der Geldanlage“ längst für sich entdeckt. „Nachhaltige“ Geldanlagen halten nicht immer, was sie versprechen. Der grüne Anstrich soll die Geldanlage für Investor/-innen attraktiver machen, in Wirklichkeit entpuppt er sich allerdings oft als Werbung. Das nennt man Greenwashing.
EU-Nachhaltigkeitsfahrplan
Im Pariser Klimaschutzabkommen hat sich die EU 2015 verpflichtet, die Erderwärmung auf weniger als 2 Grad zu begrenzen. Bei der Umsetzung der Klimaziele soll das Finanzsystem eine Schlüsselrolle spielen.
Offenlegungsverordnung
Das Anti-Greenwashing Regelwerk der EU, die Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR, März 2021) verpflichtet die Finanzmarktakteur/-innen zu nachhaltigkeitsbezogener Aufklärung. Die Anbieter/-innen müssen offenlegen, ob die Anlage nach ökologischen, sozialen oder Umwelt-Merkmalen investiert und welche Auswirkungen Nachhaltigkeitsrisiken auf die Rendite des Finanzprodukts haben. Quantifizierbare Richtlinien schreibt die Offenlegungsverordnung jedoch nicht vor. Die Fondsmanager/-innen können selbst bestimmen, wie sie die Anlegergelder investieren.
Taxonomie
Der EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ führte hierzu ab 2022 ein Klassifikationssystem (Taxonomie) ein. Die Taxonomie soll Kapitalströme in nachhaltige Investitionen lenken. Laut den Nachhaltigkeitskriterien werden Investitionen als nachhaltig eingestuft, wenn sie zum Klimaschutz beitragen. Unternehmen sind laut der Taxonomie nachhaltig, wenn sie emissionsarm wirtschaften. Laut dieser Definition zählt allerdings die Kernenergie zu den grünen Energieträgern.
Zudem gibt es kein verpflichtendes Label für grüne Finanzprodukte. Jede/-r Anbieter/-in kann sich das Label „verantwortungsvoll“, „fair“, „sozial“ und „grün“ geben. Angeblich „nachhaltige“ Fonds investieren häufig in Mineralölkonzerne oder in die Atomenergie.
EU-Ökolabel für nachhaltige Geldanlagen kommt
Die EU-Kommission plant demnächst ein einheitliches EU-Ökolabel für nachhaltige Geldanlagen. Bei werblicher Übertreibung oder Vortäuschung von Nachhaltigkeitsmerkmalen sollen die EU-Mitgliedsstaaten Sanktionen anwenden.
Taxonomie und sozial-ethische Auswirkungen von Finanzanlagen
Die Taxonomie regelt nur die ökologischen Aspekte nachhaltigen Wirtschaftens. Ist aber ein Klimafonds, der in grüne Energie investiert aber Menschenrechtsrisiken in der Zulieferkette verschweigt, wirklich grün? Sind Forstprojekte nachhaltig, obwohl Ureinwohner/-innen vertrieben wurden? Die schwer messbaren sozial-ethischen Auswirkungen der Finanzanlage (Environmental, Social, Governance, ESG) berücksichtigt die Taxonomie nicht. Für die ökologischen-sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit gibt es immer noch keine Definition. Selbst Rating Agenturen liefern daher widersprüchliche Einschätzungen zur Nachhaltigkeit einer Investition.
Benchmarkverordnung
Obwohl es keine messbaren Kriterien für nachhaltiges oder ESG-Investieren gibt, müssen Finanzproduktvermittler/-innen seit August 2022 im Beratungsgespräch die Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger/-innen abfragen und diese bei der Anlageentscheidung berücksichtigen.
BaFin plant strenge Regeln
Angesichts des löchrigen Nachhaltigkeits-Regelwerks der EU plant die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin eigene Leitlinien gegen Greenwashing. Nachhaltige Finanzanlagen sollen einen messbaren Beitrag zu Nachhaltigkeit leisten. Die Zusammensetzung der als „nachhaltig“ gekennzeichneten Geldanlagen muss mindestens zu 75% ESG-Zielen (Environment, Social, Governance; Umwelt, sozial, ethisch) gerecht werden. Das Anlagevolumen z.B. in Stahlwerken oder in einem Luftfahrtunternehmen, das explizit gegen Nachhaltigkeitsvorgaben verstößt, darf 10% der Geldanlage nicht mehr übersteigen.
Ansätze für die Auwahl nachhaltiger Geldanlagen
Das Angebot an mehr (umgangssprachlich: „dunkelgrünen“) oder weniger nachhaltigen („hellgrünen“) Anlageprodukten ist riesig. Der Begriff „nachhaltig“ ist nicht geschützt, Mindeststandards für „Klima-„, „fair“ oder „verantwortungsvolle“ Investitionen fehlen. Anleger/-innen sollten daher selbst klären, ob das „grüne“ Finanzprodukt ihre Erwartungen erfüllt. Hierzu einige Ansätze für die Auswahl bei Geldanlagen:
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Negativkriterien (Ausschlüsse): Bestimmen Sie, welche Produkte, Unternehmen, Branche oder Region ihr Kapital nicht bekommen sollen. Häufig werden Kohle, Erdöl, Tabak, die Waffenindustrie von den Investitionen ausgeschlossen.
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Positivkriterien (gezielt Investieren): Legen Sie bereits im Vorfeld fest, in welche nachhaltigen Produkte, Unternehmen oder Branchen Sie investieren möchten. Solarenergie oder die ökologische Landwirtschaft stehen hier oft im Fokus.
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Best-in-Class (der „Klassenbeste“): Kein Produkt oder keine Branche wird bei der Investition ausgeschlossen. Die Geldanlage fließt beispielsweise in die nicht besonders ökologische Autosparte mit Tesla oder Volvo, da diese mit ihren E-Autos als vergleichsweise nachhaltige Branchenvertreter/-innen gelten.
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Themenfonds: Nachhaltige Themenfonds legen in einem engen Marktsegment wie Wasserstoff oder Elektromobilität an. Sie sind oft schwankungsanfälliger und risikoreicher als breit diversifizierte Fonds.
Greenwashing erkennen
Mangels Standards bieten die wenigsten Geldanlagen echte Nachhaltigkeit. Greenwashing können Sie erkennen, in dem Sie auf Qualitäts- und Transparenzmerkmale achten:
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Die Transformation zu Nachhaltigkeit dauert lange. Als Indiz für Greenwashing könnte deshalb gewertet werden, wenn die Bank oder Fondsgesellschaft ihr gesamtes Angebot auf einmal als „nachhaltig“, „fair“, „sozial verantwortungsvoll“ oder "sustainable" bezeichnet.
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Fehlende Transparenz der Geldanlage ist ein sicheres Zeichen für Greenwashing. Schließt der Fonds durch eine Negativkriterien-Liste ausdrücklich aus, dass Ihr Geld in Lebensmittelspekulation, Massentierhaltung oder Kinder
arbeit fließt? Gibt es eine Positivkriterien-Liste, die aufführt, in welche Unternehmen angelegt wird oder steht bloß der vage Hinweis irgendwo im Kleingedruckten, dass die Bank „nach Nachhaltigkeitskriterien“ investiert? -
Den Unterschied zwischen reinen Marketingaussagen und der tatsächlichen Anlagepraxis zu erkennen, ist schwierig. Fragen Sie explizit nach dem Anlageportfolio! In welche Unternehmen fließen die größten Anlagepositionen? Zahlreiche Fonds mit grünen Bäumchen auf dem Verkaufsprospekt und mit dem. Best-in-Class Anlage-Ansatz (bestes Unternehmen in der Branche) investieren nicht in Firmen mit hohem Umweltbewusstsein, sondern nach wie vor in einzelne Atom- und Autofirmen, die ökologisch ein wenig nachhaltiger als die anderen Branchenteilnehmer/-innen sind (=“am wenigsten schlimm“-Prinzip).
Greenwashing vermeiden: Tipps für Verbraucher
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Seien Sie pragmatisch: Selbst wenig nachhaltige Geldanlagen sind immer noch besser als Finanzprodukte ohne ökologischen Anspruch. Wirklich nachhaltige Finanzprodukte zu finden ist aufwendig. Unsere Nachfrage verändert aber den Markt. Klimaschädlichen Projekten fließt kein frisches Geld mehr zu, das Kapital wird klimaschützend angelegt. Der Finanzmarkt kann einen entscheidenden Teil zur nachhaltigen Veränderung der Welt beitragen.
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Die Auswahl der richtigen Geldanlage ist aber auch wichtig! Erst nach umfassender und neutraler Beratung zu Risiken der Finanzprodukte sollten Sie Geld anlegen. Riskante Anlagen wie Windpark-Beteiligungen oder Photovoltaik-Projektfinanzierungen sind für Kleinanleger/-innen in der Regel nicht geeignet! Vorsicht bei unrealistischen Renditeversprechungen bei Finanzprodukten am Grauen Kapitalmarkt!
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Definieren Sie, was Sie selbst unter Nachhaltigkeit verstehen! Zu strenge Nachhaltigkeitspräferenzen führen zu wenig diversifizierten Geldanlagen und zu erhöhtem Anlagerisiko. Vermeiden Sie Klumpenrisiken!
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Verlassen Sie sich nicht auf Werbetexte in Hochglanzprospekten! Nutzen Sie unabhängige Informationsquellen um zu erfahren, ob die Bank oder Ihre Geldanlage tatsächlich nachhaltig wirtschaften. Aktuelle Ergebnisse der Stiftung Warentest bieten einen Produktfinder für nachhaltige Sparangebote ökologischer Banken und ethisch-ökologische ETfs an. Detaillierte Fondsprofile finden Sie außerdem beim Forum für nachhaltige Geldanlagen (FNG). Beim Fair Finance Guide finden Sie seriöse Banken mit geprüften grünen Kontomodellen und Zinsanlagen.
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Lassen Sie sich unabhängig beraten! Hilfe bei der Auswahl nachhaltiger Finanzprodukte erhalten Sie beim VerbraucherService Bayern und bei den Verbraucherzentralen. Sie prüfen einzelne Angebote und beraten mit Blick auf die individuelle Situation, wie Verbraucher/-innen zu mehr Nachhaltigkeit in ihrer Geldanlage kommen.
- Nachhaltige Geldanlagen: Ökologisch, ethisch und sicher investieren
- Greenwashing / Bluewashing: Engagement für Mensch und Umwelt oder Maßnahme zur Imageverbesserung?
- Fair Finance Guide
- Produktfinder der Stiftung Warentest: Nachhaltige Sparangebote und ökologisch-ethische ETFs
- VerbraucherService Bayern: Megatrend nachhaltige Geldanlage
- Geld bewegt: Themenplattform der Verbraucherzentrale zu Nachhaltigen Geldanlagen
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