Reiserücktritt: Wann wird der Reisepreis erstattet?
Von: Referat 32 - Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz
In diesem Beitrag finden Sie
- Erstattung des Reisepreises bei Pauschalreisen
- Vorliegen eines Pauschalreisevertrages, § 651 a BGB
- Rücktrittsrecht des Reisenden vor Reisebeginn, § 651 h Abs. 1 Satz 1 BGB
- Zusammenfassende Übersicht zum Rücktrittsrecht des Reisenden aus § 651 h Abs. 1 Satz 1 BGB
- Rücktrittsrecht des Reiseveranstalters aus § 651 h Abs. 4 Satz 1 BGB
- Erstattung des Reisepreises bei Individualreisen zum Zielort
- Spezialgesetzliche Regelungen
- Recht des Reisenden zur Kündigung, § 648 Satz 1 BGB
- Wegfall der Geschäftsgrundlage und Rücktritt, § 313 BGB
- Unmöglichkeit der Beförderung zum Zielort
Erstattung des Reisepreises bei Pauschalreisen
Verbraucherinnen und Verbraucher, die einen Pauschalreisevertrag bei einem Reiseveranstalter abgeschlossen haben, sind regelmäßig durch eine Vielzahl von Rechten abgesichert.
Grund hierfür ist unter anderem die neugefasste Pauschalreise-Richtlinie vom 25.11.2015 (RL (EU) 2015/2302). Diese sieht einen umfassenden Schutz der Pauschalreisenden vor und wurde mit den §§ 651 a – 651 y des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie den Artikeln 250 – 253 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) in nationales Recht umgesetzt.
Vorliegen eines Pauschalreisevertrages, § 651 a BGB
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Pauschalreiserechts ist zunächst das Vorliegen eines Pauschalreisevertrages i. S. d. § 651 a BGB.
Ein Pauschalreisevertrag liegt vor, wenn eine Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise gegeben ist, § 651 a Abs. 2 Satz 1 BGB. Reiseleistungen i. S. d. § 651 a Abs. 2 Satz 1 BGB sind:
- die Beförderung von Personen
- die Beherbergung, außer wenn sie Wohnzwecken dient
- die Vermietung von vierrädrigen Kraftfahrzeugen oder von Krafträdern der Fahrerlaubnisklasse „A“
- jede sonstige touristische Reiseleistung
Beispiel 1:
Eine Reisegruppe aus München möchte ihren nächsten Urlaub in Griechenland verbringen. Hierfür bucht sie ein vorgefertigtes Urlaubspaket, das neben einem Hin- und Rückflug auch fünf Übernachtungen in einem Hotel beinhaltet. Flüge und Hotel stellen verschiedene Reiseleistungen dar. Es liegt ein Pauschalreisevertrag vor.
Beispiel 2:
Ein Ehepaar aus Berlin möchte seinen nächsten Urlaub in Paris verbringen. Hierfür bucht es zunächst einen Hin- und Rückflug bei einer Fluggesellschaft. Sodann wendet es sich unmittelbar an ein Hotel in Paris, bei dem es fünf Übernachtungen bucht. Hier liegen mit den Flügen und den Übernachtungen zwei verschiedene Reiseleistungen vor. Da die Eheleute die Leistungen jedoch bei verschiedenen Anbietern gebucht haben, liegt keine Pauschalreise, sondern lediglich eine Individualreise vor.
Beispiel 3:
Ein Reisender aus Dresden möchte ein Fußballspiel in Leipzig besuchen. Hierfür bucht er bei einem Reiseveranstalter ein Paket, das neben einer Eintrittskarte für das Spiel auch eine Übernachtung in einem nahegelegenen Hotel beinhaltet. Der Besuch der Fußballpartie und die Hotelübernachtung stellen verschiedene Reiseleistungen dar. Es liegt ein Pauschalreisevertrag vor.
Beispiel 4:
Eine Reisende aus Köln möchte verschiedene Städte in Schweden bereisen. Hierfür bucht sie bei einem Veranstalter ein Paket, das neben einem Flug nach Stockholm auch einen Mietwagen für die Dauer von zwei Wochen beinhaltet. Ihre Übernachtungen möchte die Reisende jeweils spontan vor Ort buchen. Mit dem Flug nach Stockholm und dem Mietwagen liegen zwei verschiedene Reiseleistungen, also ein Pauschalreisevertrag vor. Dagegen sind die Übernachtungen lediglich als davon losgelöste, individuelle Reisebestandteile zu behandeln. Für sie gelten die Bestimmungen zum Pauschalreiserecht nicht.
Liegt ein Pauschalreisevertrag vor, stehen Reisenden die Rechte aus §§ 651 a – 651 y BGB zu. Insbesondere können sie unter bestimmten Voraussetzungen vor Reisebeginn vom Pau-schalreisevertrag zurücktreten, § 651 h Abs. 1 Satz 1 BGB, beziehungsweise vor oder während der Reise den Pauschalreisevertrag kündigen, § 651 l Abs. 1 Satz 1 BGB.
Daneben kann auch der Reiseveranstalter gemäß § 651 h Abs. 4 Satz 1 BGB vom Pauschalreisevertrag zurücktreten. Die nachfolgenden Ausführungen sollen sich im Schwerpunkt mit den Rechten aus § 651 h BGB befassen.
Rücktrittsrecht des Reisenden vor Reisebeginn, § 651 h Abs. 1 Satz 1 BGB
Zu den zentralen Rechten von Pauschalreisenden gehört das Rücktrittsrecht vor Reisebeginn aus § 651 h Abs. 1 Satz 1 BGB. So kann der Reisende von der Reise jederzeit ohne Angabe von Gründen zurücktreten.
Der Rücktritt ist gegenüber dem Vertragspartner beziehungsweise seinem Empfangsbevollmächtigten zu erklären, § 349 BGB. Die Erklärung bedarf keiner bestimmten Form, kann also schriftlich, in Textform oder mündlich erfolgen.
Tritt der Reisende vom Pauschalreisevertrag zurück, entfällt auch der Anspruch des Reisever-anstalters auf den vereinbarten Reisepreis, § 651 h Abs. 1 Satz 2 BGB. Allerdings kann der Reiseveranstalter im Falle eines Rücktritts eine angemessene Entschädigung verlangen, § 651 h Abs. 1 Satz 3 BGB. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach § 651 h Abs. 2 BGB.
Eine Ausnahme von der Entschädigungspflicht besteht jedoch dann, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen, § 651 h Abs. 3 Satz 1 BGB (früher sogenannte „höhere Gewalt“).
Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände liegen vor, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich darauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären, § 651 h Abs. 3 Satz 2 BGB. Solche Umstände liegen insbesondere bei flächendeckenden Epidemien vor.
Auf eine subjektive Einschätzung des Reisenden kommt es dabei nicht an.
Nicht ausreichend für die Annahme unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände ist es daher, dass der Reisende die Situation am Bestimmungsort als gefährlich oder unsicher empfindet.
Entscheidend ist allein die objektive Einschätzung der Lage vor Ort. Ein starkes Indiz für das Vorliegen von höherer Gewalt stellen Beurteilungen des Auswärtigen Amts sowie damit verbundene Reisewarnungen dar, an denen sich regelmäßig auch die Rechtsprechung orientiert.
Liegt eine Reisewarnung für das betreffende Gebiet für den Zeitpunkt der Reise vor, kann sich der Reisende gegenüber dem Reiseveranstalter grundsätzlich auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände berufen. In diesem Falle muss er weder den Reisepreis noch eine Entschädigung an den Reiseveranstalter zahlen.
Beispiel 5:
Eine Reisende aus Frankfurt hat Mitte 2019 eine Pauschalreise nach China gebucht. Kurz be-vor sie ihre Reise Anfang 2020 antritt, spricht das Auswärtige Amt eine Reisewarnung aus, in der vor Reisen nach China wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus gewarnt und von diesen bis auf Weiteres abgeraten wird. Kann die Reisende von der Reise zurücktreten, ohne den Reisepreis oder eine Entschädigung zahlen zu müssen? Wie verhält es sich, wenn von der Reise Abstand genommen wird, ohne dass zuvor ausdrücklich der Rücktritt erklärt wurde?
Antwort:
Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes aufgrund der Epidemie ist ein starkes Indiz dafür, dass unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände gegeben sind, welche die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen. Die Reisende kann gegenüber dem Reiseveranstalter den Rücktritt erklären, ohne den Reisepreis oder eine Entschädigung zahlen zu müssen.
Tritt die Reisende aus dem Beispielsfall die Reise ohne Angabe von Gründen nicht an, kann darin gleichwohl eine Rücktrittserklärung durch schlüssiges Verhalten liegen. Maßgebend ist, ob im Einzelfall darauf geschlossen werden kann, dass die Reisende die Reise nicht mehr durchführen will. In diesem Falle verliert der Reiseveranstalter ebenfalls seine Ansprüche auf den Reisepreis und eine etwaige Entschädigung, sofern für das Reisegebiet eine Reisewarnung besteht.
Beispiel 6:
Eine Reisegruppe aus Mainz hat Mitte 2019 eine Pauschalreise nach Belgien gebucht. Kurz bevor sie ihre Reise Anfang 2020 antritt, werden erste Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus im Reisegebiet gemeldet. Das Auswärtige Amt hat kurz vor Antritt der Reise noch keine Reisewarnung ausgesprochen. Die Reisegruppe sieht wegen der Neuinfektionen vor der Reise ab und erklärt dies auch gegenüber dem Reiseveranstalter. Muss die Gruppe noch den Reisepreis oder eine Entschädigung zahlen?
Antwort:
Da der Rücktritt ohne die Angabe von Gründen erfolgen kann, verliert der Reiseveranstalter auch hier seinen Anspruch auf den Reisepreis, § 651 h Abs. 1 Satz 2 BGB. Dagegen kommt es hinsichtlich der Entschädigung aus § 651 h Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Umstände des Einzelfalls an. Es ist daher zu fragen, ob die Umstände vor Ort aus objektiver Sicht derart schwerwiegend sind, dass von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen ausgegan-gen werden kann, welche die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen.
Es empfiehlt sich, diesbezüglich Kontakt mit dem Reiseveranstalter aufzunehmen und gegebenenfalls eine Einigung zu erzielen.
Beispiel 7:
Ein Reisender aus Kiel hat Mitte 2019 eine Pauschalreise in die Vereinigten Staaten gebucht. Kurz bevor er seine Reise Anfang 2020 antritt, erlässt der amtierende US-Präsident zur Eindämmung der Neuinfektionen mit dem neuartigen Coronavirus ein Dekret, wonach die Einreise von EU-Bürgern untersagt wird. Das Auswärtige Amt hat für das Reisegebiet keine Reisewar-nung ausgesprochen. Auch liegen für den Bestimmungsort keine Meldungen zu Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus vor. Muss der Reisende den Reisepreis oder eine Entschädigung zahlen, wenn die Reise nicht mehr stattfinden kann?
Antwort:
Der Anspruch des Reiseveranstalters auf den Reisepreis entfällt wiederum gemäß § 651 h Abs. 1 Satz 2 BGB. Fraglich ist, ob im Falle eines Rücktritts Entschädigung an den Reiseveranstalter zu leisten ist. Insofern bedarf es wiederum unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstände.
Die Rechtsprechung hat vereinzelt in früheren Entscheidungen angedeutet, dass auch behördliche Maßnahmen als höhere Gewalt qualifiziert werden könnten, wenn diese nicht dem Betriebsrisiko des Reiseveranstalters unterfallen, nicht vorhergesehen werden konnten und sich diese zumindest erschwerend auf die Durchführung der Reise ausgewirkt haben (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.09.2004 – 16 U 49/04). Dabei hat Rechtsprechung klargestellt, dass behördliche Maßnahmen dann nicht mehr dem Betriebsrisiko des Reiseveranstalters unterfallen, wenn sie völlig ungewöhnlich sind oder allein dem Schutz der Reisenden dienen. Dies kann unter anderem bei Einreisesperren wegen Krankheiten der Fall sein (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.09.2004 – 16 U 49/04). Da der Begriff der höheren Gewalt gegenüber dem Terminus der unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände höheren Anforderungen unterlag, kann die oben zitierte Rechtsprechung auch auf die neue Rechtslage übertragen werden.
Für den Beispielsfall bedeutet dies, dass sich der Reisende aus Kiel auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände berufen darf. Er hat daher weder den Reisepreis noch eine Entschädigung zu zahlen.
Beispiel 8:
Ein Ehepaar aus Düsseldorf bucht Anfang März 2020 eine Pauschalreise nach Österreich und möchte diese zeitnah antreten. Der österreichische Bundeskanzler hat zu diesem Zeitpunkt bereits die Grenze nach Italien geschlossen. Muss das Ehepaar den Reisepreis oder eine Entschädigung an den Veranstalter zahlen, wenn Österreich vor Beginn der Reise die Grenze auch nach Deutschland schließt und die Einreise aus dem Land untersagt?
Antwort:
Der Reisepreis muss vorliegend nicht entrichtet werden. Jedoch lässt sich mit Blick auf die oben zitierte Rechtsprechung nicht ausschließen, dass aufgrund der Vorhersehbarkeit des Einreisestopps gemäß § 651 h Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BGB eine Entschädigung an den Reiseveranstalter zu leisten ist. Insoweit wird angeraten, sich mit dem Reiseveranstalter in Verbin-dung zu setzen und gegebenenfalls eine Einigung zu erzielen.
Zusammenfassende Übersicht zum Rücktrittsrecht des Reisenden aus § 651 h Abs. 1 Satz 1 BGB
Reisepreis zu zahlen? | Entschädigung zu zahlen? | |
---|---|---|
Eine Reisewarnung liegt | Nein | Nein |
Eine Reisewarnung liegt nicht vor | Nein | Umstände des Einzelfalls entscheidend |
Reiseland verhängt Einreisestopp | Nein | Nein |
Reiseland könnte Einreisestopp verhängen | Nein | Umstände des Einzelfalls entscheidend |
Rücktrittsrecht des Reiseveranstalters aus § 651 h Abs. 4 Satz 1 BGB
Unabhängig von den Rechten des Reisenden kann auch der Reiseveranstalter vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktreten. Dies kann er allerdings – anders als beim Reisenden – nur in bestimmten Fällen tun. Einen Rücktrittsgrund für den Reiseveranstalter sieht insbesondere § 651 h Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 BGB vor. Danach kann der Reiseveranstalter vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn er aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände an der Erfüllung des Vertrages gehindert ist, § 651 h Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 Halbsatz 1 BGB. In diesem Fall hat er den Rücktritt unverzüglich nach Kenntnis von dem Rücktrittsgrund zu erklären, § 651 h Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 Halbsatz 2 BGB. Tritt der Reiseveranstalter vom Vertrag zurück, so verliert er auch den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis, § 651 h Abs. 4 Satz 2 BGB. Ein bereits gezahlter Reisepreis ist dann unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt wieder an den Reisenden auszukehren.
Erstattung des Reisepreises bei Individualreisen zum Zielort
Anders ist sich die Rechtslage bei Individualreisen. Eine Individualreise liegt vor, wenn der Reisende die Reise entweder selbst organisiert beziehungsweise lediglich einzelne Reiseleistungen bei einem Reiseveranstalter oder Reisevermittler gebucht werden.
Hervorzuheben ist, dass die §§ 651 a ff. BGB auf Individualreisen, die sich etwa in einer Bahnreise oder einem Flug erschöpfen, nicht anzuwenden sind. Vielmehr ist in solchen Fällen lediglich von einem Beförderungsvertrag auszugehen. Die nachfolgenden Ausführungen sollen sich auf individuell gebuchte Beförderungen zum Zielort konzentrieren.
Spezialgesetzliche Regelungen
Beförderungsverträge begründen für den Beförderungsunternehmer die Verpflichtung, die zu befördernde Person oder Sache unversehrt zum vereinbarten Zeitpunkt an den Bestimmungsort zu verbringen. Obwohl Beförderungsverträge ihrem Wesen nach Werkverträge i. S. d. §§ 631 ff. BGB sind, werden die Regelungen des BGB oftmals von spezialgesetzlichen Regelungen verdrängt. Die jeweils anzuwendenden Regelungen werden durch die Eigenheiten des konkreten Vertragsverhältnisses bestimmt. Derartige Regelungen sind unter anderem:
- für den Flugreiseverkehr die Fluggastrechte-Verordnung (Fluggastrechte-VO; VO (EG) 261/2004)
- für den Eisenbahnverkehr die Fahrgastrechte-Verordnung (Fahrgastrechte-VO; VO (EG) Nr. 1371/2007) und das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr („COTIF“)
Recht des Reisenden zur Kündigung, § 648 Satz 1 BGB
Liegt kein spezialgesetzlicher Fall vor, ist der Reisende auf das Leistungsstörungsrecht der §§ 631 ff. BGB verwiesen. Zwar kann der Reisende grundsätzlich auch hier vor Antritt der Reise kündigen, § 648 Satz 1 BGB. Allerdings kann der Beförderungsunternehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, § 648 Satz 2 Halbsatz 1 BGB.
Dies gilt selbst dann, wenn das Reisegebiet von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus betroffen ist. Fordert der andere Vertragsteil in diesen Fällen die vertragliche Vergütung ein, so muss er sich jedoch dasjenige anrech-nen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt, § 648 Satz 2 Halbsatz 2 BGB. Zu beachten ist, dass das Recht zur Kündigung gemäß § 648 BGB durch Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen sein kann.
Wegfall der Geschäftsgrundlage und Rücktritt, § 313 BGB
Daneben kommt bei Individualreisen grundsätzlich auch ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 313 BGB in Betracht. § 313 BGB ermöglicht unter bestimmten, im Zweifel eng auszulegenden Voraussetzungen bei Störungen der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertragsinhalts. Dies setzt voraus, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten, § 313 Abs. 1 BGB. Der Vertragspartei darf ein Festhalten am unveränderten Vertrag angesichts der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar sein, § 313 Abs. 1 BGB. Ist eine Anpassung des Ver-trages nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Ver-trag zurücktreten, § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Insofern stellt das Kriterium der Unzumutbarkeit für den Vertragsteil eine unabdingbare Voraussetzung für das Lösen vom beziehungsweise die Änderung des Vertrages dar. Unzumutbarkeit i. S. d. § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB liegt vor, wenn der von der Störung betroffenen Partei die unveränderte Vertragserfüllung nicht mehr zugemutet werden kann, ein Festhalten am Vertrag also zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden, Ergebnissen führen würde. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung sämtlicher Umstände, welche insbesondere die konkreten Vor- und Nachteile für den Vertragsteil in den Blick nimmt. Damit wird deutlich, dass erhöhte Anforderungen an die Begründung der Unzumutbarkeit bestehen, diese also nur in eng umgrenzten sowie außerge-wöhnlichen Konstellationen gegeben sein dürfte.
Vor diesem Hintergrund können Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes aufgrund des neuartigen Coronavirus oder die Reise zu besonders belasteten Gebieten außergewöhnliche Umstände darstellen.
Damit hängt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in besonderem Maße von den Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles ab. In den übrigen Fällen ist der Reisende grundsätzlich auf die Kulanz seines Vertragspartners verwiesen, sofern er aufgrund der Bestimmungen seines Vertrages nicht flexibel stornieren kann.
Unmöglichkeit der Beförderung zum Zielort
Ist dem Vertragspartner eine Beförderung zum Zielort nicht möglich, kann der Reisende von seiner Gegenleistungspflicht befreit sein. Unmöglichkeit im Rechtssinne liegt vor, wenn die Leistung vom anderen Vertragsteil nicht mehr erbracht werden kann, vgl. § 275 Abs. 1 BGB. Dies kann etwa bei einem verhängten Einreisestopp der Fall sein.
Kann die Reise wegen Unmöglichkeit nicht durchgeführt werden, wird der Reisende grundsätzlich von seiner Gegenleistungspflicht frei, § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB. Er kann dann nach Maßgabe des § 326 Abs. 5 Halbsatz 1 BGB vom Vertrag zurücktreten, vgl. § 634 Nr. 3 BGB.
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