Das Verbraucherschlichtungsverfahren nach dem neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG)
Sie haben Ärger mit einer Kaufsache, die Sie bei einem Unternehmer erworben haben?
Dieser reagiert nicht oder zeigt keine Verhandlungsbereitschaft?
Die Kaufsache ist aber nicht so viel wert, dass sich ein Gang zum Anwalt oder zum Gericht lohnen würde?
Dann schafft vielleicht ein Schlichtungsverfahren speziell für Verbraucherangelegenheiten Abhilfe.
In diesem Beitrag finden Sie
Gesetzlicher Hintergrund
Am 01.04.2016 trat in Deutschland das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen, das sogenannte Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG), in Kraft.
Dadurch besteht seitdem ein gesetzlicher Rahmen für die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern in einem schnellen, einfachen und kostengünstigen Verfahren, ohne dass ein Gang zum Gericht notwendig wird.
Das Gesetz beruht auf europäischer Gesetzgebung, aufgrund derer etwa auch die europäische Plattform zur Online-Streitbeilegung eingerichtet wurde. Mit diesen Maßnahmen soll der europäische Verbraucherschutz und das Vertrauen in den grenzüberschreitenden Handel gestärkt werden.
Was ist ein Verbraucherschlichtungsverfahren und wann kommt es in Betracht?
Das Schlichtungsverfahren nach dem neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) ist ein außergerichtliches Verfahren, das bei zivilrechtlichen Streitigkeiten, an denen Verbraucher und Unternehmer beteiligt sind, anwendbar ist.
Gerade bei Verbraucherstreitigkeiten ist der Streitwert oftmals gering, so dass sich aus Sicht des Verbrauchers der Weg zum Gericht nicht lohnt. Durch die Möglichkeit der alternativen Streitbelegung sollen gerade diese Fälle erfasst werden.
Der ordentliche Rechtsweg bleibt daneben weiterhin bestehen. Die Vorteile der Streitbelegung im Vergleich zum Rechtsweg liegen allerdings darin, dass das Verfahren einfach, schnell und für den Verbraucher in der Regel kostenlos ist.
Wesentliche Merkmale des Schlichtungsverfahrens
- Für den Verbraucher ist das Verfahren in der Regel kostenlos.
- Zu beachten ist allerdings, dass die Teilnahme am Schlichtungsverfahren für den Unternehmer im Regelfall freiwillig ist.
- Keine Partei muss den Schlichtungsspruch zwingend akzeptieren.
In einzelnen Branchen haben sich die Unternehmen zur Teilnahme an der Schlichtung verpflichtet (z.B. Banken, Versicherungen, zahlreiche Fluggesellschaften, Energieversorger).
Teilweise haben die Unternehmen auch erklärt, sich dem Schlichtungsvorschlag bis zu einer bestimmten Wertgrenze zu unterwerfen.
Informationspflichten des Unternehmers
Da die Teilnahme am Schlichtungsverfahren grundsätzlich freiwillig ist, müssen Unternehmer, die mehr als zehn Mitarbeiter haben, auf ihrer Webseite oder in ihren AGB die Verbraucher zwingend darüber informieren, ob sie an einem Schlichtungsverfahren teilnehmen oder nicht.
- Eine Teilnahme ist also nicht verpflichtend.
- Vorgeschrieben ist jedoch die Information über die (Nicht-)Teilnahme, ggf. mit Anschrift der zuständigen Schlichtungsstelle.
- Der Link zur europäischen Online-Streitbeilegungsplattform muss ebenfalls angegeben werden.
Erklärt ein Unternehmen sich grundsätzlich zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren bereit, so muss auch die zuständige Schlichtungsstelle mit Anschrift und Webseite angegeben werden.
Gleiches gilt auch, wenn die Streitigkeit zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer nicht erfolgreich beigelegt werden konnte: Auch in diesem Fall muss der Unternehmer dem Verbraucher mitteilen, ob er bereit ist, an einer Streitbeilegung teilzunehmen und welches die zuständige Schlichtungsstelle ist (§ 37 VSBG).
Die Information über die Teilnahmebereitschaft muss leicht, zugänglich, klar und verständlich auf der Webseite und den AGB des Unternehmers zu finden sein.
Ablauf des Verfahrens
Nimmt ein Unternehmer ausweislich der Information an einem Schlichtungsverfahren teil und wollen Sie eine Streitigkeit mit diesem schlichten lassen, so stellt sich die Frage, wie ein Schlichtungsverfahren abläuft.
Wollen Sie ein Schlichtungsverfahren eröffnen, müssen Sie einen Antrag bei der Schlichtungsstelle einreichen.
Da ein Schlichtungsverfahren abgelehnt werden kann, wenn Sie den streitigen Anspruch nicht vorher gegenüber dem Unternehmer geltend gemacht haben, müssen Sie in jedem Fall Sorge dafür tragen, den vorherigen Versuch der Kontaktaufnahme und Geltendmachung Ihres Anspruchs mit dem Unternehmer zu dokumentieren und diese Dokumente auch mit dem Antrag einzureichen.
Sie können sich – müssen dies aber nicht - im Streitbeilegungsverfahren auch vertreten lassen, entweder von einem Rechtsanwalt oder etwa einem Verbraucherverband wie der Verbraucherzentrale Bayern oder dem VerbraucherService Bayern.
Auch wenn jede Verbraucherschlichtungsstelle grundsätzlich eine eigene Verfahrensordnung haben kann, gibt es dennoch Gemeinsamkeiten im Ablauf des Schlichtungsverfahrens:
Das Schlichtungsverfahren wird von einem sogenannten Streitmittler geführt. Dieser ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und muss die Befähigung zum Richteramt besitzen oder Mediator sein.
Das Verbraucherschlichtungsverfahren ist im Regelfall freiwillig und kann auch jederzeit auf Wunsch der Parteien beendet werden. Trotz Schlichtungsverfahren bleibt dann der Rechtsweg zu den Gerichten bestehen.
Abgeschlossen wird das Verfahren normalerweise durch einen Schlichtungsvorschlag oder eine Abschlussvereinbarung im Falle einer Mediation. Der Schlichtungsvorschlag kann innerhalb einer bestimmten Frist angenommen werden (Vergleich) oder man geht zu Gericht.
Ist das Verfahren erfolglos, wird eine Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch ausgestellt.
Die Kosten des Schlichtungsverfahrens trägt grundsätzlich der Unternehmer. Für Sie als Verbraucher ist die Schlichtung in der Regel völlig kostenlos, es sei denn der Antrag auf Schlichtung wurde missbräuchlich gestellt.
Wenn Sie sich in dem Verfahren von einem Rechtsbeistand vertreten lassen, tragen Sie die Kosten des Vertreters jedoch unter Umständen selbst (so beispielsweise gemäß § 11 der Verfahrensordnung der Allgemeinen Verbraucherschlichtung).
Welche Schlichtungsstellen gibt es?
Bereits etablierte Schlichtungsstellen der einzelnen Branchen
Bereits etabliert und meist bekannt sind die einzelnen Schlichtungsstellen in bestimmten Branchen. Es gibt ca. 30 vorhandene Schlichtungsstellen. Die bekanntesten sind unter anderem:
• Schiedsstellen des KFZ-Gewerbes
• Schlichtungsstelle für Telekommunikation
• Schlichtungsstelle für Energie
• Schlichtungsstelle für Luftverkehr
• Schlichtungsstelle für Nahverkehr
• Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr
• Schlichtungsstelle für Versicherungen
• Schlichtungsstelle für Banken
• Schlichtungsstelle für die Rechtsanwaltschaft
• Schlichtungsstelle der Ärztekammern
• Schlichtungsstelle der Handwerkskammer
Zu den Schlichtungsstellen in bestimmten Branchen
Verbraucherschlichtungsstellen nach dem VSBG
Neben diesen meist bereits bekannten einzelnen Schlichtungsstellen in bestimmten Branchen gibt es nun sogenannte Verbraucherschlichtungsstellen nach dem VSBG. Grundsätzlich werden hier zwei Arten von Verbraucherschlichtungsstellen unterschieden: die allgemeine Schlichtungsstelle und die Universalschlichtungsstelle.
Da mit Förderung des Bundes eine Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle eingerichtet wurde, bedarf es derzeit keiner Universalschlichtungsstelle.
Zur allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle
Daneben gilt auch für die oben genannten Schlichtungsstellen der einzelnen Branchen neben den jeweiligen Spezialgesetzen das VSBG, sofern diese Schlichtungsstellen als Schlichtungsstellen nach dem VSBG anerkannt wurden (so etwa die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr, die Schlichtungsstelle Energie oder die Schlichtungsstelle Bausparen).
Zur vollständigen Liste der nach dem VSBG anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen
Wahl der „richtigen“ Schlichtungsstelle
Der Unternehmer hat ausweislich der ihn treffenden Informationspflichten die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle anzugeben.
Dennoch kann es für Sie als Verbraucher manchmal sinnvoller sein, sich an eine der genannten branchenspezifischen Schlichtungsstellen zu wenden: Etwa wenn besonderes Expertenwissen für die Schlichtung nützlich sein kann. Beispielsweise kann bei Streitigkeiten über ein KFZ die KFZ-Schlichtungsstelle möglicherweise aufgrund des dort bestehenden Fachwissens die Angelegenheit effektiver schlichten.
Droht Ihr Anspruch gegenüber dem Unternehmer allerdings zu verjähren, so besteht dringend Handlungsbedarf.
Um der Verjährung entgegenzuwirken, reicht bereits der Eingang eines Antrags auf Schlichtung bei der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle aus. Dieser hemmt nämlich die Verjährung.
Voraussetzung ist jedoch, dass der Antrag dem Antragsgegner zugestellt und nicht beispielsweise wegen Unzuständigkeit von der Schlichtungsstelle abgelehnt wird.
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