Was bedeutet der Brexit für Verbraucher? Im Fokus: Geld und Versicherungen
Das Vereinigte Königreich wird möglicherweise mit Ablauf des 31. Oktober 2019 aus der Europäischen Union ausscheiden.
Da eine Einigung über das Austrittsabkommen momentan ungewiss ist, ist ein ungeregelter Brexit (auch „No-Deal-Brexit“ oder „harter“ Brexit genannt) nicht mehr auszuschließen. Wie wirkt sich das Szenario eines ungeregelten Brexit jedoch konkret auf die Verbraucherinnen und Verbraucher aus?
Tatsächlich gibt es einige Lebensbereiche, in denen die Auswirkungen für Verbraucher spürbar sind:
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Versicherungsrecht
Beispielfall: Angenommen, Sie verfügen über eine Kapitallebensversicherung bei einem britischen Versicherungsunternehmen. Nach dem Stichtag des 31.10.2019 wird der Vertrag durch Eintritt des gewünschten Vertragsablaufs fällig. Kann die Versicherungssumme auch im Falle eines ungeregelten Brexits noch ausgezahlt werden? Was geschieht mit Ihrem Versicherungsvertrag?
Bestehenden Policen mit britischen Versicherern, die über den Stichtag hinaus fortlaufen, droht grundsätzlich aufgrund des mit dem Brexit einhergehenden Lizenzverlusts ohne ein Austrittsabkommen nachträglich die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB. Sie könnten dann im Versicherungsfall nicht zur Auszahlung kommen. Aus diesem Grund übertragen viele britische Versicherer ihre Bestände auf europäische, insbesondere irische Tochterunternehmen, um so weiterhin unter EU-Recht zu fallen und den Geschäftsbetrieb fortführen zu können. Dann könnten auch nach dem Stichtag im Versicherungsfall etwaige Auszahlungen vorgenommen werden.
Nachteilig bei den geplanten und teilweise bereits durchgeführten Übertragungen auf europäische Tochterunternehmen ist ein möglicher Verlust des Insolvenzschutzes durch die britische Sicherungseinrichtung „Financial Service Compensation Scheme“ (FSFC). Dieser Fonds sichert Ansprüche aus Versicherungsverträgen ohne Obergrenze zu 90% ab. Eine vergleichbare Einrichtung gibt es in Irland nicht.
Regelung durch Brexit-Steuerbegleitgesetz der Bundesregierung:
Durch Art. 7 des Brexit-Steuerbegleitgesetzes, der vorsieht, dass über den neuen § 66a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) Zulassungen für britische Versicherungsunternehmen, die über eine Niederlassung oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs im Inland tätig waren, für einen Übergangszeitraum von 21 Monaten entsprechend fortgeführt werden können, soweit dies zur Abwicklung bereits vor dem Stichtag geschlossener Verträge erforderlich ist, sollen inländische Versicherungsnehmer vor Nachteilen durch Vertragsdiskontinuität geschützt werden. Durch das Brexit-Steuerbegleitgesetz, das seit dem 29.3.2019 in Kraft getreten ist, wird die Gefahr der nachträglichen Vertragsnichtigkeit und somit auch der Verlust von Auszahlungsansprüchen deutlich entschärft.
- Grundsätzlich empfiehlt es sich, in den Versicherungsunterlagen zu prüfen, wo die Versicherung, mit der ein Versicherungsvertrag geschlossen wurde, ihren rechtlichen Sitz hat. Liegt der Sitz in Großbritannien, ist Ihr Vertragspartner grundsätzlich unmittelbar vom Lizenzverlust betroffen. Dann sollten Sie sich zum weiteren Vorgehen Ihres Vertragspartners informieren lassen und die möglicherweise geänderten Konditionen zum Insolvenzschutz bei den Überlegungen über das Fortbestehenlassen des Vertrages einfließen lassen. Mit Beschwerden können Sie sich an die BaFin oder den Versicherungsombudsmann wenden.
- Bei manchen Verträgen ist auch eine vorgezogene Auszahlung möglich. Für Versicherungsverträge, die nur noch wenige Jahre bis zu deren Vertragsende haben, kann diese Option sinnvoll sein.
- Grundsätzlich kann der Brexit ganz allgemein zum Anlass genommen werden, um bestehende Versicherungsverträge hinsichtlich Handlungs- bzw. Anpassungsbedarf auf den Prüfstand zu stellen.
Informationen beispielsweise zu Lebensversicherungen finden Sie im VIS-Artikel "Die Lebensversicherung - beliebt, aber noch zeitgemäß?" Auch eine unabhängige individuelle Beratung bei den Verbraucherverbänden kann sinnvoll sein:
VerbraucherService Bayern im Katholischen Frauenbund e.V. oder
Verbraucherzentrale Bayern e.V.
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Girokonten-Verträge und Darlehensverträge
Bei einem ungeregelten Austritt droht britischen Kreditinstituten der Verlust der Erlaubnis ihrer grenzüberschreitenden Tätigkeit. Auch im Bankensektor werden daher Übertragungen an europäische Tochterunternehmen geplant. Da jedoch nicht alle bereits laufenden Verträge übertragen werden können, ist aus Sicht der Verbraucher mit Einschränkungen in der Funktionalität der Dienstleistungen zu rechnen.
Durch das Brexit-Steuerbegleitgesetz hat die BaFin die Möglichkeit erhalten, britischen Unternehmen, die bislang im Wege der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit in Deutschland tätig waren, im Rahmen einer Ermessensentscheidung unter bestimmten Voraussetzungen für eine Übergangszeit von maximal 21 Monaten die weitere Nutzung des Europäischen Passes zu erlauben, soweit dies zur Vermeidung negativer Folgen für die Funktionsfähigkeit bzw. die Stabilität der Finanzmärkte im Falle eines harten Brexit geboten ist.
Rechtlicher Hintergrund: In einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums zugelassene Kreditinstitute sind durch das „Single-License-Prinzip“ (oder auch „europäischer Pass“) grundsätzlich berechtigt, ihr Geschäft entweder über eine Zweigstelle oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs auch in anderen Mitgliedsstaaten auszuüben. Dieses basiert auf den Artikeln 33 bis 39 der CRD IV (Richtlinie 2013/36/EU), die durch die §24a Kreditwesengesetz (KWG) und §53b KWG in deutsches Recht umgesetzt wurden.
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Einlagensicherung
Hinsichtlich des Einlagenschutzes ändert sich selbst bei einem ungeregelten Austritt für Einlagen bei Banken in Großbritannien aufgrund der Europäischen Einlagensicherung zunächst nichts. Aufgrund der Umsetzung der Richtlinie 2014/49/EU des europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme besteht für Kunden britischer Banken eine Einlagensicherung in Höhe von 85.000 Pfund pro Kunde, die auch nach einem Brexit zunächst bestehen bleibt. Da Großbritannien allerdings mit einem Austritt aus der EU nicht mehr an europäische Vorgaben gebunden ist, könnte Großbritannien künftig grundsätzlich von bisherigem Recht abweichen.
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SEPA-Zahlung
Ist Großbritannien nach dem Brexit kein Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums mehr, könnten für Überweisungen nach Großbritannien oder Zahlungen mit EC-oder Kreditkarten in Großbritannien Gebühren anfallen.
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Internationale Zuständigkeit, Anerkennung bzw. Vollstreckung
Erheben Verbraucher mit Wohnsitz in Deutschland Klage gegen Händler mit Sitz in Großbritannien, die ihre gewerbliche Tätigkeit auf Deutschland ausrichten, ergeben sich selbst bei einem ungeregelten Austritt Großbritanniens keine Änderungen für die internationale Zuständigkeit im Vergleich zur bisherigen Rechtslage.
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Kostenlose Hotline der EU
Für weitergehende Fragen zur Vorbereitung auf einen ungeregelten Brexit können Verbraucher das Informationsangebot „Europe Direct" der Europäischen Kommission wahrnehmen. Dieses ist aus jedem EU-Mitgliedsstaat und in jeder Amtssprache der EU unter der gebührenfreien Nummer 00 800 6 7 8 9 10 11 erreichbar.
Foto: daniel_diaz_bardillo / pixabay.com
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